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Fisch und Politik in Kulmbach: Parteien reden Klartext


Autor: Redaktion

Kulmbach, Mittwoch, 01. März 2017

Nicht nur in Passau, auch in Kulmbach wird der Aschermittwoch traditionell dazu genutzt, den politischen Gegner abzuwatschen.
Politischer Aschermittwoch in Kulmbach: Beim Heringsessen wurde Klartext geredet. SPD, CSU und FDP waren am Mittwoch im Wahlkampfmodus.


Die SPD ist sich sicher, dass der Schulz-Zug in Richtung Kanzleramt fährt. Und auch bei der FDP ist die Stimmung optimistisch. Die CSU hingegen möchte, dass alles so bleibt, wie es ist.


CSU setzt
auf Fortsetzung

Von Jochen Nützel

Mütterrente, Finanzausgleich, Bildungsaufgaben: Die ganz große Politik auf Bundes- und Landesebene, die überließ Hauptredner Henry Schramm am gestrigen Politischen Aschermittwoch im Landgasthof Geuther Horst Seehofer und Co. Doch Kulmbachs CSU-Kreisverbandsvorsitzender ließ es sich nicht nehmen, von einer Win-Win-Situation zu sprechen, die sich aus seiner Sicht dank der befruchtenden politischen Beziehungen der Kommune Kulmbach in die Landeshauptstadt München ergebe.

"Wir können froh sein, dass wir einen solchen Ministerpräsidenten haben, aber auch, dass wir Finanzminister Markus Söder als Freund an unserer Seite wissen. Doch ich betone auch: Die Fraktion im Landtag - sie ist die Herzkammer dieser Partei." Und von dort pumpe die Landespolitik nicht zuletzt immer wieder wichtige Impulse - auch in Form von Fördermitteln - nach Oberfranken. "Menschen neigen oft dazu, das anzuführen, was nicht passt. Es ist sicher richtig, auf Fehler hinzuweisen. Aber dabei darf nicht vergessen werden, was gut läuft", sagte Schramm mit Verve und fügte hinzu: "Und es läuft sehr viel sehr gut."

In diesem Zusammenhang richtete er den Fokus auf die Entwicklungen in Kulmbach in den vergangenen Monaten. Großprojekte wie die Revitalisierung des Spinnerei-Areals mit einem geplanten "grünen Zentrum" (nicht parteipolitisch gemeint), in dem etwa das Landwirtschaftsamt und das Kompetenzzentrum für Ernährung unterkommen könnten, seien dabei ebenso hervorzuheben wie die Großbaustellen Zentralparkplatz und Klinikum. "Wer mit offenen Augen durch unsere Stadt geht, der sieht, dass sich was bewegt, dass wir was bewegen."

Damit sich das fortsetzt, muss laut Schramm nicht zuletzt der Block aus CSU und CDU unverbrüchlich bleiben. "Für Bayern heißt es, weiterhin alleine zu regieren. Hier können wir uns nur selber schlagen." Im Bund malte er im Falle des eigenen Scheiterns den rot-rot-grünen Beelzebub an die Wand. "Wenn man sich die aktuellen Zahlen anschaut, dann besteht durchaus die Chance, dass es dazu kommt." Aber es würde nicht zuletzt Kulmbach und Oberfranken nicht bekommen, prognostizierte er.

Allein was das für die Bürger so wichtige Thema Sicherheit angeht, sieht Schramm schwarz, sollte eine Koalition aus Rot-Rot-Grün mit ihrem "bekanntermaßen gespaltenen Verhältnis zu Polizei und Ordnungsbehörden" tatsächlich ans Ruder kommen. Und der Wirtschaft müsse ebenfalls Übles schwanen.


Boom-Region Oberfranken

Apropos Ökonomie: CSU-Stadtrat Wolfram Brehm zeichnete davon ein frohes Stimmungsbild. Zwei Kennzahlen nannte er zur Verdeutlichung: Eine Arbeitslosenquote von nur 3,8 Prozent sowie eine um 34 Prozent gestiegene Bruttowertschöpfungsquote binnen zehn Jahren widerlegten das Vorurteil vom strukturschwachen Raum. "Das ist Quatsch: Wir sind mittlerweile Boom-Region und wollen es bleiben."


SPD: Schulz-Zug
fährt Richtung Kanzleramt

Von Stephan Tiroch

So gut ist die Stimmung bei der SPD lange nicht mehr gewesen. Nicht nur die eingelegten Heringe mit Kartoffeln zaubern ein Lächeln ins Gesicht der Sozialdemokraten beim Politischen Aschermittwoch im Brauereigasthaus "Zum Gründla". Sie alle spüren den Rückenwind, den ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz verbreitet.

