Ex-Anwalt aus Kulmbach droht hohe Haftstrafe
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Freitag, 13. November 2015
Der Staatsanwalt fordert sieben Jahre und sechs Monate Gefängnis wegen schweren Betrugs. Viel zu hoch, meinen die Verteidiger des Hauptangeklagten, der sich - verkehrte Welt - schon mal ein Urteil über den Vorsitzenden Richter erlaubt.
"Werden weitere Beweisanträge gestellt?" Richter Matthias Burghardt ist vorsichtig geworden. Der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer Hof weiß, dass der Hauptangeklagte im Verfahren wegen Anlagebetrugs immer für einen Beweisantrag gut ist, der den Mammutprozess weiter in die Länge ziehen würde. Aber dieses Mal: Schweigen im Saale.
Es kann plädiert werden. Und wenn es der Ex-Anwalt aus Kulmbach, der seit acht Wochen auf der Anklagebank sitzt, noch nicht gewusst hat: Als sich Oberstaatsanwalt Peter Glocker wieder hinsetzt, dürfte ihm klar geworden sein, dass ihm eine hohe Haftstrafe droht.
Strafrabatt verspielt
Mit einem umfassenden Geständnis hätte sich der 46-jährige Jurist einen bedeutenden Strafrabatt - bis zu einem Drittel weniger - sichern können. Aber er hat sich nie klar dazu bekannt, 2013 eine Reihe von Anlegern um eine Million Euro betrogen zu haben. Seine dubiosen Projekte - Photovoltaik-Anlagen in Rumänien und Italien mit horrenden Investitionskosten - sind alle in die Hose gegangen. Sieben Jahre und sechs Monate fordert der Anklagevertreter am Freitag. "Zu Gunsten des Hauptangeklagten habe ich nicht viel gefunden", so Glocker, der von einem ganz außergewöhnlichen Prozess spricht. "Dass ein Ex-Anwalt - und das noch im Wiederholungsfall - hier steht, ist etwas ganz Besonderes." Verantwortlich für die fünf Fälle des schweren Betrugs und drei Fällen des versuchten schweren Betrugs sei der Jurist. "Er hat die maßgeblichen Verhandlungen geführt", sagt der Staatsanwalt.
Ex-Praktikanten mit reingezogen
"Zu Lasten des Hauptangeklagten gibt es bei weitem mehr", betont Glocker. Unter anderem habe er seine Vertrauensstellung als Rechtsanwalt ausgenutzt, er habe die Taten während einer laufenden Bewährung wegen Steuerhinterziehung begangen und sei nach der letzten Verurteilung mit extrem hoher Rückfallgeschwindigkeit wieder straffällig geworden. "Ganz erheblich ist es, dass er den Mitangeklagten in sein kriminelle Tun reingezogen hat", erklärt der Ankläger. Denn der 42-jährige Ex-Praktikant des Juristen hätte "ohne dessen federführendes Placet" nie einen der zweifelhaften Verträge unterschrieben.Beim Mitangeklagten plädiert Glocker auf eineinhalb Jahre Gefängnis. Die Strafe könne auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden. Außerdem soll er 5000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung bezahlen.
Die beiden Verteidiger des Hauptangeklagten, Walter Bagnoli aus Hof und Stephan Scherdel aus Selb, halten den Strafantrag der Staatsanwaltschaft für "deutlich zu hoch". Für vier Betrugsfälle sei er schuldig zu sprechen, für die anderen nicht. Einmal habe der Mitangeklagte als Geschäftsführer der Invest GmbH den Vertrag unterschrieben. Und bei den drei Versuchstaten sei kein Schaden entstanden, und es hätte sich beide Seiten nicht an die Abmachungen gehalten.
"Dafür beißt er nun ins Gras"
Bei der Strafzumessung, so Scherdel, müsse berücksichtigt werden, dass der Ex-Anwalt wirklich daran geglaubt hat, dass die Finanzierung klappt. Von der Million habe er "nicht in Saus und Braus gelebt", sondern bis auf 73.000 Euro Steuerschulden fast alles in die Projekte gesteckt. "Geld einsammeln und auf irgendwelchen Inseln bunkern, um nach dem Gefängnis ein schönes Leben zu führen - so war es hier nicht", erklärt Bagnoli. Vom Angeklagten sei zwar die Initiative ausgegangen, "und dafür beißt er nun ins Gras", aber hier habe sich auch eine große Zahl von Vermittlern, Kontrolleuren und Finanzjongleuren bereichert.Die Verteidiger des Mitangeklagten stützen sich darauf, dass ihr Mandant nicht mit Vorsatz gehandelt habe, was auch beim versuchten Betrug zwingend vorliegen muss. Deswegen sei der 42-Jährige freizusprechen.
Der Mitangeklagte, zuvor als Hilfskraft in der Rechtsanwaltskanzlei angestellt, habe seinem Chef blind vertraut, so Rechtsanwalt Werner Brandl aus Kulmbach, und sei von den Zeugen als Sekretär oder "Unterschriftenautomat" beschrieben worden. Alle hätten bestätigt, dass der Jurist die treibende Kraft gewesen ist. "Er hat in maßloser Selbstüberschätzung Monopoly gespielt und hat jemand gebraucht, der auf der Schlossallee die Zeche zahlt", glaubt Brandl.
Sein Kollege Manfred Hofmann aus Bamberg betont: Der Jurist habe um sich herum ein Personalgeflecht aufgebaut, in dem der 42-Jährige der Sündenbock gewesen ist, um die Verantwortlichkeit zu verwässern.