Energiewende: Kulmbacher Firma setzt neue Maßstäbe
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Montag, 12. Januar 2015
Sie gelten als Energiefresser, sollten ab 2019 sogar verboten werden - nun könnten Nachtspeicherheizungen die Gewinner der Energiewende werden. Bei Glen Dimplex in Kulmbach setzt man auf neue Materialien und variable Steuerung.
Strom zu möglichst günstigen Konditionen beziehen und ihn speichern können - nach wie vor gilt das in Energiewendezeiten als Traum (wenn auch nicht eben einfach umsetzbar). Aber als Speichermedium ausgerechnet Speicherheizungen, im Volksmund als Nachtspeicherofen bekannt, zur Technik von morgen auszurufen?
Jene klobigen Brummer, die sich stundenlang des Nächtens den Saft aus der Steckdose ziehen und tagsüber über ihr Gebläse hörbar surrend als warme Luft in den Raum abgeben? Die Heiz-Dinos, über denen schon das Damoklesschwert des Betriebsverbots baumelte, weil sie als ineffektive Energiefresser gelten, als Asbest-verseuchte Krankmacher?
Bei Glen Dimplex in Kulmbach setzt man genau darauf. "Also natürlich nicht auf Asbest", sagt Marketing-Direktor Henrik Rutenbeck, grinst und biegt gemeinsam mit den beiden Diplomingenieuren und Entwicklern Ewald Beckstein und Nicolas Ostbomk in die Entwicklungsabteilung.
Heizstäbe wärmen Speicherstein
Das Neue fange schon beim Design an. Der Entwicklungsleiter bei Glen Dimplex hebt die Glas-Front ab und gibt den Blick frei ins Innere. Naturfasern als Isolationsmaterial, das so genannte Vermiculite (auch Glimmerschiefer genannt), werden sichtbar. Front- und Rückseite sind mit Materialien aus der Luft- und Raumfahrt gedämmt, was nicht zuletzt die Speicherdauer erhöhen soll. Und die Umwandlung des Stroms in Wärme? Die erfolgt über mehrere Heizstäbe, vorbeigeführt an gehörig schweren Speichersteinen aus Feolit. "Ein Eisenoxid", schiebt Nicolas Ostbomk erklärend nach, also ein natürlicher Rohstoff.
Mindestens genauso wichtig wie das Innenleben ihrer Produkte ist den Kulmbacher Entwicklern die Art, aus welcher Quelle der Strom zur Heizung kommt. An einer Schautafel neben dem geöffneten Demo-Ofen blinken LED-Ketten und symbolisieren den Weg des Stroms vom Erzeuger bis in die Wohnstube. "Der Aufbau der Heizung ist ja nicht das einzig Neue", bekundet Henrik Rutenbeck.
Auf den zweiten Teil der Innovation verweist der Name der Speicherheizung aus dem Hause Dimplex: "Intelligent Quantum". Denn sie soll variabel auf so genannte Lastspitzen reagieren. Bedeutet: Die Elektroheizung zu Hause kann, so Rutenbeck, beispielsweise auf dem Hausdach produzierten Photovoltaik-Strom abnehmen und - in Wärme umgewandelt - zwischenlagern. "Eben solche dezentralen Speicher sind unabdingbar, soll die Umstellung auf die Versorgung mit erneuerbaren Energien gelingen."
Ein Ofen der mitdenkt
Zum modernen Energiemanagement gehört laut Ewald Beckstein eine intelligente Steuerung. "Sie erkennt, wann in den Netzen Überkapazitäten von Sonnen- oder Windstrom zirkulieren und lädt den Ofen genau zu den Zeiten auf, in denen günstige Tarifkonditionen gelten. Früher zog die Heizung stur acht Stunden am Stück Strom, ohne Rücksicht auf das jeweilige Angebot und den Preis pro Kilowattstunde. Jetzt ist es möglich, auch mal nur eine Stunde Strom zu tanken, weil sich die Beladung Bedarf und Angebot anpassen lässt."
