Druckartikel: Fall Peggy bei Aktenzeichen XY: zwei Mädchen aus Neuenmarkt dabei

Fall Peggy bei Aktenzeichen XY: zwei Mädchen aus Neuenmarkt dabei


Autor: Jochen Nützel

Neuenmarkt, Freitag, 29. Mai 2015

Das ZDF greift am 3. Juni in einer Sondersendung über Vermisste auch den Fall der seit 2001 verschwundenen Peggy aus Lichtenberg auf. In dem TV-Beitrag spielen zwei Neuenmarkterinnen mit: Melanie Fraas und Charlotte Lerner.
Charlotte Lerner (rechts) mimt Daniela Kofer, eine Freundin der vermissten Peggy. Die neunjährige Neuenmarkterin stand unter Anleitung von Regisseur Rudolf Schweiger (links). Die Identität der Peggy-Darstellerin (Mitte) bleibt auf Wunsch der Eltern geheim. Foto: privat


Als Peggy verschwand an jenem Nachmittag des 7. Mai 2001, war Melanie Fraas so alt wie das Mädchen aus Lichtenberg: neun Jahre. Heute ist die Neuenmarkterin 22 - und Peggy wäre es auch, wenn sie noch lebte. Ob sie gar nicht tot ist? Eine Leiche wurde nie gefunden. "Ich mag mich an solchen Spekulationen nicht beteiligen", sagt Melanie Fraas, "schon allein aus Rücksichtnahme auf Peggys Eltern."

Wie muss sich ihr Vater fühlen? Wie eine Mutter, die seit nunmehr 14 Jahren auf die Antwort wartet zur alles entscheidenden Frage: Was ist mit meiner Tochter? Daher hat Susanne Knobloch auch dem ZDF zugesagt, in der Sondersendung "Wo ist mein Kind?" in der Reihe "Aktenzeichen XY ungelöst" mitzumachen. In der Hoffnung, die Ermittlungsbehörden können aus den (hoffentlich zahlreichen) Zuschauer-Hinweisen das entscheidende Puzzle-Teil zur Lösung eines der mysteriösesten Vermisstenfälle Deutschlands herauspicken.

Der 15-minütige Beitrag lässt Peggys letzte Stunden Revue passieren. Melanie Fraas schlüpfte in die Rolle von Peggys Mutter. Für die Darstellerin der Laienspielgruppe Neuenmarkt nicht die erste Erfahrung vor TV-Kameras; unter anderem war sie schon als Komparsin in der Krimiserie "Soko Leipzig" zu sehen. Diesmal ist es ihre Ähnlichkeit zur jungen Susanne Knobloch, die den Ausschlag gibt, dass die Neuenmarkterin beim Casting ausgewählt wird. "Leider war es mir nicht möglich, mit Frau Knobloch zu sprechen. Es wäre interessant gewesen, wie sie ist und wie sie nach all den Jahren über ihr Schicksal und das ihrer Tochter denkt."

"Wie konnte sie verschwinden?"

Melanie Fraas selber hat die ersten Berichterstattungen über Peggys Verschwinden vor 14 Jahren verfolgt. "Ich weiß noch, dass es ein komisches Gefühl war für mich zu begreifen, wie jemand in meinem Alter und in einem kleinen Ort am helllichten Tag wie vom Erdboden verschluckt wird. Ich habe damals viel mit meinen Eltern gesprochen, was dem Kind wohl zugestoßen sein kann."

Jetzt will sie mit ihrer Beteiligung dazu beitragen, Licht ins Lichtenberger Dunkel zu bringen. Zwei Tage hat die 22-jährige Studentin der Germanistik und Medienwissenschaft in der Kleinstadt im Landkreis Hof gedreht. "Wir waren unter anderem in dem Haus, in dem Peggy mit ihrer Mutter wohnte. Dort haben wir die Szene eingespielt, als Susanne Knobloch bemerkt, dass ihre Tochter von der Schule nicht nach Hause gekommen ist und sie bei Nachbarn nach ihr sucht." Es sei "etwas gruselig" gewesen, durch das Treppenhaus zu laufen, in dem einst die echte Peggy schnellen Schrittes die Stufen runterrannte - in ein unbekanntes Schicksal, das noch immer die Menschen berührt.

