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Fliegendes Auge: Mit der Drohne auf Bilderfang


Autor: Matthias Litzlfelder

Kulmbach, Sonntag, 05. Juni 2016

Die Zahl der Multicopter nimmt auch in Franken zu. Was die einen irritiert, schafft für andere neue Perspektiven.
Ingo Bär aus dem Landkreis Kulmbach lässt seinen Multicopter hauptberuflich fliegen, hier von der Plassenburg in Kulmbach aus. Foto: Ronald Rinklef


Ein Surren. Das Geräusch erinnert an eine Motorsense. Aber es kommt aus der Luft. Etwas fliegt heran und steht über den Köpfen. Wer die Augen schließt, könnte meinen, ein Schwarm riesiger Bienen umkreise ihn.
Die hätten allerdings Flügel und keine vier Rotoren wie der Quadrocopter von Ingo Bär. Multicopter wird so ein akkubetriebener Mini-Hubschrauber genannt. Die Bevölkerung kennt diese Art von unbemannten Flugobjekten unter einem griffigeren Namen: Drohne.


Friedliche Nutzung

Die Zeit der Drohnen hat gerade erst begonnen. Jahrelang kannte man sie nur aus den Nachrichten über den Irak oder Afghanistan, wo die ferngesteuerten Flieger Terroristen unter Beschuss nehmen.

Inzwischen werden sie intensiv zivil und friedlich genutzt. Etwa um professionelle Luftaufnahmen anzufertigen wie Ingo Bär. Über mangelnde Aufträge kann sich der 32-Jährige aus dem Landkreis Kulmbach derzeit nicht beklagen. Ende 2012 hat er seinen Job als Heizungsbauer aufgegeben und sich als Copterpilot selbstständig gemacht. Seitdem ist er für Werbeagenturen und Filmproduktionsfirmen deutschlandweit im Einsatz. Er wird engagiert, um mit seiner Drohne Fotos und Videos aus der Luft zu machen.

"Ich habe relativ schnell Aufträge gekriegt, die ich mit meinem Job nie unter einen Hut gekriegt hätte", erzählt er. "Und die großen Aufträge kriegt man nur, wenn man es hauptberuflich macht."


Bis zu 15 Minuten in der Luft

Bärs erster Multicopter hatte acht Rotoren. "Mit vier ist man effizienter und schneller", sagt er über seine jetzige Drohne. 3,8 Kilogramm wiegt sie, bestückt mit einer Panasonic-Kamera ohne Knöpfe. Der Wert samt Fotoapparat: 8000 Euro. Geschwindigkeiten bis zu 70 Stundenkilometer sind damit möglich. Mit seinen beiden Daumen bedient Bär die Joysticks auf der Funkfernbedienung der Drohne. Sein neuer Beruf verbindet zwei seiner großen Hobbys: Modellflug sowie Filmen und Fotografieren. Letzteres läuft jetzt über ein Tablet, wo Bär alles in Echtzeit und HD-Qualität sieht, was die schwenkbare Kamera der Drohne gerade aufnimmt. "Man merkt vom Bild her gar nicht, wenn ich eine Kurve fliege", berichtet er. Ein Tippen auf dem Tablet - und die Kamera schaltet um von Foto auf Video.


Nur in Sichtweite

Mit den Lithium-Polymer-Akkus kann Bär bei einem Flug ungefähr 15 Minuten in der Luft bleiben. Seine Drohne hat er immer in Sichtweite und lässt sie nie höher als 100 Meter über dem Grund fliegen. Alles andere verbietet seine allgemeine Aufstiegserlaubnis, auch wenn die Funkverbindung für eine Entfernung bis zu fünf Kilometer reichen würde.
1600 solcher Bescheinigungen hat das Luftamt Nordbayern derzeit in Franken und der Oberpfalz erteilt. Registriert sind die einzelnen Multicopter aber nicht.


400 000 Drohnen bundesweit

Mitte Mai hat sich in Köln der Bundesverband Copter-Piloten (BVCP) gegründet. "Wir haben festgestellt, dass es außer dem Deutschen Modellflieger-Verband keine Vertretung für Leute wie uns gibt", sagt BVCP-Vorsitzender Christoph Bach. "Wir möchten eine Kultur des Fliegens verbreiten, die auf Rücksichtnahme gegenüber anderen gerichtet ist", beschreibt der 54-Jährige eines der Vereinsziele.

Der Markt wächst. Mehr als 400 000 Drohnen sollen laut BVCP schon jetzt in Deutschland unterwegs sein - jede kleine Spielzeugdrohne allerdings mitgerechnet. Auch die Logistikbranche sieht Multicopter als Zukunftstechnologie. Um Streit zu vermeiden, plant Bundesverkehrsminister Dobrindt deshalb seit langem eine Neuregulierung des Luftverkehrsraums.


