Fachkräftemangel macht Firmen im Landkreis Kulmbach Sorgen
Autor: Hans-Peter Müller
Kulmbach, Donnerstag, 19. Juli 2018
Das Thema "Fachkräftemangel" macht auch verschiedenen Unternehmen im Landkreis Kulmbach Sorgen. Die Stellenanzeigen bleiben teilweise ohne Resonanz.
Bei der weltgrößten Industriemesse in Hannover haben Branchenverbände Alarm geschlagen: Fachkräftemangel heißt das Schreckgespenst, das der Wirtschaft nach Expertenschätzungen 30 Milliarden Euro kosten könnte. Denn: Das Fehlen von Spezialisten kann dazu führen, dass die Unternehmen in ihrem Bemühen, zu expandieren, ausgebremst werden.
Von dieser Entwicklung sind auch Firmen im Landkreis Kulmbach betroffen, zum Beispiel die Himmelkroner Niederlassung der Firma Kiesel Süd GmbH. Das Handelsunternehmen für Bau-, Umschlag- und Gebrauchtmaschinen mit 40 Standorten in ganz Deutschland sucht zur Verstärkung für die derzeit neun Mitarbeiter, darunter ein Auszubildender, vor allem Servicemechaniker und -techniker für den Innen- und Außendienst.
"Wir könnten auf jeden Fall sofort zwei neue Mitarbeiter einstellen", sagt Kaufmännischer Geschäftsführer Marius Porada, demzufolge seit etwa einem Jahr aktiv um Fachkräfte geworben wird. Die Inserate, sowohl in Printmedien als auch im Internet, sowie Flyer und direkte Ansprachen waren bislang aber erfolglos.
Attraktiv und abwechslungsreich
Bei der Ursachenforschung ist sich der Geschäftsführer zwar im Klaren darüber, dass es mehrere Mitbewerber in der Region gibt, deren Fachkräfte die gleiche Qualifikation haben und die ihre guten Leute natürlich selbst behalten wollen; dass bislang aber noch keine Bewerbung eingegangen ist, kann er nicht verstehen. Vor allem nicht vor dem Hintergrund, dass die Firma Kiesel am Standort Himmelkron eine attraktive und abwechslungsreiche Tätigkeit biete, die selbstständiges Arbeiten und direkten Kundenkontakt ermögliche.Kundendienstleiter Mario Müller verweist zudem auf großzügige Sozialleistungen mit Betrieblicher Altersvorsorge und ausgezeichnete Weiterbildungsmöglichkeiten, unter anderem durch die Kiesel-Akademie. "Und 30 Tage Urlaub sind in der Branche auch nicht unbedingt üblich."
Aufgeben will man die Suche nach Fachkräften in Himmelkron deshalb noch lange nicht. Marius Porada: "Wir sind auch gerne bereit, Mechatroniker aus dem Pkw- beziehungsweise Lkw-Bereich umzuschulen."
Einen kleinen Silberstreif am Horizont gibt es aber: Im August tritt wieder ein zusätzlicher Auszubildender seine Arbeitsstelle in der Kulmbacher Straße an.
"Beschissen wäre geprahlt", entfährt es Stefan Zaigler spontan auf die Nachfrage der BR, wie die Personalsuche verläuft. Der Geschäftsführer der Kulmbacher Maschinenbaufirma wirbt aktuell um Feinwerk- und Industriemechaniker sowie CNC-Fräser. "Es ist so gut wie niemand zu finden, so Zaigler, der diese Aussage auch für den Ausbildungsbereich trifft. Die Begründung liefert er gleich mit: "Weil sich keiner mehr die Hände schmutzig machen will." Zudem werde den Jugendlichen schon im Elternhaus nahegelegt, möglichst schnell die Meisterprüfung abzulegen oder zu studieren. Zaiglers düstere Prognose für den Fall, dass die Entwicklung anhält: "Es wird künftig an den einfachsten Sachen scheitern, weil keiner mehr da ist, der's macht."
