Fall Vanessa: Richterin gibt auch Eltern Mitschuld
Autor: Jürgen Gärtner
Himmelkron, Donnerstag, 05. April 2018
Im Fall um die verunglückte Vanessa gab Richterin Sieglinde Tettmann am Donnerstag auch den Eltern eine Mitschuld.
           
Das Urteil im Fall der achtjährigen Vanessa war mit Spannung erwartet worden und wurde von zahlreichen Medienvertretern verfolgt: 2014 war das achtjährige Mädchen während des Freibadbesuchs einer Kindergruppe des TSV Himmelkron unter Wasser gefunden und bewusstlos geborgen worden. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Einige Tage später starb das Kind an einem Hirnödem im Krankenhaus. 
Am Donnerstag befand Richterin Sieglinde Tettmann am Amtsgericht Kulmbach eine Betreuerin des Vereins der fahrlässigen Tötung für schuldig. Der Bademeister wurde freigesprochen.
Die Richterin sprach von einem tragischen Ereignis, dessen Aufarbeitung viel Mühe gemacht habe. "Den Schmerz der Eltern kann niemand ermessen, der nicht selbst ein Kind begraben musste." Aber auch für die beiden Angeklagten, den Bademeister und die Vereinsbetreuerin, sei der Tod des Kindes eine schwere Belastung. 
Vanessa hatte am 22. Juli 2014 mit einer Kindergruppe des TSV Himmelkron das örtliche Freibad besucht. Das Kind hatte sich im Schwimmerbereich aufgehalten, obwohl es nicht schwimmen konnte. Dort sank die Achtjährige unbemerkt auf den Grund des Beckens. Es gab keine Hilferufe. "Niemand hat Vanessa untergehen sehen", stellte die Richterin fest. 
Der Bademeister war allein im Freibad tätig und hatte zwar Aufsichtspflicht, wie die Richterin betonte. Aber eine lückenlose Beobachtung aller Schwimmer sei nicht erforderlich. Auch verletze er seine Aufsichtspflicht nicht, wenn er kurz andere Aufgaben erledige. Und selbst wenn er sich am Beckenrand aufgehalten hätte, sei es fraglich, ob er das Untergehen von Vanessa in der kurzen Zeit bemerkt hätte, in der eine Rettung noch möglich gewesen wäre. 
Auch die Betreuerin habe die Aufsichtspflicht nicht verletzt, betonte die Richterin. Sie habe Kontrollgänge unternommen und das Wasser beobachtet. Sie habe sich der fahrlässigen Tötung aber schuldig gemacht, weil sie sich nicht im Vorfeld von den schwimmerischen Fähigkeiten des Kindes überzeugt hatte. Das Kind hatte ihr gegenüber geäußert, schwimmen zu können und auch im Besitz des "Seepferdchens" zu sein. Das hätte die Frau nicht glauben dürfen.
 Selbst die schriftliche Bestätigung von Eltern, dass ihr Kind schwimmen kann, sei in so einem Fall nicht ausreichend. "Bei gebotener Sorgfalt hätten Sie Ihren Irrtum erkannt, und der Tod von Vanessa wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden."
Die Betreuerin erhielt eine Verwarnung unter Vorbehalt in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 25 Euro. Das bedeutet, dass die bislang unbescholtene Frau das Geld nur bezahlen muss, wenn sie innerhalb der nächsten zwei Jahre straffällig wird. Allerdings muss sie 1000 Euro an den Kinderschutzbund entrichten. 
Die Richterin sah auch bei den Eltern ein Mitverschulden. Sie hätten explizit darauf hinweisen müssen, dass ihre Tochter nicht schwimmen kann und sie nicht ohne Schwimmhilfen ins Bad lassen dürfen.