Ganz nah dran am Nebenmann
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Sonntag, 04. August 2019
Namensschilder sind eine feine Sache.Wenn man sie lesen kann.
Es hat sich in den letzten Jahren eingebürgert, dass Menschen, die an einer Konferenz oder einem Workshop teilnehmen, vom Veranstalter ein Namensschildchen überreicht bekommen, das man dann für die Dauer der Konferenz in Brusthöhe an der Kleidung trägt. Eine feine Sache, wie ich finde. Schließlich will man ja wissen, mit wem man es zu tun hat und freut sich, wenn man seinen Nebenmann mit Namen ansprechen kann. Die Zeiten, in denen man jung und sorglos einen Kontakt mit einem locker-flockigen "Hey, Du..." knüpft, sind ja definitiv vorbei.
Dumm nur, wenn der Name auf dem Schildchen so klein gedruckt ist, dass man ihn beim besten Willen nicht lesen kann. Jedenfalls nicht aus einer Entfernung, die gemeinhin noch als schicklich gelten kann. So wie neulich bei einer Tagung.
Eine winzige Schrift, ein Raum, der abgedunkelt war, weil eine Power-Point-Präsentation gezeigt wurde. Keine Chance, den Namen zu entziffern.Bevor ich mir nun den Hals verrenke, so dachte ich mir, frage ich meinen Nebenmann lieber, wer er ist. "Wir kennen uns nicht - und die Schilder kann man nicht lesen...." begann ich die Konversation. Er stellte sich vor, ich tat das gleiche, und im Laufe des Nachmittags unterhielten wir uns angeregt.
Nur so geht's. Altmodisch, aber wirkungsvoll. Wer nämlich - zumal als Mann - in der Hoffnung, eine Acht-Punkt-Schrift in einem abgedunkelten Raum entziffern zu können, den Abstand zur Dame nebenan immer weiter minimiert und ihr dabei unentwegt auf die Brust starrt, der hat schon vor der ersten verbalen Kontaktaufnahme verloren.