"Druckereien mussten Nachtschichten einlegen, weil uns die Parteibücher aus den Händen gerissen werden", sagt SPD-Bundestagskandidat Thomas Bauske. Auch in Kulmbach treten vor allem junge Leute in die SPD ein. SPD-Ortsvereinsvorsitzender Ingo Lehmann händigt am Mittwochabend fünf neuen Mitgliedern ihr Parteibuch aus - darunter die altgediente Rückkehrerin Ilse Hahn. "Wir freuen uns, dass Du wieder eingetreten bist", betont Lehmann.


"Mit Herz und Verstand"

Martin Schulz habe eine atemberaubende Entwicklung ausgelöst, so Bauske. "Er ist ein Mann mit Herz und Verstand. Mit ihm in den Wahlkampf zu ziehen, ist, wie mit einem Hochgeschwindigkeitszug in Richtung Kanzleramt zu fahren." Kräftiger Applaus im fast voll besetzten "Gründla"-Saal. Ein bisschen scheint es, als könnten es die Genossen gar nicht fassen, dass sie plötzlich nicht mehr die Verlierer sind. "Die SPD schnellt steil nach oben. Umfragewerte von 31 Prozent und mehr. Einige Meinungsforscher sehen uns sogar vor der CDU/CSU", ruft Bauske den Zuhörern zu und knöpft sich den politischen Gegner vor.

Der örtliche SPD-Bundestagskandidat kritisiert den Populismus der CSU und ihres Chefs Horst Seehofer: "Wenn er sagt: Bayern zuerst, dann erinnert das stark an Donald Trump und sein America first." Aber nicht nationale Politik, sondern gemeinsame Lösungen für Europa seien notwendig.

Wie Trump habe die CSU ihre Vorliebe für "alternative Fakten" entdeckt. Wer solle der CSU die Gemeinsamkeit mit Angela Merkel noch glauben, die sie drei Jahre bekämpft hat? Das vermeintliche Versöhnungstreffen, so Bauske, hatte - mit den Worten von Politikberater Michael Spreng - "das Aufbruchssignal einer Beerdigung".
Die SPD ist selbstbewusst geworden. Der Kandidat verbreitet Zuversicht, dass man die Kanzlerin mit einer Politik der sozialen Gerichtigkeit in Rente schicken kann. "Sie hat sich von der Bevölkerung entfernt und ihren Zenit überschritten."


Die SPD und der Stadtbus

Ein bisschen kommunale Politik gibt es dann auch noch. Ingo Lehmann lobt die Kulmbacher Jusos ("Ihr deckt Sachen auf, die nicht jedem passen, und das ist gut so") und spricht die geplante Rückübertragung des Stadtbusverkehrs auf den Landkreis an. Ein Vorhaben, das die Stadt mehr Geld kosten werde. Der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion fordert, dass beim ÖPNV Mindeststandards eingehalten werden. "Es darf keine Linienausdünnungen und keine exorbitanten Fahrpreiserhöhungen geben."


FDP will
mitentscheiden

Von Dagmar Besand

Die Zeit der Trübsal ist vorbei, die Stimmung ist optimistisch. Die FDP will sich wieder mehr Gehör verschaffen. Das machte Wolfgang Heubisch, ehemaliger bayerischer Kultusminister, beim Politischen Aschermittwoch in der Gaststätte "Sternstunden" deutlich. Man müsse sich schon fragen, wer aktuell in Deutschland regiert, spottete er, "wenn CDU/CSU und SPD sich gegenseitig die Schuld an Fehlentwicklungen geben, obwohl sie es in der Hand haben, andere Entscheidungen zu treffen".

Die CDU/CSU verbringe viel Zeit damit, sich zu streiten, statt die drängenden Probleme zu lösen. "So wie Seehofer es praktiziert, kann man innerhalb einer Regierung nicht miteinander umspringen." Von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hält Heubisch ebenfalls wenig: "Er setzt auf Populismus und redet über Gerechtigkeit. Doch es wird immer unterschiedliche Lebensverhältnisse geben, und das ist auch in Ordnung."

Heubisch sieht die FDP im Aufwind, in einigen Prognosen liege sie bereits vor den Grünen. "Unser wichtigstes Ziel ist es, bei der Bundestagswahl Rot-Rot-Grün zu verhindern." In einer temporeichen Rede beleuchtete Heubisch schlaglichtartig eine Vielzahl politisch brisanter Themen: Ja zu Europa und den gemeinsamen Werten, Nein zu Erdogans Wahlkampf in Deutschland. Die FDP fordere Investitionen in Bildung und einen umfassenden Breitbandausbau auf dem Land, ein klares Einwanderungsgesetz, das regelt, wer in Deutschland bleiben darf und wer nicht.

Wolfgang Heubisch wünscht sich wieder eine Zeit, in der die FDP mitregieren darf: "Wir können stolz auf das sein, was wir in 45 Jahren Regierungsbeteiligung geleistet haben - als kleine Partei mit großem Einfluss."

Für die FDP sei die Bundestagswahl eine Schicksalswahl, sagte der Kulmbacher Kreisvorsitzende Thomas Nagel: "Wir wollen wieder in den Bundestag einziehen und raus aus der außerparlamentarischen Opposition."