Druckartikel: "Fabienne" macht Brennholz aus Naturdenkmal

"Fabienne" macht Brennholz aus Naturdenkmal


Autor: Redaktion

Kleinhül, Dienstag, 25. Sept. 2018

Der Sturm "Fabienne" hat am Sonntagabend die Kleinhüler Angerlinde und damit ein Stück Dorfgeschichte zerstört.
Der Sturm "Fabienne" hat die Angerlinde praktisch gespalten.privat


Sie war eine beeindruckende Landmarke, die Angerlinde im Wegedreieck südlich von Kleinhül. Unter der 35 Meter hohen Baumkrone stand eine kleine Sitzbank für Wanderer zum Rasten. Der wuchtige Stamm mit 1,70 Metern Durchmesser schien gegen jede Naturgewalt gewappnet. Das dachte man zumindest, bis am Sonntagabend Sturm "Fabienne" kurz aber kräftig über den Jura fegte und eine Spur der Verwüstung hinterließ. Bis zum Boden ist der Stamm der Angerlinde nun aufgerissen, der Großteil der Baumkrone liegt daneben.

"So einen zerschmetterten Baum habe ich noch nicht gesehen", sagt Hans Weggel (84). Die Kleinhüler trifft der Verlust ihres Wahrzeichens sehr, denn die 300 Jahre alte Angerlinde hat schon mehr als einen Sturm unbeschadet überstanden. Erwin Wölfel (57) betont: "Die Linde war einfach schon immer da, jetzt ist dort nur eine große Leere."

Tatsächlich war die Angerlinde tief in der Dorfgeschichte verankert, unter anderem als Zeuge der alten Postkutschenzeit. Im 19. Jahrhundert verlief unter ihrer Krone die Straße, auf der Rösser trabten, um Post, Pakete und Personen zwischen Thurnau und Hollfeld zu befördern. Was früher die wichtigste Straßenverbindung war, ist heute nur noch andeutungsweise erkennbar. Die Postkutsche selbst strandete in Kleinhül und fristete ihre letzten Tage als Hühnerstall.

Die Gemeinde Wonsees wirbt mit dem Baum in ihrer neuen Tourismusbroschüre als Bestandteil der "Hül-und-Linden-Wanderrunde" von Sanspareil über Klein- und Großenhül. Im Frühjahr wurde eigens der Rotring-Wanderweg verlegt, um Wanderer an der Sehenswürdigkeit vorbeizuführen.

"Der Baum war eines der schönsten Naturdenkmale, die wir im Landkreis Kulmbach hatten", sagt Alexander Kusche von der Unteren Naturschutzbehörde. Dabei war er mit seinen rund 300 Jahren für eine Linde noch relativ jung. "Die Linde war weitgehend gesund und hätte noch Hunderte von Jahren überdauern können", so Kusche. Allerdings habe der Baum eine Schwachstelle gehabt, einen bereits bestehenden Spalt im Stamm. Den habe eine Gurtsicherung in der Krone stabilisiert, die auf zehn Tonnen ausgelegt war. "Da kann man sich vorstellen, welch gewaltiger Winddruck gewirkt haben muss", sagt Kusche.

Einfach vergessen wollen die Kleinhüler ihr Naturdenkmal nicht. Die abgebrochenen Teile werden als Brennholz für das Dorfhaus verwertet. Ein Teil des alten Stammes steht noch. Wölfel zufolge gibt es zwar noch keine konkreten Pläne, aber man denke darüber nach, ein Schild anzubringen, das an die Bedeutung des Baumes erinnert. Infrage komme auch eine Neuanpflanzung. Sogar auf eine Wiederauferstehung darf man hoffen, denn Linden sind sehr robuste Bäume. Die Wurzeln der Angerlinde sind unversehrt. Die Chance ist groß, dass sie im Frühjahr neu austreibt. Mit der richtigen Pflege könnte aus der Baumruine wieder ein neuer Baum entstehen.

In den hohlen Stammteilen haben Hornissen genistet. Die sonst friedlichen Insekten hat der Verlust ihrer Behausung ebenfalls beunruhigt. Wer sich die Baumruine am Wanderweg ansehen will, sollte vorsichtig sein und Abstand halten.