Fortschritte und offene Baustellen
Autor: Jochen Nützel
Trebgast, Mittwoch, 12. Mai 2021
Herwig Neumann (CSU/NWG) muss seit einem Jahr sein Bürgermeisteramt in Trebgast inmitten einer Pandemiesituation ausüben. Was geht unter diesen Bedingungen, was muss zwangsläufig warten?
Für Herwig Neumann ist es die erste Amtsperiode im Trebgaster Rathaus. Der 53-Jährige hat sich dafür extra von seinem Arbeitgeber beurlauben lassen, um sich, wie er betont, ganz der Gemeindearbeit widmen zu können. Wir ziehen mit ihm Bilanz nach den ersten zwölf Monaten.
Herr Neumann, als Sie im Mai 2020 gewählt wurden, war die Pandemie bereits das alles bestimmende Thema. Wie sehr hat Corona Ihr erstes Jahr als Bürgermeister bestimmt? Was hat das Virus an Plänen und Umsetzungen vereitelt oder verzögert?
Herwig Neumann: Corona belastet in der Tat nicht nur jeden Einzelnen, es belastet natürlich auch eine Kommune in ihrer Arbeit. Ich selber bin Vereinsvorsitzender und spüre, wie stark bislang das gesellschaftliche Leben eingeschränkt ist. Das geht auch im Persönlichen bis zum ganz einfachen Wunsch, sich mal wieder mit Freunden im Biergarten zu treffen. Als Bürgermeister kann ich seltener diese so wichtigen Gespräche auf dem kurzen Dienstweg führen - telefonische Absprachen ersetzen kein persönliches Miteinander. Das macht die Arbeit nicht leichter, gerade auch im Publikumsverkehr mit unseren Bürgern. Und ja, Corona hat durchaus Planungen durcheinandergebracht. Ich denke nur an das von MdB Emmi Zeulner initiierte Gespräch mit der Bahn, was die nicht optimalen Schließzeiten für unsere Bahnübergänge angeht. Die Bahn hat uns gesagt: Ihr seid Hochinzidenzgebiet, wir warten da erst mal ab. Jeder hat logischerweise seine Kontakte runtergefahren - aber solche Themen müssen vor Ort besprochen werden, das genügt nicht per Videokonferenz im virtuellen Raum.
Die Bahnübergänge mit den Rückstaus in die Straßen waren ein Thema im Wahlkampf, ein anderes war das von Ihnen angestoßene aktive Bauflächen- und Wohnraummanagement für Trebgast.
Das bin ich gleich angegangen. Der Bedarf der Bürger, auch von außerhalb, ist da, gerade viele junge Familien suchen nach Möglichkeiten, sich bei uns niederzulassen. Ich habe alle Baulücken-Besitzer angesprochen und kann zu meiner Freude sagen, dass sich noch in diesem Jahr fünf Baulücken schließen lassen. Die entsprechenden Genehmigungen sind bereits von Gemeinderat bescheinigt. Wir konnten für einen jungen Arzt, der in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner ist, ein Grundstück finden. Dieser Mediziner kann dauerhaft in Trebgast bleiben - und er möchte hier künftig auch praktizieren. Das spielt ja mit hinein in die vorausschauenden Planung einer Gemeinde, was sie den Einwohnern bieten will, und da gehört eine medizinische Versorgung am Ort elementar dazu. Derzeit laufen Überlegungen, mittels eines Investors ein Mehr-Parteien-Haus zu bauen. Auch hierfür ist Nachfrage da.
Ein großer Schritt war - und das ist mit der Verdienst meines Vorgängers Werner Diersch und des damaligen Rates: In der Gemeinde wurde ein Sanierungsgebiet ausgewiesen, das sehr gerne angenommen wird. Hier bieten wir Bürgern an, die ein altes Haus erwerben und sanieren wollen, über die Gemeinde und ein beauftragtes Ingenieurbüro eine Begleitung des Projekts erfahren und dabei etwa in den Genuss erhöhter steuerlicher Abschreibungen kommen. Festzustellen ist: Leerstände in dem Sinne gibt es nicht bei uns. Häuser, die auf den Markt kommen, sind entweder sofort vermietet oder verkauft. Das geht manchmal schneller, als der Bürgermeister schauen kann.
Sie hatten erwähnt, keine Bedenken zu haben, ein größeres Baugebiet auszuweisen.
Das ist immer noch auf der Agenda. Ich habe zeitnah mit einem Erschließungsträger gesprochen, der so etwas in Eigenregie betreut - Projekte, bei denen wir uns als Gemeinde einklinken könnten. Wir sind aber in einer Phase, in denn solche Entwickler so gut bedient sind mit Aufträgen, dass sie sagen: Leute, wenn da was gehen soll, geht ihr bitte finanziell in Vorleistung, wir bauen euch dann alles, was ihr wollt, den Rest müsst ihr schultern. Dazu sind wir momentan als Gemeinde nicht in der Lage. Wir können nicht für 1,5 Millionen Euro ein Gebiet erschließen. Wir halten uns an machbare Dinge: Ortsabrundungen, Lückenbebauung, Erweiterungen bestehender Gebäude. Da machen wir als Gemeinde für Eigentümer die Türen weit auf.
Was bereits läuft, ist der Hort-Umbau. Schule, Hort, Kindergarten: Pfunde, mit denen Trebgast wuchern kann, die aber auch teuer in der Umsetzung sind. Was kann die Gemeinde schultern? Sie sind Vorsitzender des Schulverbands Harsdorf-Trebgast. Es gab früher Bedenken, eine Gemeinde wie Trebgast habe auf Sicht nicht genug Kinder, um solche Einrichtungen betreiben zu können.