Eine enge Freundin Peggys leitet psychisch bis heute an den Folgen. Daniela Kofer heißt sie - Charlotte Lerner mimt sie. Wie Melanie Fraas kommt die Neunjährige aus Neuenmarkt. Der Kontakt zum ZDF-Team kam über Mama Patricia zustande. Sie kennt Stephan Müller, der Regie führt beim Brandenburger Kulturstadl in Bayreuth, wo Patricia Lerner mitspielt. Müller wiederum war jetzt bei "Aktenzeichen" fürs Casting verantwortlich.

Charlottes Besetzung als Daniela ist eine gute Wahl - beide sehen sich auch ohne Maskenbildner-Eingriff sehr ähnlich. "Ich musste aber eine Brille tragen", sagt die Neuenmarkterin. Eine rote Sehhilfe auf die Nase, dann war die Verwandlung perfekt. "Ich finde, ich sehe furchtbar damit aus, aber naja." Patricia Lerner lacht. Dann wird sie ernst. Ihr und Charlotte sei von Anfang an klar gewesen: Das ist nicht so einfach eine Rolle wie die des Mädchens von nebenan, das sich beim Nachbarn was borgt. Das Drehbuch richtet sich streng nach einem wahren Fall aus, die echte Peggy ist wirklich verschwunden, vielleicht einem Verbrechen zum Opfer gefallen. "Charlotte hat mehr über den Fall wissen wollen - und ich habe offen mit ihr darüber gesprochen", sagtPatricia Lerner. Die Tochter pflichtet bei: "Ich hoffe ja, dass Peggy noch lebt und es ihr gut geht."

Peggy-Darstellerin bleibt anonym

Offenbar gehen andere mit dem Fall und ihren Rollen nicht ganz so ungezwungen um. So wahrt die Redaktion immer noch das Geheimnis um die Identität des Mädchens, das Peggy verkörpert. "Ihre Mutter will partout nicht, dass es raus kommt." Patricia Lerner kann es ein bisschen verstehen, wie sie sagt. Auch sie hält dicht. Es sickert immerhin durch, dass die Peggy-Darstellerin ebenfalls aus dem Kulmbacher Land stammen soll.
Die Lerners waren drei Tage in Lichtenberg. Mutter Patricia spricht von einer "irgendwie angespannten Stimmung" bei den Bürgern. "Als die mitbekamen, dass dort wieder in Sachen Peggy gedreht wird, haben sich einige Passanten abgewendet und ihr Gesicht mit den Händen abgeschirmt. Viele scheinen endlich Ruhe haben zu wollen, was ja durchaus nachvollziehbar ist."

Ulvis Freispruch gab den Anstoß

Doch dem Team der Deutschen Kriminal-Fachredaktion (DKF) aus München, die den Beitrag realisierte, war es von größter Bedeutung, an Originalschauplätzen zu arbeiten. Warum gerade jetzt dieser Fall wieder ins Fernsehen kommt? "Der Freispruch des einst als Peggys Mörder verurteilten Ulvi vor fast genau einem Jahr war für uns der Anstoß, denn jetzt ist alles wieder offen", sagt Ina-Maria Reize-Wildemann, Leiterin der Redaktion. Sie habe sich lange mit dem Fall befasst - und sie gibt sich optimistisch, nach all den Jahren noch Zeugen zu finden. "Das müssen freilich keine neuen Zeugen sein. Wir hoffen sehr darauf, dass sich Menschen melden, die damals vielleicht etwas beobachtet haben, es aber nicht wagten, diese Aussage auch aktenkundig zu machen."

Gerade bei Altfällen sei die Sendung besonders erfolgreich. "Die Hemmschwelle, bei uns Fernsehleuten anzurufen, ist oft doch geringer, als sich bei der Kriminalpolizei zu melden. Und die Betroffenheit ist immer viel größer, wenn ein Fall im Fernsehen zu sehen ist."