Einen (Aus-)Weg für die Opfer gibt es immer
Autor: Katharina Müller-Sanke
Kulmbach, Donnerstag, 08. Sept. 2016
In Kulmbach und Bayreuth gibt es jetzt eine Interventionsstelle, an die sich Opfer häuslicher Gewalt wenden können.
Menschen, die Opfer von häuslicher Gewalt werden, soll in Zukunft schneller geholfen werden. Dafür ist für den Bereich Kulmbach und Bayreuth ab sofort Gunhild Scheidler zuständig. Die erfahrene Sozialpädagogin und langjährige Mitarbeiterin in der Suchtberatungsstelle der Caritas hat den Posten der neuen proaktiven Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt bei der Caritas Bayreuth übernommen.
Auch Männer betroffen
Scheidler steht Frauen und auch Männern zur Seite, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind. Bisher müssen diese selbst den Weg zur Beratungsstelle oder gar ins Frauenhaus finden. Nun sollen sie niedrigschwelliger an die Hand genommen werden können.
Dass das wichtig ist, erläutert Gunhild Scheidler an der konkreten Situation: Eine Frau ist gerade von ihrem Mann, dem Partner, den sie liebt, geschlagen oder sonstwie verletzt worden. Sie hat vielleicht sogar ein weinendes Kleinkind bei sich. Die Polizei kommt und führt den Schläger ab.
Die Frau ist aufgewühlt. Tausend Fragen schwirren ihr durch den Kopf. Wie soll es weitergehen? Durfte ich das? Habe ich vielleicht etwas falsch gemacht? Was denken die Nachbarn? Bin ich wirklich sicher? Wovon soll ich leben? Und und und.
"Wenn der Schläger dann am nächsten Tag mit einem Blumenstrauß vor der Tür steht, knicken viele ein. Es erscheint auch sinnvoll: Alle Fragen sind mit der Rückkehr auf einen Schlag gelöst," erklärt Gunhild Scheidler die Situation, in der sich die Frauen befinden.
Die Sache mit den Blumen
Doch die Geschichte sei mit dem Blumenstrauß ja nicht zu Ende. "Die Hemmschwelle für Gewalt sinkt immer weiter. Von selbst kommt eine Familie da nicht mehr heraus", so der Appell von Carmen Benker vom Polizeipräsidium Oberfranken. Sie ist dort die Beauftragte für Frauen und Kinder. Die neue Interventionsstelle sei ein immens wichtiger Baustein und eine Schnittstelle zwischen den Arbeitsbereichen der Polizei und der bisherigen Beratungsstellen.
Die Polizisten sind darauf geschult, bei entsprechenden Anzeigen - entweder direkt am Einsatzort oder auch in der Dienststelle - die Frauen auf die Arbeit der Interventionsstelle hinzuweisen. Gunhild Scheidler nimmt dann innerhalb der nächsten Tage, idealerweise bevor der Mann mit dem Blumenstrauß auftauch, Kontakt auf. "Ich stehe dem Opfer mit ganz praktischen Antworten zur Seite. Ich signalisiere: Wir schaffen das zusammen. Gerichtstermine, Lebensunterhalt, Beistand. Die Frauen sind in dieser Situation nicht allein, auch wenn sie sich vom Partner trennen."
Mut für den ersten Schritt
Ob sie die Trennung überhaupt wollen, das entscheiden die Frauen natürlich selbst. Drei Beratungsgespräche bei der Interventionsstelle stehen ihnen nach einer Anzeige zu, danach werden sie ins Hilfesystem entlassen, zu Beratungsstellen weiterverwiesen oder unter Umständen auch ins Frauenhaus.
1832 Fälle häuslicher Gewalt sind 2016 in Oberfranken angezeigt worden, die Dunkelziffer ist groß. Dass es für jeden Fall eine Lösung gibt, sollten Frauen nicht aus den Augen verlieren. Die Interventionsstelle wird durch das Staatsministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Kinder und die Landkreise finanziert. Opfer von Gewalttaten sollten sich ermutigt fühlen, endlich den Schritt zu gehen. Denn es gibt immer einen Weg.