Der Umbau des Horts wird früher fertig als geplant, da sind wir auf der Zielgeraden. Auch bei den Arbeiten in der Schule sind wir im Zeitplan. Dazu gehören eine moderne Pelletsheizung und die energetische Ertüchtigung des Gebäudes. Wir haben alles neu verkabelt, es gibt einen Aufzug, moderne Medien. Dabei liegen wir zum Glück im finanziellen Rahmen, was ja nicht selbstverständlich ist. Die Schülerzahlen vor 20 Jahren zeigten zunächst einen anderen Trend an, aber wir haben zum Glück stabile Zahlen. Die Trebgaster Schule - mitsamt Umgriff Kindergarten, Krippe und Hort - ist so attraktiv auch für Außenstehende, so dass wir aktuell 16 Gastschüler haben. Wir werden in ein paar Jahren um die 100 Schüler haben, aktuell sind es rund 70. Das sind erfreuliche Aussichen, unsere Kinder sind uns lieb und teuer, ich bin ja selber Familienvater. Ich denke, man kann mit Fug und Recht sagen, dass wir nach dem Umbau die modernste Grundschule im Landkreis haben werden.
Eine Ihrer Visionen im Wahlkampf drehte sich um ein Fernwärmenetz für Trebgast, sozusagen nach Marktschorgaster Vorbild.
Ich habe mir das besagte Modell lange vor der Wahl angesehen und fand es nachahmenswert. Da sind wir für uns im Ort aber noch nicht vorangekommen. Wir wollten uns die Möglichkeiten und auch Vorgaben mit unserem Gemeinderat und dem Bauausschuss ansehen. Es war, was die Kontakte für so ein Großprojekt angeht, auch etwas schwierig in Coronazeiten. Dennoch bleibt es ein wichtiges Thema, weil die Energieversorgung vor allem in Zeiten, in denen Diskussionen über Klimaschutzpakete laufen, den Menschen auf den Nägeln brennt. Meine Intention war, auch die Außenorte wie Lindau und Feuln in solch ein Netz einzubinden. Dort stehen Betriebsgebäude landwirtschaftlicher Anwesen leer, die sich als möglicher Lagerstandort etwa für Hackschnitzel eignen würden. Es müsste weiter überlegt werden, wie wir das Ganze aufziehen, vielleicht als Genossenschaft wie eben in Marktschorgast. Jeder muss sich bewusst sein: Wer quasi die Eintrittskarte in ein solches Wärmenetz löst, der muss auch ein gewisses Eintrittsgeld bezahlen. Dafür würde man sich umgekehrt die eigene Heizung im Haus sparen, weil alles über Wärmezähler abgerechnet wird. Das hätte für den Einzelnen Vorteile. So ein Modell rechnet sich erst ab einer gewissen Zahl an Teilnehmern. Die Bürger werden sich damit befassen, wenn sie merken, dass durch CO2-Bepreisung etc. sich bei den Energiekosten deutlich etwas ändert. Es geht auch darum: Will ich selber nochmals mein Heizsystem ummodeln, oder nutze ich das System?
So ein Projekt kostet Geld. Wie sieht es mit den monetären Möglichkeiten der Kommune aus? Was erlaubt der Haushalt?
Solche Entwicklungen wie ein Fernwärmenetz wird sich eine Gemeinde wie Trebgast nie ohne Förderung leisten können. Den Haushalt wollen wir vermutlich in der Juni-Sitzung verabschieden. Es gab noch wichtige Gespräche mit der Regierung von Oberfranken. Es geht auch um die Priorisierung von Vorhaben. Was können wir uns leisten? Der Abriss und Umbau des Kindergartens soll heuer ebenfalls in Angriff genommen werden. Die erste Kosten werden nächstes Jahr auflaufen. Diese Kosten werden uns im Haushalt für 2022 beschäftigen, dafür werden wir auch Kredite aufnehmen müssen. Alles, was so schön auf der hohen Kante lag, haben wir sinnvoller Weise in Schule und Hort gesteckt. Damit sind die Rücklagen weg. Wir müssen uns auf die Pflichtaufgaben konzentrieren. Allein für das Kanalnetz sind Aufwendungen von 1,7 Millionen zu erwarten. Unser Straßennetz ist an vielen Punkten verbesserungswürdig, auch das kostet.
Das sagt sein Gegenkandidat von damals
Bis zum letzten Stimmkreis lag Ingo Moos (SPD/WG) am Wahlabend noch rund zehn Stimmen vorne - nach der Auszählung in Lindau hatte Herwig Neumann gewonnen. "Das knappe Rennen hat nichts am guten Verhältnis zwischen Herwig und mir geändert", sagt Ingo Moos heute. "Wir konnten schon die Jahre zuvor im Gemeinderat gut miteinander arbeiten. Es ist entscheidend, dass wir - abseits aller Fraktionszugehörigkeit - das Beste für die Kommune wollen." Er habe dem Bürgermeister Unterstützung zugesagt, dazu stehe er. "Als sein Stellvertreter tauschen wir uns sehr oft aus und können uns aufeinander verlassen. Ich bin nicht der Typ, der öffentlich anprangert. Wenn nach meinem Dafürhalten etwas nicht passt, berede ich das mit ihm direkt." Nicht nur Corona, auch das tragische Unglück am Badesee mit zwei Toten vor einem Jahr hatte Neumann den Start nicht einfach gemacht, gibt Moos zu bedenken. Die jetzigen Projekte seien zum Großteil vor Neumanns Amtszeit angestoßen worden. "Die setzt er um und das läuft ganz gut", lobt Moos und ergänzt: "Manchmal könnte das Tempo etwas angezogen werden, aber die Zeiten sind kompliziert."