Eine klebrige Katastrophe
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Dienstag, 06. April 2021
Es ist gar nicht so einfach, fehlerfrei ein Honigbrot zu essen.
Wir sollten dem Freiherrn von Knigge dankbar sein, hat er uns doch in seinen Werken viele hilfreiche Hinweise hinterlassen, wie wir beim Speisen in vornehmer Runde alle Klippen umschiffen: Salat nicht mit dem Messer, Soße nur mit dem Soßenlöffel. Kartoffeln drücken, nicht schneiden. Und dann, vor allem, die ganze Palette dessen, was Schalen, Scheren und Panzer hat: Wer seinen Knigge kennt muss weder Hummer noch Austern fürchten.
Leider hat der Freiherr eines ganz vernachlässigt: das Honigbrot. Das Honigbrot erfordert, will man es nun streichen oder essen, ganz besonderes Geschick und vor allem allerhöchste Konzentration.
Schon allein der Transport des Honigs aus dem Glas ist benimmtechnisch ein Parforceritt. Weil man weder Löffel noch Glasrand ablecken darf, tröpfelt und rinnt die klebrige Masse unkontrolliert, wohin sie will. Auch beim Verzehr erfordert das Honigbrot höchste Aufmerksamkeit. Es muss stets in Balance gehalten werden, maßvoll rotierend, um ein Hinabfließen der Masse in Ärmel und auf Tischtücher zu verhindern.
Fest steht: Wer Honigbrot isst, sollte es unterlassen, dabei Zeitung zu lesen oder mit dem Smartphone zu spielen.
Lebte Freiherr von Knigge heute, hätte er solcherlei ohnehin als Unsitte verurteilt - auch dann, wenn statt dem Honigbrot Hummer oder Austern serviert worden wären.