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Forscher fordern: bleifrei feuern


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Donnerstag, 16. Juni 2016

Der Schießsport ist wieder in die Schlagzeilen geraten. Diesmal warnen Mediziner vor erhöhten Bleiwerten im Blut von Sportschützen.
Nicht die Zielscheibe, sondern die Munition von Sportschützen haben Münchner Forscher ins Visier genommen.  Foto: BR-Archiv


Gefährliche Bleidämpfe beim Sportschießen? Bei dieser Debatte spart Gerhard Neugebauer nicht mit (verbaler) Munition. "Das ist ein Schmarrn hoch drei", moniert der Mann, der in Schützenkreisen als Koryphäe gilt. Seit zehn Jahren steht Neugebauer der Schützengesellschaft Kulmbach-Ziegelhütten vor, er betreibt dieses Hobby seit mehr als vier Jahrzehnten. "Ich habe in dieser Zeit wahrlich viele Diskussionen um unseren Sport erlebt. Und das mit der angeblichen Belastung ist halt der nächste Versuch, das Schießen niederzumachen."

Was ist es, was den Kulmbacher den Kopf schütteln lässt? Eine Untersuchung des Universitätsklinikums München hatte jüngst ergeben, dass Sportschützen überproportional häufig mit Blei belastet seien.

Die Forscher fanden demnach heraus: Schützen, die mit Klein- oder Großkaliberwaffen hantieren, neigten zu einer erhöhten Konzentration des Schwermetalls im Blut.

Die Ergebnisse ergaben Mittelwerte von 114 bis 136 Mikrogramm Blei pro Liter Blut, einzelne Probanden erreichten sogar an die 500 Mikrogramm. Die Deutsche Presseagentur zitiert dazu Rudolf Schierl vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, der wiederum einen entsprechenden Bericht des Bayerischen Rundfunks bestätigte. Demnach müsse ab 250 Mikrogramm Blei pro Liter Blut laut Umweltbundesamt mit akuten Gesundheitsschäden gerechnet werden. Normal sei ein Wert von etwa 30 Mikrogramm.


Gefahr für Jugendliche

In eine ähnliche Richtung deutet eine bislang unveröffentlichte Untersuchung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen. Die Erhebungen hätten laut eines Behördensprechers gezeigt, dass auch bei jugendlichen Schützen, die nur mit Luftdruckwaffen schießen dürfen, die Bleiwerte leicht erhöht seien. Herrmann Fromme vom LGL sieht in den Werten keine, die eine akute Vergiftung nach sich ziehen würden. "Aber das sind Werte, die langfristig vollkommen unerwünscht sind - insbesondere für kritische Bevölkerungsschichten wie Jugendliche, aber auch Frauen im gebärfähigen Alter.

Das Blei werde beim Abschießen der Munition freigesetzt, beim Einatmen gelange es in die Bronchien und über die Lunge ins Blut. Messungen sollen ergeben haben, dass sich der Blei-Wert im Blut der Schützen binnen einer Stunde fast vervierfachte, bei Zuschauern im selben Raum verdoppelte. Die Experten kommen daher zu dem Schluss, Sportschützen sollten keine bleihaltige Munition mehr verwenden. Gefordert wurde zudem die Installation von Lüftungsanlagen an den Schießständen. Kurzfristig könnten auch Atemmasken Schutz bieten.

"Das ist bei unseren Mitgliedern kein Thema, da müsste ja jeder Betroffene das Blei direkt einatmen", entgegnet Gerhard Neugebauer. Die Ziegelhüttener Sportler frönen ihrer Leidenschaft in einer nur teilgedeckten Schießanlage für Großkaliber und Schwarzpulver, dazu gibt es eine offene Schießanlage auf 50 Metern. "Eine Teil-Einhausung ist nötig wegen der Lärmschutzvorgaben, ansonsten versuchen wir immer, im Freien zu schießen."


Pulver- statt Bleidämpfe

Was die neuen Münchner Messergebnisse angeht, so seien diese nicht aussagekräftig, sagt Neugebauer. "Es gibt meines Wissens dazu keine aussagefähige Studie, die entsprechend unterfüttert wäre. Wenn man die angebliche Gefährdung zugrunde legt, dann wären vielleicht Schwarzpulverschützen betroffen, die ihre Kugeln selber herstellen und dabei die Dämpfe einatmen." Also beim Gießen, nicht beim Schießen. Der Kulmbacher habe selber in geschlossenen und schlecht belüfteten Hallen geschossen. "Da stiegen zwar Dämpfe vom Schießpulver auf, aber nicht von der Bleimunition."

Gerhard Neugebauer habe übrigens selber sein Blut untersuchen lassen - und zwar aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit, die ihn mit Lösungsmitteln in Kontakt brachte. "Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon viele Jahre als Sportschütze hinter mir. Und wenn das mit der Bleibelastung stimmte, dann wäre das spätestens bei dieser Untersuchung auch bei mir eindeutig nachweisbar gewesen. War es aber nicht."


Schützenbund bemängelt Studie

Aufgrund der Recherchen des Bayerischen Rundfunks meldete sich der Bayerische Sportschützenbund zu Wort. In einer Mail schreibt der Vorstand, es lasse sich aus den zitierten Studien "kein belastbarer Zusammenhang zwischen Ausübung des Schießsports und höheren Bleibelastungen der Schützen im Vergleich zu Nichtschützen ableiten". Neue Vorschriften zu Lüftungsanlagen in geschlossenen Schießstätten trügen dem Schutz der Sportler bereits Rechnung.