So soll die Heizung nicht nur möglichst häufig an günstigen Saft kommen, sondern insgesamt zum dezentralen Stromspeicher mutieren. Eine Entwicklung, die sich nach Henrik Rutenbecks Worten für viele Haushalte in Deutschland rechnen könnte. "In 1,6 Millionen Wohnungen sind Nachtspeicheröfen als Haupt- oder Alleinheizung installiert, etwa 280 000 davon in Bayern." Versorger RWE hat ausgerechnet, dass das einem Pumpspeicher in der Größenordnung von zehn Gigawatt Leistung entspricht. "Speicher, die man nicht für viel Geld bauen müsste, weil das System dafür schon da ist."
Er verweist zudem auf die Schwierigkeit der Umrüstung. "Diese Haushalte verfügen über keinen Warmwasser-Kreislauf mit Heizkörpern. Das umzustellen, würde zigtausende Euro kosten und wäre verbunden mit immensen Umbauarbeiten." Für die modernen Wärmespeicherheizungen hingegen könnten vorhandene Leitungen weiterverwendet werden. "In Verbindung mit einer Wärmepumpe ließe sich das System komplettieren."
Offenbar haben die jüngsten Entwicklungen dazu beigetragen, die Politik zum Umdenken zu bewegen. "Das einst in der Energie-Einspar-Verordnung für 2019 geplante Ofen-Verbot ist mittlerweile vom Tisch. Aber ich verhehle nicht, dass wir noch allerhand Überzeugungsarbeit leisten müssen", sagt Rutenbeck. Seit Monaten bereist er die Lande und stellt den Entscheidungsträgern der Republik das Konzept vor. "Ich gebe zu, dass wir bei den Grünen noch auf gewisse Skepsis stoßen - aber ich nehme das sportlich."
Ruckdeschel: Wärmepumpe ist in Sachen Effizienz die erste Wahl
Stromheizung und Energiewende - geht das zusammen? Wir haben Markus Ruckdeschel von der Energieagentur Nordbayern um eine Einschätzung gebeten.
Viele Experten sehen in einer besseren Verknüpfung des Strom- und Wärmesektors eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Warum?
Markus Ruckdeschel: Weil die Wende dann etwas leichter wird. Es heißt ja immer, dass wir die Erneuerbaren, die prinzipiell im Überfluss zur Verfügung stehen, noch nicht speichern können. Eigentlich geht das längst: Wir können Strom ja nicht nur in Batterien, sondern auch in anderer Form, etwa als Wärme, speichern. Wichtig ist dabei die Effizienz. Deshalb sehen wir eher die Wärmepumpen-Technologie als idealen Partner der Energiewende, weil sie aus einer Kilowattstunde Strom bis zu vier Kilowattstunden Wärme machen kann. Da kann eine Speicherheizung nicht mithalten, in Teilbereichen kann sie - mit neuester Regelungstechnik - trotzdem Sinn machen. Genauso wichtig ist es, den Sektor Verkehr einzubeziehen.
Schon heute wären Elektrofahrzeuge spielend in der Lage, Überschüsse aus der eigenen PV-Anlage zu puffern, um in der Nacht die Grundlast des Haushalts zu decken. Das sind selten mehr als zwei bis drei Kilowattstunden, üblicherweise hat ein E-Auto mindestens 15 bis 20 an Speicherkapazität und könnte das quasi nebenbei erledigen.
Wie lassen sich Versorger einbinden?
Netzbetreiber und Versorger sind die wichtigsten Partner für die Umsetzung, denn technisch machbar ist heute schon Vieles. Wirklich durchsetzen wird es sich aber erst, wenn eine Steuerung über den Preis erfolgt. Wenn also ein Strom-Überangebot herrscht, könnte die Kilowattstunde günstiger zur Verfügung gestellt werden. Dazu braucht es seitens des Verbrauchers intelligente Geräte, die solche Preissignale auch verstehen und sich automatisch zuschalten. Die Technik gibt es im Prinzip schon, aber die Tarife lassen noch auf sich warten.
Gäbe es Alternativen für die Nachtspeicherheizung?
Die Wärmepumpe, auch wenn die Investitionskosten höher liegen. Aber auch hier sind wir mit den Herstellern im Kulmbacher Land bestens aufgestellt. Grundsätzlich eignet sich zum Puffern von Strom übrigens auch ein Kühlaggregat - vom kleinen Kühlschrank bis zum großen Kühlhaus, denn auch Kälte wird elektrisch erzeugt. Hier liegen riesige Potenziale. Die Fragen stellte Jochen Nützel.