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GDL-Streik: Das große Chaos im Kreis Kulmbach blieb aus


Autor: Sonny Adam

LKR Kulmbach, Donnerstag, 06. November 2014

Und die Bahn, sie fuhr doch: Die Schulen meldeten am ersten Streiktag regulären Unterrichtsbeginn, die Firmen nutzten die Bahn trotzdem. Aber die Fahrgäste, die wirklich stehen gelassen wurden, waren stinksauer.
Warum rangiert Harald Wich den Güterzug mit dem dicken roten DB-Logo, der in Stadtsteinach Schotter verlädt? "Ich habe in meinem Leben noch nie gestreikt, ich bin Beamter", erklärt Wich. Foto: Sonja Adam


Mit lautem Tuten nähert sich die rote DB-Lok der Weiche in Stadtsteinach. Erich Lehnhardt (56), ein Mitarbeiter der Bahn, springt vom Waggon, dirigiert den Lokführer und lacht. Es soll Kies verladen werden, trotz Streik - ganz normal wie immer. "Ich habe in meinem Leben noch nie gestreikt. Ich bin doch Beamter", sagt Lehnhardt.

Und sein Kollege im Zug? Harald Wich (52) sitzt trotz Streik im Führerhaus und arbeitet. "Ich bin auch Beamter", sagt er. Genau genommen ist er auch kein Lokführer, sondern Lokrangierführer. "Ich bin zufrieden mit dem, was ich verdiene", sagt Wich und verrät auch, was das ist. Er geht mit netto 2200 Euro nach Hause, bekommt aber noch Zuschläge. "Aber ich kann die Jungen schon verstehen.

Denn die sind natürlich keine Beamten mehr, die gehen mit 1300 Euro netto nach Hause, haben Schichtdienst und kein Wochenende."

Ob der Streik die richtige Art ist, die Forderungen durchzusetzen, darüber möchte sich Harald Wich kein Urteil erlauben. Denn letztlich sind vor allem die Kunden sauer - und das ist schlecht für alle. "So manche Firma mit Terminfracht hat schon auf Lastwagen umgestellt, weil es einfach wegen der Streikaktion ungewiss ist, ob die Ware auch ankommt", sagt Wich. Und das stoße bei der Kundschaft nicht gerade auf Gegenliebe.

Josef Heiß, der für die Firma Schicker in Stadtsteinach die Verladung von Schotter koordiniert, ist der Bahn trotz Streik treu geblieben. "Die Waggons sind gestern von Würzburg gekommen, gehen nach Lichtenfels und dann weiter nach Würzburg. Es gibt einen Fahrplan, die kommen weiter", ist Erich Lehnhardt zuversichtlich, dass die Weiterbeförderung wie vereinbart klappt. "Und wenn die Waggons drei Tage stehen würden, würde ja auch nichts passieren", sagt Josef Heiß gelassen.

Schnee und Glatteis schlimmer

Auch die Kulmbacher Schüler hatten keine großen Probleme mit dem Streik. Morgens zur Schulzeit kamen sie pünktlich zum Unterricht. "Viele sind auf Agilis ausgewichen. Aber es hat niemand bei uns angerufen, dass er stehen geblieben wäre", bestätigt Achim Geyer vom Landratsamt Kulmbach. Kurz nach 13 Uhr verkehrten die Züge ebenfalls. "Im Schnitt fällt zwar jeder zweite Regionalexpress aus, aber ich muss sagen, jeder Tag mit Schnee und Glatteis ist schwieriger für uns als dieser Streik. Der hatte eigentlich keine Auswirkungen", sagt Geyer.

Auch die Schulen bestätigen das. Am Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium kam kein einziger zu spät oder gar nicht, beim Caspar-Vischer-Gymnasium hat sich lediglich ein Schüler verspätet, teilt das Sekretariat mit.

Privatbahn profitiert

Profiteur des Streiks war die Privatbahn Agilis. Das Unternehmen hatte am Streiktag Nummer eins alle verfügbaren Züge im Einsatz. "Ich denke, dass das gesamte System Bahn auf Grund des Streiks derzeit ein schlechtes Bild abgibt. Es herrscht Unsicherheit unter den Reisenden. Bahn-Stammkunden müssen je nach Ersatzfahrplan auf andere Verkehrsmittel ausweichen. Ich befürchte, dass wir - ob DB, Agilis oder andere Eisenbahnunternehmen - Fahrgäste an den Bus verlieren werden", kommentiert Pressesprecher Michael Rieger die Situation: "Die Fahrgäste möchten nur schnell, zuverlässig und sicher von A nach B gelangen - die Farbe des Zuges ist aus Fahrgastsicht zunächst zweitrangig. Während der Ausschreibungsphase sind wir Konkurrenten. Im laufenden Betrieb hat jedes Unternehmen seine Verbindungen. Da sehe ich Agilis, DB, Alex oder Vogtlandbahn als Ergänzungen", so Rieger.

Trotz allem hat es in Kulmbach auch einige erwischt. Burkhardt Sachs wolle um 8.19 Uhr in den Zug steigen. Doch diese Verbindung fiel aus. Er konnte dann erst um 9.17 Uhr abreisen. Und eigentlich wollte er um 11.17 Uhr wieder nach Hause nach Marktschorgast. Doch Fehlanzeige. Dieser Zug fiel aus, der nächste auch. "Ich warte jetzt auf den Zug um 13.18 Uhr. Der soll ja fahren", ärgert sich Sachs über die Verzögerung. "Normalerweise müssten auch mal die Bahnkunden streiken und die Bahn vier Wochen boykottieren", sagt Sachs und hat kein Verständnis für die Ausfälle.

Auch Anna Lia Pontes aus Münchberg blieb am Bahnhof in Kulmbach hängen. Sie musste eine gute Stunde länger warten, nahm den Zug um 13.26 Uhr.

Ob der Streik wirklich nach vier Tagen beendet ist, ist ungewiss. "Die GDL verhandelt auch mit Agilis. Die Verhandlungen sind ausgesetzt, bis mit der Deutschen Bahn ein Ergebnis erzielt wird. Auf Basis dieses Abschlusses wird die GDL dann wieder mit uns und anderen privaten Bahnen verhandeln. Ich kann nicht komplett ausschließen, dass in Zukunft Agilis auch einmal bestreikt werden wird. Derzeit besteht diese Gefahr allerdings nicht", sagt Pressesprecher Rieger.