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Freihandelsabkommen TTIP: Schweinerei oder Segen?


Autor: Thomas Heuchling

Trebgast, Montag, 20. Oktober 2014

Das mögliche transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) könnte verheerende Folgen für den Landkreis Kulmbach haben - ein Bündnis macht dagegen mobil. IHK-Vertreter sehen hingegen Vorteile für die Unternehmen.
Wenn das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) kommt, dann fürchtet Florian Schleicher um die Existenz seines Hofes, den er nach den Standards des Bioland-Verbandes bewirtschaftet. Foto: Thomas Heuchling


Wir schreiben das Jahr 2020: Lange hat Florian Schleicher um seinen Biohof im Trebgaster Ortsteil Lindau gekämpft. Doch gegen die Übermacht der billigen Lebensmittel aus den USA kann er sich nicht mehr halten. Schleicher verkauft den Hof an einen global agierenden Großkonzern. Das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) hat den kleinen Landwirtschaftsbetrieb in den Ruin getrieben.

Dieses Szenario zeichnen zu mindest die TTIP-Gegner, die sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben und am Montag auf dem Hof von Florian Schleicher ihre Befürchtungen über die Auswirkungen von TTIP mitteilten. Diese haben sie in einer fiktiven Zeitung abgedruckt, die im Jahr 2020 angesiedelt ist. Dort prophezeien sie mit satirischem Beigeschmack unter anderem das Ende der Kulmbacher Bierwoche, wegen giftigem Wasser durch das Fracking. Und eben das Ende kleiner landwirtschaftlicher Betriebe wie dem Hof von Florian Schleicher.

Dagmar Keis-Lechner (Grüne) engagiert sich gegen das mögliche Fracking im Weidener Becken (Gewinnung von Gas- und Ölvorkommen durch das hinein pressen von Chemikalien in den Boden) und befürchtet eine Durchsetzung der umstrittenen Technologie im Rahmen des TTIP. Denn über Schiedsgerichte könnten Firmen, trotz geltender Gesetze, entgangene Gewinne einklagen und so den Rechtsstaat umgehen. Dies könne auch auf andere Bereiche der Wirtschaft übertragen werden, befürchtet Keis-Lechner.

Gar einen Angriff auf Rechtsstaat und Demokratie sieht Arno Pfaffenberger (Linke) durch das Transatlantische Abkommen. Sein Bündnis-Kollege Ehrenfried Bittermann (ÖDP) fürchtet: "Mit TTIP kommt die Gentechnik durch die Hintertür." Und Wolfgang Schenker (Bund) sieht einen "gravierenden Rückschritt für die globale Klimapolitik."
Und Landwirt Florian Schleicher fürchtet um die Zukunft seines Hofes. Doch Soweit wie im fiktiven Szenario aus 2020 ist es noch nicht. Rund 3000 Hühner und 100 Schweine tummeln sich noch auf dem Hof in Lindau. Wenn das Handelsabkommen beschlossen wird, dann erwartet der 26-jähriger Landwirt stark fallende Lebensmittelpreise durch günstige Importe aus den USA. Mit noch niedrigeren Preisen könne er nicht konkurrieren. An die Möglichkeit, dass durch TTIP und eine dadurch bedingte Minderung der Lebensmittelqualität in den Supermärkten noch mehr Menschen bewusster einkaufen und in seinen Hofladen kommen, glaubt er nicht.

Arbeitsplätze und Wachstum

Hans Kolb, Leiter Bereich International der IHK für Oberfranken, sieht hingegen klare Vorteile beim TTIP: Er spricht von einer Erhöhung des Wohlstandes und mehr Wachstum innerhalb der beteiligten Volkswirtschaften. Diese Vorteile zeigen sich aber in verschiedenen Ländern unterschiedlich stark: "Dabei werden nach neuesten Untersuchungen kleinere Staaten wie zum Beispiel im Baltikum oder die Krisenstaaten in Südeuropa mehr, Deutschland weniger und die USA am meisten profitieren. Doch auch für Deutschland werden 100 000 neue Arbeitsplätze prognostiziert." Zudem solle neben den großen Weltkonzernen auch der Mittelstand gut vertreten sein, so Kolb.

Wie genau eine einzelne Region sich entwickeln wird, wenn das TTIP kommt, kann auch der Wirtschaftsexperte nicht vorhersagen: "Es gibt sicher keine oberfrankenspezifischen Vorteile, doch der allgemeine Nutzen, den dieses Abkommen bringt, wird auch bei uns voll durchschlagen", sagt Kolb. Den Vorwurf der geheimen und undurchschaubaren Verhandlungen, den die TTIP-Gegner immer wieder vorbringen, hält Kolb auch nicht für haltbar: "Die EU-Kommission hat zum Beispiel im Frühjahr dieses Jahres eine Online-Umfrage zum TTIP gestartet. Im Mittelpunkt stand dabei insbesondere der umstrittene Investorenschutz. Hier können sich alle Unternehmen beteiligen."

Größtes Abkommen der Welt

Dass es viel Kritik gibt, kann Hans Kolb teilweise verstehen. Schließlich handle es sich bei TTIP um das bisher größte Handelsabkommen der Welt. Es gehe darum einen gemeinsamen Markt für rund 800 Millionen Menschen zu schaffen. "Selbstverständlich wollen sich da viele einbringen", sagt Kolb In den Argumenten der TTIP-Gegner, dass Verbraucherstandards gesenkt werden, nur große Unternehmen profitieren, der Handlungsspielraum der Regierungen eingeengt wird, oder gesundheitsschädliche Produkte ins Land kommen, sieht der IHK-Experte weitgehend Irrtümer: "Während die großen Unternehmen ohnehin schon im großen Maßstab mit den USA handeln, werden gerade mittelständische Unternehmen von einem Freihandelsabkommen profitieren."
Bei der letzten IHK-Delegationsreise zu den EU-Institutionen in Brüssel habe die IHK den Eindruck gewonnen, dass die europäischen Verhandlungsführer sehr viel stärker im Interesse der europäischen Verbraucher handeln, als dies hier öffentlich bekannt sei, betont Kolb.

Die TTIP-Gegner wollen davon nichts hören und sind sich sicher: Das Abkommen werde im Herbst 2015 ratifiziert und hauptsächlich negative Folgen für Deutschland haben.


Das steckt hinter der Abkürzung TTIP

Erklärung Hinter der Abkürzung TTIP verbirgt sich der Name: "Transatlantic Trade and Investment Partnership". Es steht für ein bilaterales (zwischen zwei Staaten oder Staatengemeinschaften) Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Es soll den Waren- und Dienstleistungsverkehr liberalisieren oder zumindest erleichtern. Das TTIP befindet sich seit Juli 2013 in der Verhandlungsphase und umfasst alle Bereiche der Wirtschaft.