Ermittlungen im Kulmbacher Rathaus: Was wir wissen - und was nicht
Autor: Alexander Müller, Stephan Tiroch
Kulmbach, Donnerstag, 26. März 2020
Haben zwei städtische Mitarbeiter versucht, Stimmzettel zu vernichten?
Polizei und Staatsanwaltschaft haben am Mittwoch und am Donnerstag im Kulmbacher Rathaus. Beweismittel gesichert und Mitarbeiter vernommen. Im Raum steht der Vorwurf der versuchten Wahlmanipulation. Wir fassen zusammen, was wir bisher wissen - und was nicht. Was ist überhaupt passiert? In einem Schreiben an die Vorsitzenden der im Stadtrat vertretenen Fraktionen fasst Wahlleiter Uwe Angermann zusammen: "Ich teile Ihnen mit, dass gestern Abend dem Verdacht einer Wahlmanipulation zu der am kommenden Sonntag anstehenden Oberbürgermeister-Stichwahl von mir als Wahlleiter nachgegangen wurde. Es sollte nach den Verdachtsäußerungen Wahlbriefe im Gebäude Oberhacken 4 von 2 Personen geöffnet und auch Wahlbriefe geschreddert worden sein.
Nachdem ich hiervon telefonisch in Kenntnis gesetzt wurde, begab ich mich in die fraglichen Räumlichkeiten. Drei Mitarbeiter sicherten einen wenig mit verschiedenen Altpapieren aber auch Schredderschnitzeln gefüllten Plastiksack. Diese entnahmen die Kollegen und breiteten sie auf einen Arbeitstisch aus. (...) Man konnte an den Schnitzeln von den Farben her Rückschlüsse ziehen, dass es sich um aktuelle Wahlbriefe handeln könnte (Farbgebungen weiß wie Stimmzettel, Wahlschein, weißlich-grau wie Stimmzettelumschlag und hellrote Schnitzel wie der eigentliche Wahlbrief)." Wer hat den Wahlleiter informiert? Das ist aktuell nicht bekannt. Wer hat die Polizei gerufen?
Uwe Angermann informierte eigenen Angaben nach OB Henry Schramm, der ihn angewiesen habe, die Kriminalpolizei zu verständigen. Schramm selbst habe zudem den Kulmbacher Polizeichef Peter Hübner informiert. Wer waren die Mitarbeiter - und was war ihr mögliches Motiv? Das ist aktuell Gegenstand der Ermittlungen. Gibt es weitere Tatverdächtige? Polizei und Staatsanwaltschaft sagen, man sei am Anfang der Ermittlungen. Gerüchte, wonach Mitarbeiter festgenommen worden seien oder es in Privaträumen Durchsuchungen gegeben habe, wurden nicht kommentiert. Wie geht es jetzt weiter? Das Landratsamt sagt, die Stichwahlen würden wie geplant durchgeführt. Anschließend werde die Wahl geprüft - dabei würden die Ermittlungsergebnisse einbezogen. Grundsätzlich besteht aber die Möglichkeit, die Wahl anzufechten. Das regelt Paragraf 51 des bayerischen Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes. Darin heißt es: "Jede im Wahlkreis wahlberechtigte Person und jede in einem zugelassenen Wahlvorschlag aufgeführte sich bewerbende Person kann innerhalb von 14 Tagen nach Verkündung des abschließenden Wahlergebnisses die Wahl durch schriftliche Erklärung wegen der Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften bei der Rechtsaufsichtsbehörde anfechten."
Das sagen Henry Schramm und Ingo Lehmann
Henry Schramm und Ingo Lehmann stehen sich am Sonntag in der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters gegenüber - wie kommentieren sie die Vorgänge?
Schramm (CSU) teilte in einem Telefonat mit der BR mit, er sei vom Wahlleiter informiert worden und habe ihn angewiesen, die Kriminalpolizei zu informieren. Er selbst habe Kulmbachs Polizeichef Peter Hübner angerufen und darum gebeten, die Ermittlungen aufzunehmen. "Ich bin fassungslos und schockiert!", so Schramm.
Gerade er habe ein Interesse in seiner Ausgangsposition, dass die Stichwahl zu Ende gehe. Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft würden nun ermitteln.