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Gags und Gänsehaut: Hitler auch in Kulmbach wieder da


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Donnerstag, 14. November 2013

Logenplatz im Führer-Schädel: Timur Vermes ließ mit "Er ist wieder da" die Zuhörer in der Buchhandlung Hübscher in Kulmbach an der skurrilen Wiederkehr des untoten Despoten teilhaben. Eine Gratwanderung zwischen Gags und Gänsehaut.
Er ist Hitler, seine Sekretärin mit Berliner Schnauze, ein Filmagent und die halbe NPD-Parteispitze in Personalunion: Timur Vermes las am Mittwochabend in der Buchhandlung Hübscher aus seinem Bestseller "Er ist wieder da". Eine Verfilmung des Werks sei geplant. Fotos: Jochen Nützel


Dieser gnadenlose Scheitel! Rechts gezogen, natürlich. Eine Andeutung der Haartolle auf weißem Papiergrund genügt, dazu die Karikatur eines Lippenbärtchens, das eher an einen Rasierunfall erinnert - fertig ist der stilisierte Führer. Auf erstanden aus Berliner Ruinen ist er dank Autor Timur Vermes. Der Name legt es nahe: Der Mann ist Franke. Nürnberger. Gut, mit ungarischen Wurzeln. Wobei der Name schon den ersten Fallstrick legt: So ein Buch, eine Satire über den untoten Adolf Hitler im Hier und Heute - das kann doch kein Deutscher verfasst haben!

Satire auf den Ur-Bösewicht

"Ich wundere mich, warum nicht früher jemand auf die Idee gekommen ist." Vermes tupft das so hin, bevor er in der Buchhandlung Hübscher zu lesen beginnt aus "Er ist wieder da": jene gallige Comedy auf das Ur-Böse aus großdeutschen Landen, die sich verkauft wie geschnitten Kommissbrot.

Auflage mittlerweile über eine Million Exemplare. Eine Doku-Soap, ein Sci-Fi-Roman darüber, wie es wäre, wenn der echte Hitler als Wiedergänger in einem Park in Berlin erwacht (aus seiner Sicht erfreulich unverstümmelt), noch in Uniform gewandet und mit der Ideologie der Rassenlehre im Tornister, dafür ohne Reich, ohne Eva, ohne Papiere.

Wer unter den 20 Zuhörern das Hörbuch kennt, der lauert förmlich auf die ersten Takte der Lesung. Eigentlich hat Vermes schon verloren, denn diese Menschen haben die Version von Christoph-Maria Herbst im Ohr. Jener Herbst, der sich bereits im Film "Der Wixxer" als Führer angeboten hatte und die Nation zu Lachtränen rührte, sozusagen der Stromberg unter den Diktatoren-Imitatoren. Wie soll der Autor bestehen gegen diesen O-Ton gewordenen GröVaZ (Größter Vorleser aller Zeiten), der beim Ähnlichkling-Wett bewerb wohl gar den echten Führer auf Rang zwei verwiese?

Die Antwort: erstaunlich gut. Vermes' Sprachduktus hat zwar nicht dieses Schrille in der Kehle, die sich überschlagenden Stimmbänder; aber wie sich der Autor auch mimisch in die Hauptfigur verbeißt, ist schauspielerisch aller Ehren wert. Im Gestus das Herrische beherrschend, reichskanzelt er als Adolfs Leihstimme die ahnungslosen Untertanen aus der Ich-Perspektive ab. Hitler weiß ja als Einziger, dass er echt ist, während alle Welt in ihm nur den genialen Parodisten sieht, der seine Propaganda über die Volksempfänger und Youtube verbreiten darf und vom Endsieg faselt, als ginge es um Sportwetten.

Besonderen Spaß an der Erfindung derlei Begegnungen der dritten Reichsart hatte Vermes hörbar beim Besuch des NSDAP-Obermotz' bei den angeblich legitimen Gesinnungs erben von der Bundes-NPD mit dem pausbäckigen Holger Apfel an der Spitze. Ein Apfel, weit gefallen vom Stammbaum des aufrechten Deutschen: ein Bückling, zur Fettleibigkeit tendierend, Schützengraben-untauglich. Adi Hitler trifft Adi Positas - bei derlei Humankapital kann selbst ein Führer schon mal germanisch-depressiv werden. Da nutzt es nix, dass die National-Demokraten ("ein Widerspruch in sich") es in zwei ostdeutsche Landtage geschafft haben. Mit Parlament-Ariern ist kein Rechts-Staat zu machen, geschweige denn ein Krieg zu gewinnen.

Mit Stalinorgel gegen das Laub

Es sind diese Passagen des Buches, die bei den Zuhörern Erheiterung auslösen und sich zugleich beim Lachen ein Kloß im Hals dazuschmuggelt. Hinreißend schön auch solche Begebenheiten, wenn etwa der Hitler der 1940er-Jahre auf Technik der Jetztzeit trifft, also im Internet auf Wikipedia surft ("eine Art Winterhilfswerk des Wissens") und sich fragt: Wer überwacht dieses Netz eigentlich, wo es doch kein Reichspropaganda ministerium mehr gibt? Man sieht im Kopfkino förmlich Krakeeler Goebbels bei Google in der Führungsetage einhumpeln und mit einem Mausklick die rechte Hetze millionenfach in die gleichgeschalteten Rechner und Hirne spamen! Oder wenn sich der Führer über neumodische Blattbeseitigungs methoden amüsiert und den Laubbläser zur Stalinorgel des kleinen Mannes erklärt. So mag er den nibelungentreuen Befehlsempfänger, der bei Wind und Wetter Laub bläst ohne Sinn und Verstand, aber wohl im Dienst einer höheren Sache. Nicht fragen - weiterblasen! Guter Mann.

Schaudern als normale Reaktion

Aber darf man denn das: über Hitler lachen? Was ist denn mit den realen Nazis 2.0? "Ich bin keiner, der mit dem Buch rechte Gesinnungsbrüder bekehren will. Das kann ich gar nicht", sagt Vermes. Eines aber verwundere ihn schon: Warum es zum Megaseller "Shades of Grey" über die Lust an der sexuellen Unterwerfung Dutzende psychologische Abhandlungen gibt, über seine Hitler-Fantasien aber keine? Als positive Reaktion wertet er, "dass die allermeis ten Leute auch das Schaudern spüren, das in dem Buch steckt".