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Flüchtlinge bauen in Kulmbach an ihrer Zukunft


Autor: Alexander Hartmann

Kulmbach, Dienstag, 01. Dezember 2015

Im Beruflichen Schulzentrum in Kulmbach bauen junge Flüchtlinge an ihrer Zukunft. Mohammed Zahir aus Afghanistan und Daniel aus Eritrea gemeinsam in einer Klasse. Die beiden gehören zu den jungen Leuten, die als Minderjährige ohne Familienangehörige nach Deutschland gekommen sind.
Die beiden Afghanen Mohammad Zahir (links) und Turabaz Khan sehen ihre Zukunft in der Krankenpflege. Fotos: Alexander Hartmann


In Afghanistan ist der Krieg noch allgegenwärtig. "Dort lebt man ständig mit der Angst", sagt Mohammad Zahir, der mit 17 Jahren aus Südasien geflüchtet ist, um ein neues Leben zu beginnen - ohne Vater, Mutter oder eines seiner sechs Geschwister, die er zurücklassen musste. "Das Geld hat leider nur für einen von uns gereicht", sagt der 18-Jährige, der nach seiner waghalsigen Flucht eine zweite Heimat gefunden hat.

Die zweite Heimat sieht er in Deutschland, genauer gesagt in Kulmbach. "Ich will Krankenpfleger werden", betont der junge Mann, der sich in kurzer Zeit schon beachtliche Deutsch-Kenntnisse angeeignet hat. "Schreiben, lesen, rechnen. Das ist nicht schwer", erklärt Mohammad Zahir, der mit der Umstellung von der arabischen auf die deutsche Schrift wenig Probleme zu haben scheint.


Aus Syrien, Somalia oder Eritrea

Der Afghane pflegt noch keine Patienten, sondern greift zu Mörtelkelle und Bohrmaschine. Im Unterricht an der Berufsschule lernt er, wie man mauert oder Metall bearbeitet. Zusammen mit vielen anderen Minderjährigen, die ohne Familie aus Pakistan, Syrien, Bangladesch, Somalia oder auch Eritrea in die Bundesrepublik geflüchtet sind.

Aus Eritrea stammt Daniel, der wie Mohammad Zahir zu den sogenannten unbegleiteten Jugendlichen gehört, die im Awo-Heim in der Schützenstraße beziehungsweise in Wohngruppen in Fassoldshof untergebracht sind. Hunderttausende haben das afrikanische Land verlassen, in dem eine brutale Diktatur herrscht. Daniels Reise ins Ungewisse hat ihn über den Sudan und Libyen und weiter mit vielen hundert Menschen in einem Schlepperboot über das Mittelmeer nach Italien geführt. Vater, Mutter und seine neun Geschwister leben noch in Eritrea. "Über Handy bin ich in Kontakt. Ich habe Angst um sie ", sagt der junge Mann, der anders als Mohammad Zahir nur ein paar Brocken Deutsch spricht.


Oft fehlen Grundkenntnisse

Der 17-Jährige will Mechaniker werden, muss aber erst einmal an seinen Sprachkenntnissen feilen. "Der Wissensstand der jungen Leute, die die Vorklasse besuchen, ist sehr unterschiedlich", weiß Diplom-Ingenieur Hans Keller. Der 65-Jährige arbeitet für das bfz, das beim Unterrichtsprojekt als Partner der Berufsschule agiert. Keller soll die Jugendlichen an die Bautechnik heranführen. An den Praxis-Unterricht ist aber noch nicht zu denken. "Ich muss theoretische Grundkenntnisse vermitteln. Manche Schüler wissen nicht, was zwei mal zwei ergibt, Syrer sind dagegen gebildet."

Etliche Flüchtlinge hätten den Wunsch, Ingenieur oder auch Arzt zu werden, teilt Christof Pöhlmann mit, der als Beratungslehrer an der Berufsschule die Flüchtlinge betreut. Zwischen Traum und Realität lägen oftmals Welten, sagt Pöhlmann. Zwar gingen die meisten Flüchtlinge engagiert zu Werke, ein Studium werde in vielen Fällen aber ein Wunschtraum bleiben.


"Ich vermisse meine Familie"

"Man muss von Herzen etwas wollen", sagt Mohammad Zahir, der sein Ziel mit eisernem Willen verfolgt. "Ich schreibe eine Bewerbung, will ab September Krankenpflegerhelfer und später Krankenpfleger lernen", so der Afghane, der überzeugt ist, in Deutschland eine Zukunft zu haben. Angst hat er immer noch. Aber nicht um sich, sondern um seine Familie in Afghanistan, mit der er über Handy in Kontakt steht. "Ich hoffe jeden Tag, dass sie noch leben."