Ex-Spider-Murphy-Trommler Franz Trojan veröffentlicht Biografie
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Donnerstag, 10. Dezember 2015
Der Untertitel von Franz Trojans Autobiografie lautet "Mein Aufstieg mit der Spider Murphy Gang und mein Abstieg ohne sie." Der gebürtige Kulmbacher und frühere Schlagzeuger lässt seine Rocker-Jahre zwischen Ruhm, Koks und Pleite Revue passieren. Er spart nicht mit Kritik - auch an sich selbst.
Er steckte einem Kellner schon mal einen Hundert-Mark-Schein zu, wenn ihm der Tischwein nicht mundete, sondern der Sinn nach Hochprozentigerem wie Scotch stand. Er verschlief, rausch-bedingt, die Verleihung des goldenen Rehleins "Bambi". Den Film über die Spider Murphy Gang, für die er einst trommelte, sah er erst 27 Jahre nach der Kinopremiere - der er 1983 und in Begleitung von Schauspieler Hans Brenner fernblieb, um stattdessen an einem Kiosk Jägermeister, genannt "Hochsitz-Cola", zu bechern bis zum Abwinken. Bevor er sich, wie so oft, ein Näschen Koks gönnte.
Franz Trojan heißt dieser Mensch, für den das Motto "Sex, Drugs & Rock'n'Roll" nicht bloß eine leere Phrase war, sondern tägliche Realität.
Ein Leben auf der Überholspur, vergöttert von Zigtausenden, der Sonne nahe und schließlich zu nahe gekommen wie Ikarus, mit verbrannten Flügeln abgestürzt, letztlich geächtet von den eigenen Bandkollegen und der Familie. Mittellos, obdachlos, chancenlos.
Das hätte nicht das Los sein müssen des gebürtigen Kulmbachers. "Aber was soll's. Ich würde es wieder so machen, ich hatte 20 geile Jahre, da brauchen andere drei Leben dafür." Dieses Leben, sein Leben, hat er aufgeschrieben, besser gesagt: aufschreiben lassen. Herausgekommen ist, gemeinsam mit Co-Autor Klaus Marschall, eine 280 Seiten starke Abhandlung, die sich für manchen auch wie eine Abrechnung liest.
Als Erste genannt seien hier Franz Trojans Eltern, Vater Hans und Mutter Leni, die beide die Schankwirtschaft "Hotel Egerland" betrieben, wo ein gewisser Thomas Gottschalk in den Ferien die Post ablieferte und als Gegenleistung immer Cola bekam. Während Trommler Trojan über den späteren Show-Giganten nur Gutes zu berichten weiß, ihm "emotionale Intelligenz" attestiert und einen "feinen Kerl" nennt, zeichnet der Autor von seinem leiblichen Vater ein extrem negatives Bild. "Er war im Schankraum sein bester Kunde, um nicht zu sagen: Er soff wie in Loch, was ihn aggressiv werden und Frau nebst Kindern verprügeln ließ."
Franz habe Hans gegenüber nur eine Emotion gehegt: Hass. Einmal habe er an der obersten Stufe der Treppe ins Erdgeschoss eine Schnur gespannt und gehofft, der Besoffene würde stolpern und sich das Genick brechen. Funktionierte nicht.
Seine Geburtsstadt Kulmbach bedeute für den 1957 Geborenen Provinz. "Jedenfalls in Sachen Musik", sagt Franz Trojan im Gespräch mit der BR. Er habe damals in mehreren Gruppen gespielt, "aber irgendwann wird es halt verflixt eng, wenn Du was Professionelles daraus machen willst." Und das wollte Franz Trojan. Erst übte die Posaune große Anziehung auf ihn aus. Dann aber, beim Musikverein Kulmbach-Weiher, folgte der letztlich prägende Wechsel zum Schlaginstrument. "Der Dirigent sagte, sie hätten keinen Trommler. Also spielte ich fortan die Marschtrommel."
Er spielte aber nicht nur - "ich übte wie ein Wahnsinniger". Schwänzte die Schule. "Stundenplan: erste bis sechste Stunde Schlagzeug", schreibt Trojan. Ein Ferienjob bei einer Mälzerei brachte dem damals 14-Jährigen einen Tausender, Grundstock für das erste eigene Drumset. Zugleich der Schlüssel in eine größere Welt.
München wird neuer Mittelpunkt
Im Buch heißt es: "Man kann kaum Worte dafür finden, wie dankbar ich der Musik und dem Trommeln bin: Sie glichen Rettungsankern.
Hätte ich beide - und die Option, in Bands zu spielen, um aus der deprimierenden Welt meiner Eltern zu entkommen - nicht gehabt, mir wäre wahrscheinlich das Schicksal eines nichtsnutzigen, desillusionierten Tagediebes beschieden gewesen."München wird ab 1973 zum neuen Mittelpunkt, wo Trojan aufgrund einer Zeitungsannonce auf Günter Sigl trifft. Während der Trommler und der Bassist hervorragend miteinander auskommen, stimmt die Chemie mit Gitarrist Gerhard Gmell alias Barny Murphy offenbar überhaupt nicht. "Zwischenmenschlich kamen Barny und ich nie auf einen Nenner. Deshalb grätschte der eine dem anderen in die Quere, wo es nur möglich erschien, auch bei Frauenbekanntschaften." Trojan hält den Bandkollegen nicht gerade für einen Großen der Klampfenzunft. "Dass ich das so offen schreibe, wurmt ihn gewaltig", sagt der Kulmbacher lachend ins Telefon. "Er überschätzte sich halt maßlos in seinen Fähigkeiten, der Kollege. Ich musste ihm ab und an auf der Bühne einen Stock an den Kopf werfen, wenn er wieder großen Scheiß zusammengespielt hat."
