Eine neue Qualität der Abzocke
Autor: Matthias Beetz
Stadtsteinach, Freitag, 20. Februar 2015
Alle Jahre wieder - meist im Spätherbst oder im zeitigen Frühjahr: In durchaus seriös anmutenden Schreiben wird Firmen, Selbstständigen und Vereinen der Eintrag in Branchenverzeichnisse angeboten. Der (kleingedruckte) Haken: horrende Gebühren. Marco Birner hat ein solches Angebot bekommen - und sofort reagiert.
Der 38-jährige Stadtsteinacher ist nicht nur selbstständiger Fachberater für Türen- und Treppenrenovierung, sondern auch Vorsitzender im "Bund der Selbstständigen Kulmbach Stadt und Land". Als er den jährlichen Beitrag von 588 Euro im Angebot bei einer Vertragslaufzeit von 24 Monaten entdeckt hatte, war ihm klar, "dass da was nicht stimmen kann". Er studierte das Schreiben mit dem "fast amtlichen Charakter" genau und informierte sofort die rund 80 Mitglieder der Vereinigung im Landkreis.
Was wohl auch eingedenk eines Artikels in der Bayerischen Rundschau von Ende Januar 2015 geschah, in dem der Mainleuser Rechtsanwalt Ulrich Gödde vor einer ähnlichen Abzocke im Namen der Gelben Seiten gewarnt hatte.
Im Internet schnell zu finden
Bemerkenswert findet Birner die Tatsache, dass es sich diesmal bei dem Unternehmen "Gewerberegistrat" um einen deutschen "Anbieter" mit Sitz in
Was aber nichts an der Tatsache ändert, dass "das Eintragungsangebot zur Empfehlung Ihres Betriebes" nach Ansicht Birners maßlos überzogen ist. "1176 Euro werden danach für die Laufzeit von zwei Jahren fällig, das ist jenseits von Gut und Böse", sagt der Stadtsteinacher. Zum Vergleich dazu verweist er auf Einträge bei "Das Oertliche" oder "Klicktel", die zwischen 100 und 150 Euro pro Jahr kosten.
An der Grenze zum Betrug
Was Daniela Heiß vom gleichnamigen Transportunternehmen in Stadtsteinach bestätigt. Ihre Firma ist wie andere Stadtsteinacher Betriebe bei "Gewerberegistrat" schon gelistet - und zwar mit Anschrift und Telefonnummer. Ob dafür etwas bezahlt wurde? Daniela Heiß winkt ab. "Solche Briefe landen gleich im Müll", sagt sie. Die Stadtsteinacherin geht davon aus, dass "Gewerberegistrat" frei zugängliche Adressen einfach in das Verzeichnis aufnimmt und dann Korrekturen, Nachbesserungen und Ergänzungen für viel Geld beim "Kunden" erreichen möchte.
Für Rechtsanwalt Stefan Kollerer aus Kupferberg grenzt ein solches Geschäftsgebaren an betrügerisches Verhalten - vor allem deshalb, weil den Adressaten der Anschein vermittelt wird, sie seien zur Rücksendung des ausgefüllten Formulars verpflichtet. Auch seine Empfehlung lautet deshalb: Die Schreiben wegschmeißen.
Doch was geschieht, wenn die Unterschrift schon geleistet ist? "Rechtlichen Beistand holen und die Vereinbarung anfechten", erklärt Kollerer kurz und bündig.
Dem Auftritt von Gewerberegistrat misst der Rechtsanwalt durchaus eine neue Qualität bei. Schließlich seien solche dubiose Machenschaften bisher meist über das Ausland und Briefkastenfirmen gelaufen, die man nicht kontaktieren kann. "Gewerberegistrat.de" hingegen geht sogar in die Offensive, wirbt mit besonderen Leistungen für sein Internetverzeichnis ("Mit knapp über 5 Millionen Einträgen sind wir eines der größten Branchenbücher in Deutschland") und wirft namentlich aufgeführten Anwaltskanzleien vor, mit der Warnung vor dem Unternehmen nur selbst neue Klienten werben zu wollen.
Erstaunliche Erkenntnisse
Eine dieser Kanzleien sitzt in Berlin und heißt Radziwill-Blidon-Kleinspehn. Die Anwälte haben sich offenbar intensiv mit den Internetseiten "Gewerberegistrat.de", "Freiberufregistrat.de" und "Registrat.de" befasst und Erstaunliches recherchiert. Demnach bestehen alle drei Seiten erst seit 15. Januar 2015. Und: Der Geschäftsführer des Berliner Unternehmens taucht im Handelsregister des Amtsgericht Potsdam als Chef einer weiteren Firma auf - des Inkassounternehmens "Hunter Forderungsmanagement GmbH"...
Diese Recherchen werden sicherlich auch die Stadtsteinacher Polizei interessieren, bei der immer wieder Nachfragen zu dubiosen Gewerbeeinträgen eingehen. Die Beamten raten wie ihre Kollegen in anderen Dienststellen dringend dazu, derartige Anschreiben genau durchzulesen und nicht einfach gutgläubig zu unterzeichnen. Denn: Wer etwas kauft, ohne auf den Preis zu schauen, kann später nicht von Betrug sprechen.