Überraschung für Firma Kneitz
Besser stellt sich die Situation für die Wirsberger Wilhelm Kneitz AG dar. Am 7. Juli wurden Stellenangebote für Textiltechniker oder Textilingenieure ausgeschrieben. Inzwischen liegen bereits vier Bewerbungen vor. "Ich bin erstaunt und überrascht", so Geschäftsführerin Sibylla Naumann, die sich auch darüber freut, dass die Interessenten aus dem Umland kommen und zwei der Unterlagen "vielversprechend" sind. Zudem habe sich ein Auszubildender für das Labor vorgestellt.Probleme sieht die Geschäftsführerin aber in zwei, drei Jahren: "Dann werden wir im gewerblichen Bereich einen riesigen Renteneintritt haben." Insgesamt hätten die Jugendlichen aber wenig Interesse an der Textilbranche: "Wir würden gerne unsere Leute von der Pike auf ausbilden und dann auf die Meisterschule schicken. Aber wir kriegen für den Beruf Maschinen- und Anlagenführer einfach keine Auszubildenden."
Ähnliche Schwierigkeiten hat der Leiter des Richard-Flierl-Seniorenheims in Marktleugast, Thomas Hammer. "Wenn es der Industrie gut geht, hat man in der Regel kaum Nachwuchs im Pflegebereich", beschreibt er die aktuelle Situation, beklagt aber im gleichen Atemzug, dass der im Grundsatz schöne Beruf mit vielen Möglichkeiten oft auch schlechtgeredet werde. "Natürlich bringt der Schichtdienst Nachteile", so der Heimleiter, der das größte Problem aber in der zu knapp bemessenen Zahl der Pflegekräfte sieht, die refinanziert werden. "Der Personalschlüssel ist nicht zeitgemäß."
Seniorenheim setzt auf Azubis
Für Marktleugast komme noch die Lage im strukturschwachen Gebiet hinzu. Deshalb setze das Seniorenheim auf die Ausbildung, aktuell würden immerhin fünf Auszubildende beschäftigt.Die Diakonie Neuendettelsau ist für die Himmelkroner Heime auf der Suche nach Sozialpädagogen, Heilerziehungspflegern, Gesundheits- und Krankenpflegern, Altenpflegern sowie Fachkräfte für die Bereiche "Offene Hilfen" und Förderstätte. Der Leiter des Bereichs "Wohnen", Armin Wissel, spricht von einem "schwierigen Geschäft", 2017 sei Einbruch bei Fachkräften richtig spürbar gewesen.
Das ganze Jahr auf der Suche
Die Diakonie sei deshalb das ganze Jahr auf der Suche nach geeigneten Mitarbeitern. Dennoch ist Wissel zuversichtlich, alle offenen Stellen zeitnah besetzen zu können. "Ich weiß aber schon jetzt, dass ich spätestens im September die nächste Ausschreibung herausgeben muss, weil wegen Krankheit oder aus anderen Gründen neuer Bedarf da ist. Die Breite, die Überdeckung, ist einfach nicht mehr da, und es sind momentan nur wenige Menschen, die einen Arbeitsplatz suchen."Die Einschätzung, dass durch die boomende Industrie der Pflegebereich ins Hintertreffen gerät, kann Wissel zwar nachvollziehen, hält aber das weit verbreitete schlechte Image für ungerechtfertigt: "Natürlich muss einem der Beruf liegen, man muss psychisch und körperlich belastbar sein. Aber für mich ist der Umgang mit Menschen wertiger als der mit Stahl, Holz oder Chemie."
Zu guter Letzt führt Wissel noch einen für viele Interessenten nicht unerheblichen Aspekt ins Feld: "Vergleichen Sie mal die Einkommenstarife mit den Gesellengehältern in anderen Berufen - da stehen wir so schlecht nicht da."
Der Mangel an Fachkräften trifft nicht alle Branchen
Für die betroffenen Firmen im Landkreis ist es ein schwacher Trost: Die Bundesagentur für Arbeit geht nicht von einem umfassenden Fachkräftemangel in Deutschland aus. Nur in einigen Berufen und Regionen gebe es Probleme bei der Besetzung offener Stellen.
Die Grafik der Arbeitsagentur für den Bezirk Bayreuth-Hof zeigt allerdings deutlich den Wandel seit 2005. Die Zahl der Stellen ist von knapp 1700 auf fast 6000 angestiegen, und den Löwenanteil aller offenen Stellen nehmen die Spezialisten/Experten und Fachkräfte ein.
Der 2015 einsetzende Ansturm von Flüchtlingen und Migranten war sei dabei nicht im Sinne der Fachkräftegewinnung gewesen, betont der Vorsitzende der Geschäftsführung, Sebastian Peine. Er empfiehlt Unternehmen, sich bei der Suche nach Personal mit der Agentur in Verbindung zu setzen, die umfangreiche Hilfestellungen gebe.