Der so Geschmähte soll sich derweil sehr aufgeregt haben. "Die anderen Bandmitglieder müssen ihn ausgebremst haben, weil sie sagten: Das ist freie Meinungsäußerung, da lässt sich juristisch nix machen", sagt Trojan. Von Seiten des Münchner Managements der Spiders heißt es lediglich: Zur Autobiografie gibt es von den Bandmitgliedern "keinerlei Kommentar".
Schicksalsschlag an Weihnachten
Wie die Familie die Lebensbeichte des 58-Jährigen aufnehmen wird? Franz Trojan hatte, wie er der BR gegenüber sagt, über viele Jahre null Kontakt zu seinen Geschwistern. Schwester Christel lebt ohnehin nicht mehr: Suizid aus Liebeskummer.
Auch diese düstere Episode spart Trojan in seinen Memoiren nicht aus. Er habe, Ende der 1970er-Jahre, nur noch an Weihnachten zu Hause vorbeigeschaut. "Wie vom Donner gerührt stand ich da, als ich bei meiner Ankunft von Christels Selbstmord erfuhr. Christel, die Ärmste, hatte sich einen tödlichen Cocktail aus Schnaps und Schlaftabletten einverleibt."
Rachegelüste auf Herzensbrecher
In ihm seien Rachegelüste auf den Herzensbrecher hochgekommen. "Ich kannte ihn, er war etwas jünger. Meine Raserei trieb mich durch die Straßen, zu seinem Haus, durch die Kneipen. Meine Suche blieb erfolglos - zum Glück, denn leider hatte ich die Neigung meines Vaters zu cholerischen, aggressiven Ausfällen geerbt.
In der damaligen Verfassung hätte ich erbarmungslos auf den Jungen eingeschlagen, anders hätte ich meine taube Hilflosigkeit nicht zu bekämpfen gewusst." Nicht alle Erinnerungen an seine Geburtsstadt sind derart negativ besetzt. "Ich war vor etwa zwei Jahren wegen der Dreharbeiten zur BR-Doku ,Lebenslinien' über mich wieder mal hier. Es ist immer noch eine wunderschöne Stadt, es sind viele nette Menschen da." Zurückkommen aber - das werde er wohl nicht mehr. Der 58-Jährige ist nach seinem Absturz, der ihn sogar kurz ins Obdachlosenasyl führte, mittlerweile in Kamp-Lintfort gelandet. Dort, am Niederrhein, hat ihn Musikproduzentin Lissy Dicks unter ihre Fittiche genommen - und lässt Trojan in einem Camper bei sich auf dem Grundstück wohnen. "Ich bin ihr sehr dankbar. Ich komme mit meiner jetzigen Situation klar."Auch die Medien interessieren sich wieder für den Schlagzeuger, der nur noch selten hinter den Trommeln sitzt. Er greift vor allem zur Gitarre, komponiert Lieder. Die handeln von seinem neuen Weg, von einer Welt, wo ihn keiner kennt. Wo keiner Geld will von ihm. Geld, das er ohnehin nicht hätte.
Abgebrannt sein: Den Zustand kennt Franz Trojan seit geraumer Zeit. Aber was ist mit den Tantiemen als Erlös aus den Spiders-Titeln? Auch wenn die meisten Stücke von Günter Sigl stammen, hat Trojan einige Titel komponiert, unter anderem "Mädchen drüben", eine Erinnerung an die DDR-Reise der Band 1983. "Das Geld aus den Rechten an den Songs reicht definitiv nicht zum Leben."
Und die Millionenerlöse von einst? Alles durchgebracht? "Ja, mit vollen Händen ausgegeben." Franz Trojan lacht. "Wir haben bis zu 50 000Mark verdient - am Tag. Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen, wie leicht es damals war, Geld zu scheffeln mit der Musik." Nach einem Zug an der Zigarette fügt er hinzu: "Ist alles draufgegangen für Autos Rauschgift, Frauen." Er präzisiert: "Huren waren auch jede Menge dabei."
Klaus Marschall übernimmt
Er habe die Huren geliebt und sie ihn, schreibt der Kulmbacher. Beziehungsweise lässt schreiben. Ein Journalist namens Andreas Mäckler hatte die Biografie ursprünglich begonnen. "Aber der war auf einmal weg, hat mittendrin aufgehört und sich nicht mehr gemeldet", sagt Franz Trojan. Klaus Marschall übernahm - der Autor, der schon Trio-Trommler Peter Behrens die Lebensbeichte abnahm und zu Papier brachte.Trojan und Marschall trafen sich, der Trommler fing an zu erzählen. "Es wurde alles auf Diktafon aufgenommen. Beim Reden fielen mir vergessen geglaubte Sachen wieder ein." Trojan nimmt kein Blatt vor den Mund. Allerdings bleibt mancher Name unter Verschluss. Auch Trojans noch lebende vier Schwestern, seine Ex-Frau sowie seine beiden Töchter werden nur erwähnt, nicht genannt. "Meine Töchter haben von mir verlangt, dass sie anonym bleiben. Das respektiere ich."
Wie eine weiße Linie zieht sich ein anderes Thema durch das Buch: Kokain. "Ja, leider muss ich das so drastisch schildern, denn ich war kolossal abhängig von dem Zeug. Es war so damals in München: Das Gift war immer und überall verfügbar." Seit 25 Jahren, sagt Trojan, ist er clean. "Ich habe von heute auf morgen damit aufgehört." Eine Nasenscheidewand ist vom Schnupfen draufgegangen. Das Koks kostete Kohle. "1000 Mark am Tag, der berühmte Ferrari durch die Nase."