Geschäftsfeld Inspektionen

In Wohngebieten Häuser zu fotografieren - diese Aufträge nimmt Bär gar nicht an. So gebe es auch keine Konflikte mit Nachbarn. Ein gutes Geschäftsfeld seien vielmehr Inspektionsarbeiten an Fassaden, Brücken oder Funktürmen. "Diese Arbeit kann man auch machen, wenn die Sonne nicht scheint."

Bär rechnet pauschal nach Aufwand ab. Sein Tagessatz liegt bei 1000 Euro zuzüglich Steuer. "Ohne Bildbearbeitung, aber die Bildrechte gehen dann an den Kunden", sagt er. Mit seinem neuen Job ernährt er Frau und Kind. Das Geld müsse von Mai bis Oktober verdient sein. Im Winter laufe wenig. "Es ist halt ein Saisongeschäft."


Amazon hätte gern einen eigenen Luftraum für Lieferdrohnen

Die großen Logistikunternehmen forschen schon seit längerem an Paketdrohnen. Technisch ist so etwas bereits möglich: Die Transportdrohnen werden automatisch beladen, heben selbstständig ab und machen sich autonom auf den Weg zum Besteller, der binnen einer halben Stunde mit der Ware beliefert wird.

Doch was technisch funktioniert, erlauben die gesetzlichen Regelungen bisher nicht. Auch nicht in den USA. Dort hat der Versandriese Amazon inzwischen seine Vorstellung von einer neuen, global einheitlichen Luftraumregulierung für Drohnen präsentiert. Unter einer horizontalen Flugverbotszone zwischen 122 und 152 Metern über Grund, die als Sicherheitspuffer fungieren soll, will Amazon den Drohnen-Fernverkehr dauerhaft stattfinden lassen. Das hieße, andere Multicopter wären auf die unterste Schicht beschränkt, also maximal 61 Meter Höhe. Vielen Copterpiloten passt das gar nicht. Mit einer Entscheidung darüber ist so schnell nicht zu rechnen.


Drohnenflug: Was es zu beachten gilt

Die Regeln sind bundesweit (noch) nicht einheitlich. Aber es gibt schon jetzt Grenzen für den Flug von Multicoptern. Eine Übersicht.


Unbemanntes Luftfahrtsystem?

Zunächst wird unterschieden, ob eine Drohne nur in der Freizeit (z.B. als Sportgerät) oder gewerblich genutzt wird. Im ersten Fall gilt sie luftrechtlich als Flugmodell, im zweiten Fall als unbemanntes Luftfahrtsystem. Wer eine Freizeit-Drohne, die leichter als fünf Kilogramm ist, steigen lassen will, benötigt in der Regel keine Aufstiegserlaubnis der Landesluftfahrtbehörde.


Erlaubnis kostenlos

Personen wie Ingo Bär, die den Multicopter gewerblich nutzen, um etwa Bilder aufzunehmen, die dann verkauft werden, brauchen eine solche Erlaubnis. Zuständig dafür ist für ganz Franken das Luftamt Nordbayern in Nürnberg, eine Behörde der Regierung von Mittelfranken.
Wie in den meisten Bundesländern ist es auch in Bayern möglich, kostenlos eine allgemeine Erlaubnis (Allgemeinverfügung) zu bekommen, die dann für zwei Jahre gültig ist. Voraussetzung: Die Drohne darf nicht mehr als fünf Kilogramm wiegen (inklusive Nutzlast) und keinen Verbrennungsmotor besitzen.


Nur in Sichtweite

Das Luftamt hat spezielle Regeln aufgestellt. Darunter sind auch die drei Grund-Gebote für den Betrieb von unbemannten Luftfahrtsystemen: 1. Die maximale Flughöhe beträgt 100 Meter über dem Grund. 2. Der Betrieb ist nur in Sichtweite des Steuerers erlaubt. 3. Ein Betrieb über Menschenansammlungen ist verboten. Die letzte Vorschrift hat das Luftamt Nordbayern noch erweitert. Es ist in der Region ebenso nicht gestattet, über Unglücksorte, Katastrophengebiete oder andere Einsatzorte von Polizei
und anderen Behörden zu fliegen. Dies gilt auch für den Drohnenflug über Justizvollzugsanstalten, Industrieanlagen oder Anlagen der Energieerzeugung und -verteilung.
Daneben gibt es sogenannte Flugbeschränkungsgebiete, die eine Spezialerlaubnis erfordern, zum Beispiel die Gegend um den Nürnberger Flughafen, das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld oder den Truppenübungsplatz Wildflecken. Auch Nachtflüge sind nicht erlaubt.


Ohne Polizei geht in Orten nichts

Neben der Aufstiegserlaubnis wird außerdem die Zustimmung des Grundstückseigentümers an der Start- und Landestelle benötigt. Auch ist der Abschluss einer Haftpflichtversicherung nachzuweisen.
Innerhalb geschlossener Ortschaften ist zudem stets die zuständige Polizeidienststelle vorab zu informieren.