Fracking im Kreis Kulmbach: Hydrologe hat Bedenken
Autor: Jochen Nützel
Neudrossenfeld, Freitag, 02. Januar 2015
Im Weidner Becken und vor Neudrossenfeld darf ein britisches Unternehmen nach Öl- und Gaslagerstätten suchen. Der Anfang von Fracking im Landkreis? Stefan Peiffer, Hydrologe an der Uni Bayreuth, hegt Bedenken.
Eine neue Technologie ist Fracking beileibe nicht. In Deutschland wird die unkonventionelle Fördermethode seit den 1940er-Jahren angewandt - unter anderem zur Wassergewinnung. Seinen Schrecken zieht das Fracking aber aus der Tatsache, dass damit vor allem die USA im großen Stil Öl- und Gaslagerstätten ausbeuten, an die mit herkömmlichen Bohrungen nicht zu kommen ist. Bestehen die Ressentiments gegen Fracking zu recht?
Jemand, der sich des Themas aus umwelttechnischer Sicht angenommen hat, ist Stefan Peiffer. Der Professor ist Inhaber des Lehrstuhls für Hydrologie und Geschäftsführender Direktor des Bayreuther Zentrums für Ökologie und Umweltforschung an der Universität Bayreuth.
Beim Fracking werden Flüssigkeiten verwendet, die unter anderem Biozide, Tenside, Gele und Säuren enthalten. Wie werten Sie als Hydrologe den Einsatz des Chemikalienmixes? Ist dieser wirklich so unbedenklich, dass man das Rückfluss-Wasser trinken kann, wie es jüngst Mitarbeiter des Ölmultis Exxon Mobil getan haben?
Stefan Peiffer: Das ist Blödsinn, denn die chemische Zusammensetzung des Flowback-Wassers spiegelt auch die Chemie des Grundwassers wider aus jener Tiefe, in der die Fracking-Operation durchgeführt wird. Das Wasser ist häufig sehr salzig und belastet mit Kohlenwasserstoffen - genau deretwegen frackt man ja.
Welchen Dauerschaden könnte das Wasser im Untergrund nehmen? Wirkt sich das auch an der Oberfläche aus oder in Gewässern?
Bei einer Tiefe von 3000 bis 4000 Metern sind keine wirklichen Schäden zu erwarten, da in der Tat dieses Wasser nicht in Kontakt kommt mit dem Grundwasser aus höheren Stockwerken. Aber: Sehr wohl ein Problem sind Leckagen in den Bohrungen, die auftreten können beim Durchbohren von Grundwasserleitern, die für die Trinkwassernutzung verwendet werden. Und nicht zu vergessen die oberirdischen Risiken wie Unfälle oder undichte Stellen. Das sind ja mittlere Industriebetriebe.
Rentiert sich Fracking in Deutschland überhaupt, was die förderbare Menge angeht?
Meines Erachtens nicht. Die Vorräte in Deutschland decken den Gasbedarf des Landes von etwa 13 Jahren. Damit ist nichts gewonnen im Hinblick auf eine Energiewende. Der Gewinn verbleibt einzig beim Betreiber.
Wie schätzen Sie die Situation im Weidener Becken ein? Halten Sie Bohrungen auch in den Landkreisen Bayreuth und Kulmbach für möglich?
Ich kann die geologische Situation nicht so genau beurteilen. Grundsätzlich sind in allen sedimentären Formationen, und die liegen nun mal unter uns, Lagerstätten denkbar, die man über Fracking erschließen kann. Ob dies in der Region der Fall sein wird, weiß ich nicht.
Im Film "Gasland", gedreht von US-Fracking-Gegnern, zündet ein Farmer einen Wasserhahn an, weil daraus angeblich Gas unkontrolliert ausströmt. Der Effekt soll allerdings andere Ursachen haben, wird sogar als Fälschung gesehen. Wie schätzen Sie diese Art von "Aufklärung" ein?
Nach meinem Wissen sind das tatsächlich methanhaltige Grundwässer und das hat wohl nichts mit Fracking zu tun. In den USA liegen die Fracking-Lagerstätten sehr viel näher an der Oberfläche und in einer Tiefe, in der auch nach Trinkwasser gebohrt wird. Es ist gut möglich, dass dieses Methan sich im Grundwasser angereichert hat. In den USA gibt es sehr viele Hausbrunnen, die eben auch in solche Grundwasserleiter niedergebracht werden. Im Grunde ist diese Darstellung genau so dämlich wie das Trinken des Flowback-Wassers. Es gibt den jeweiligen Gegnern nur Munition an die Hand, um zu zeigen, wie blöd der jeweils andere ist
Persönliches Fazit: Halten Sie Fracking eher für eine Chance oder ein unbeherrschbares Risiko?
Vor allem für ein Risiko. Fracking ist mit sehr vielen Unwägbarkeiten verknüpft, denen aber im Moment kein vertretbarer Mehrwert entgegen steht. Die Nutzung von Schiefergas oder -öl zur Verbrennung als Energiequelle bringt nur zusätzliches fossiles Kohlendioxid in die Atmosphäre, wovon ohnehin genug produziert wird. Als Brennstoff bringt es definitiv nichts.
Anders mag es sein als Rohstoff für bestimmte petrochemische Produkte im Bereich der Kunststoffindustrie. Es ist aber anzunehmen dass eine umweltschonende Produktion von solchem Rohstoff unökonomisch ist, da sie mit vielen Auflagen zu versehen ist, um die Risiken zu minimieren. Außerdem sollte besser das Rohöl, welches im Moment aus gut erschließbaren Quellen gefördert werden kann, nicht verheizt, sondern als Ressource für die Kunststoff-Industrie geschont werden.
Fracking Der Begriff ist die Kurzform von Hy draulic Fracturing und meint das Herausbrechen (englisch "to fracture") von Schiefergasen aus tieferen Gesteinsschichten; dabei wird mit Wasser und Sand ein chemisches Gemisch in den Boden gepresst, das die Schichten aufdrücken und die Gase zur Bohrstelle hinführen soll. In den USA ist die Methode gängige Praxis, um in Erdgaslagerstätten die Förderquote zu erhöhen respektive Vorkommen anzuzapfen, die aufgrund der Gesteinsdichte bisher nicht erschließbar waren. Das hat zu einem neuen Öl- und Gas-Boom geführt, die Obama-Regierung verspricht sich davon die Unabhängigkeit von Importen vor allem aus Russland.
Gefahren In den USA ist es zu einigen Störfällen gekommen, wie aus einem Bericht der dortigen Umweltbehörden hervorgeht. In einem See in West-Virginia verendeten tausende Fische nach einem Fracking-Einsatz. Überhaupt gilt bei Kritikern die Gefahr der Verunreinigung von Grundwasser- und Trinkwasserreservoires als unkalkulierbar, weil die Chemikalien nie vollständig zurückgewonnen würden. Der Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG) teilt die Bedenken nicht, Fracking sei bewährte Technik.
Vorrat In Deutschland lagern nach Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften rund 2,3 Billionen Kubikmeter gewinnbares Schiefergas im Untergrund, das meiste davon in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. Die Menge würde reichen, auf aktuellem Niveau den deutschen Gasverbrauch für etwa 20 Jahre zu decken.
Gesetzeslage Im Juli 2014 legten das Bundesumwelt- und das Bundeswirtschaftsministerium ein Papier vor, das Fracking zu ganz bestimmten Zwecken unter Einhaltung strengster Regeln zwar grundsätzlich ermöglichen soll; allerdings wird betont, dass es kommerzielle Förderung von Schiefergas "auf absehbare Zeit" nicht geben werde.