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Sexueller Übergriff im Fasching bei Kulmbach: Was geschah mit Schneewittchen?


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Donnerstag, 25. Oktober 2018

Aus Spaß wurde bitterer Ernst: Das Landgericht Bayreuth muss klären, ob es nach einer großen Party zu einem sexuellen Übergriff kam.
Nach einer feucht-fröhlichen Faschingsparty im Landkreis Kulmbach  wurde aus Spaß bitterer Ernst. Symbolfoto: Archiv


Bei den Brüdern Grimm geht das Märchen von Schneewittchen gut aus. Es wird von einem Prinzen gerettet, und die Königin, die ihm Böses will, wird bestraft. Im echten Leben ist die Geschichte komplizierter. Deshalb muss jetzt das Landgericht Bayreuth klären, was im Jahr 2017 nach einer großen Faschingsparty im Kreis Kulmbach passierte.

Alkohol floss in Strömen

Wir haben eine Frau, die - als Schneewittchen verkleidet - zusammen mit sieben Freunden die Party besuchte. Es wurde gefeiert und getrunken - vor allem Cocktails und jede Menge "Kurze" (Schnaps), zwischendurch auch mal ein Bier. Der Alkohol floss in Strömen, aber zunächst blieb alles friedlich.

Alle waren gut drauf, und Schneewittchen ging zwischen drei und vier Uhr morgens nach Hause. Mit dabei sein Mann, ein weiterer Mann und seine damals beste Freundin, bei der alle übernachten wollten. Der Heimweg dauerte lange, und keiner ahnte, dass aus Spaß noch bitterer Ernst werden sollte.

Schnitzel für den Hunger

Angekommen in der Wohnung, wo man schon vorgeglüht hatte, bekam Schneewittchen Hunger. Vom Abendessen waren noch Schnitzel da, die aufgewärmt werden sollten. Die Frau - sie hatte ihr Faschingskostüm noch an - stand am Herd. In der Küche hielt sich auch der zweite Mann auf, den sie am Abend erst kennengelernt hatte.

Zum Schnitzelfrühstück kam man nicht mehr. "Es ging alles sehr schnell", sagte die Nebenklägerin, das damalige Schneewittchen. Sie habe Teller aus dem Wandschrank nehmen wollen, als der fremde Mann sexuell übergriffig wurde.

"Er fasste mir mit einer Hand unters Kleid, zwischen die Beine", so die 25-Jährige am Donnerstag vor Gericht. Zunächst von hinten, und als sie ihn weggestoßen habe, noch mal von vorne. "Geredet hat er nichts - er hat gelächelt", sagte die Frau.

Ehemann rastete aus

Vollends eskalierte die Situation, als der Ehemann von der Toilette in die Küche kam und sah, was passierte. Er rastete aus. "Ich war außer mir, was da abgeht. Ich habe einen Schrei ausgestoßen und bin auf ihn losgegangen", gab der 26-Jährige an.

Er streckte den Mann zu Boden, der bewusstlos mit einer blutenden Platzwunde im Türrahmen lag. "Er schlug zu und schrie: Du fasst meine Frau nicht noch mal an", sagte die Freundin. Der Ehemann, der auf dem Kontrahenten saß, habe weiter zugeschlagen, während seine Frau rief: "Hör auf, hör auf!"

Die Schwester der Freundin und deren Mutter kamen dazu und riefen den Notarzt. Die Polizei wurde nicht informiert. Man wollte die Sache auf sich beruhen lassen. "Wir waren der Meinung, dass jeder seine Strafe hatte", erklärte die Nebenklägerin. Ihr Mann habe sich die Hand gebrochen, und der Angreifer habe Prügel bezogen.

Dass die Angelegenheit dennoch ein Fall für die Justiz wurde, lag an dem mutmaßlichen Sextäter. Er zeigte sechs Wochen später den Ehemann wegen Körperverletzung an, und das Ehepaar antwortete mit einer Gegenanzeige. Nun ermittelte die Polizei wegen eines Sexualdelikts.

Freispruch vor dem Amtsgericht

Die erste Verhandlung vor dem Amtsgericht Kulmbach im Mai endete für den Angeklagten mit einem Freispruch. Dagegen legten die Staatsanwaltschaft Bayreuth und die Nebenklage Berufung ein, so dass das Verfahren vor dem Landgericht noch einmal aufgerollt wird.

Der Angeklagte wird beschuldigt, "sexuelle Handlungen an einer Person vorgenommen und dabei ein Überraschungsmoment ausgenutzt zu haben". Er bestritt am Donnerstag erneut den Tatvorwurf. "Da war nichts", betonte er. Er habe in der Küche aufgeräumt und plötzlich einen Schrei gehört. Es sei eine Männerstimme gewesen. Dann wisse er nichts mehr: "Ich konnte mich nicht mehr umdrehen und bekam einen Schlag rechts auf Ohr und Schläfe. Dann wurde mir dunkel vor den Augen."

Noch kein Urteil

Wie die Berufung ausgeht, wissen wir noch nicht. Die Kammer fällte am Donnerstag kein Urteil. Man will noch weitere Zeuge hören. Vorsitzender Werner Kahler deutete allerdings an, dass das Gericht dazu tendiert, die Aussage der Frau als glaubwürdig zu bewerten. Es gebe "einen "realen Erlebnisbezug".

Die Verhandlung wird am 15. November fortgesetzt. Im Fall einer Verurteilung droht dem Mann eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.