Gasgewinnung in Kulmbach oder: Sag niemals nie zum Fracking?
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Freitag, 08. Juli 2022
In den USA gang und gäbe, bei uns hochumstritten: die Gewinnung von Schiefergas. Unter unseren Füßen lagern Vorräte - aber müssen wir trotz Krise jede regionale Ressource heben, koste es, was es wolle? Im Landkreis war die Haltung dazu bisher eindeutig.
Fracking? Ein Wort wie Donnerhall. Der Kreistag hatte dazu eine Resolution verabschiedet, einstimmig angenommen quer durch alle Fraktionen mit dem Tenor: Diese umstrittene Methode zur Gewinnung von Gas aus der Tiefe kommt für den Landkreis nicht infrage. 2015 war das, die Energiewelt noch in Ordnung; Russland galt als verlässlicher Partner und Energielieferant des Westens und eigene Vorkommen schienen uninteressant, weil zu teuer. Doch Zeitenwenden bringen bisweilen geistige Kehrtwenden mit sich. Plötzlich wird über eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten gesprochen und Kohleverstromung als notwendiges Übel in Kauf genommen. Und nun auch noch Fracking erlauben?
Veränderte Vorzeichen
Die Vorzeichen hatten sich bereits 2018 geändert, wie sich FDP-Stadt- und Kreisrat Thomas Nagel erinnert (er war einer derjenigen, die Fracking nicht per se verteufeln). Ein Gesetz machte erstmals Vorgaben, ob und wie in Deutschland Gas nach der Fracking-Methode gefördert werden darf. Die Minister der Merkel-Regierung in der Großen Koalition hatten sich auf einen Entwurf geeinigt: Probebohrungen mit Frackingflüssigkeiten sind demnach erlaubt, wenn sie das Trinkwasser nicht gefährden. Eine Expertenkommission sollte prüfen, ob sich ein Abbau lohnen würde - ohne Gefahr für Mensch und Umwelt. Dann dürften Energieunternehmen Anträge stellen, um kommerziell zu fracken.
Wie Nagel das bewertet? "Fracking in Deutschland ist eine Option, die wir diskutieren müssen wegen einer solchen Energiekrise wie gerade jetzt. Das Thema ist allerdings sehr unbeliebt in der Bevölkerung. Deshalb sollten wir darüber nicht in Hinterzimmern diskutieren, sondern die Ängste ernst nehmen und nicht über die Köpfe der Menschen entscheiden." Seine Partei wolle angesichts der Energiekrise das Verbot der Erdgasförderung durch Fracking auf den Prüfstand stellen. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass Fracking unter modernen Sicherheitsstandards wenig relevante Umweltschäden verursache. "Ich selbst sehe das aber aktuell noch skeptisch."
Allerdings sagt Nagel auch: Wer Frackinggas aus den USA importiert, kann nicht gegen eine sichere Förderung in Deutschland sein. "Negative Folgen für die Umwelt darf es aber nicht geben."
Erhöhter Methanausstoß befürchtet
Als "absoluter Gegner von Fracking" positioniert sich Rainer Ludwig (Freie Wähler), wie Nagel Mitglied im Stadtrat und Kreistag sowie als Landtagsabgeordneter energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion. "Ich habe mich stets gegen das umstrittene und umweltzerstörende Förderverfahren ausgesprochen. Die Methode dient nur der Gewinnung fossiler Brennstoffe und steht nicht im Kontext, nachhaltig erneuerbare Ressourcen zu fördern. Fracking zerstört natürliche Lebensräume und gefährdet Arten - dadurch geraten lokale Ökosysteme aus dem Gleichgewicht!" Daher sei es für Ludwig der falsche Weg auch in der Krise: Durch schädliche Chemikalien würde nicht nur die Struktur des Bodens verändert, es komme zu erhöhtem Methanausstoß sowie zu einer ernsthaften Kontamination des Grundwassers - und somit zur Gefährdung der Trinkwasserversorgung. "Deren Schutz hat immer Vorrang."
2018 hatte die FW- Fraktion einen Antrag im Münchner Maximilianeum eingebracht, der sich klar gegen diese Technologie wendet. In Bayern komme Fracking allein aufgrund der geologischen Gegebenheiten nicht in Betracht, sagt Ludwig. "Das überteuerte Verfahren würde auch den aktuellen Versorgungsengpass nicht verhindern, denn Bau und Inbetriebnahme solcher Anlagen würden sich über Jahre hinziehen." Zentrale Aufgabe mit höchster Priorität sei der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien. Wer schnell Energiereserven erschließen wolle, müsse über kurzzeitig verlängerte Laufzeiten von Kernkraftwerken nachdenken.
Langer Vorlauf
Den Zeitfaktor benennt auch die CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner. "Klar ist, dass das erste Frackinggas wahrscheinlich erst in drei Jahren und relevante Gasmengen erst in zehn Jahren gefördert werden könnten." Dennoch hält sie eine aktuelle Diskussion für nötig. "Unsere Entscheidungen müssen immer im Kontext der Zeit gesehen werden. Deshalb war die Entscheidung damals richtig, Fracking nicht flächendeckend anzuwenden und das unkonventionelle Fracking zu verbieten." Gleichzeitig aber sollte durch Modellprojekte das Know-how der Technologie erhalten und weiterentwickelt werden. Fossile Rohstoffe sollten nur in Notlagen genutzt und für künftige Generationen bewahrt werden. "Ob Russlands Angriff auf die Ukraine als eine solche Notlage eingestuft werden muss, ist zu diskutieren."