Druckartikel: Eine Betriebsratswahl spaltet die Firma

Eine Betriebsratswahl spaltet die Firma


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Montag, 16. Mai 2022

Beschäftigte bei Schrutka-Peukert wollen eine Mitarbeitervertretung gründen. Ihr gutes Recht, aber anscheinend nicht leicht umsetzbar: Zwei potenziellen BR-Kandidaten wird gekündigt - aber warum? Die IG Metall erwägt nun sogar juristische Schritte.
Bis zur Insolvenz von Schrutka gab es einen Betriebsrat, später nicht mehr. Nun soll bei der Schrutka-Peukert GmbH in Kulmbach eine neue Vertretung der Belegschaft gegründet werden.


Der Freitag wird interessant für die Belegschaft bei der Schrutka-Peukert GmbH in der E.-C.-Baumann-Straße; es dürfte eine der wichtigsten Versammlungen in der jüngeren Firmengeschichte stattfinden. An diesem Tag ist die Wahlversammlung zur Gründung eines Betriebsrats avisiert, genauer gesagt soll der Wahlvorstand bestimmt werden. Einen Betriebsrat gibt es bisher nicht in der Kulmbacher Firma, die über die Region bekannt ist für ihre besonderen Ladenkonzepte für Metzger, Bäcker und Gastronomen.

Warum ein solcher Vorgang Staub aufwirbelt? Weil zwei potenzielle Kandidaten der künftigen Mitarbeitervertretung vor dem Beginn des Prozederes ihre Entlassungspapiere bekommen haben. Die IG Metall sieht darin den unlauteren Versuch des Arbeitgebers, die Wahl offenbar zu behindern. Das wäre strafbar laut Betriebsverfassungsgesetz. Geschäftsführer Steffen Cyris weist den Vorwurf zurück.

Versuch der Einschüchterung?

Für den zuständigen IG-Metall-Vertreter Robin Schoepke liegt die Sache auf der Hand. "Da hat jemand wohl zuvor zu viel geredet. Wir raten unsererseits immer dazu, in einem solchen Fall dichtzuhalten. Was passiert, wenn im Vorfeld der Arbeitgeber Wind bekommt, sieht man hier deutlich." Schoepkes Kollegen und er seien aus der Mitarbeiterschaft heraus gebeten worden, die BR-Gründung zu begleiten. "Wir selber gehen nie von uns aus so einfach in einen Betrieb rein, in dem wir noch gar nicht vertreten sind. Wir brauchen unsere Leute vor Ort, die Wahlvorstände stellen und auch Betriebsräte werden möchten."

Der erste Kontakt aus dem Unternehmen zur IG Metall sei um die Osterferien herum erfolgt. Es habe ein Treffen im kleinen Kreis gegeben, sagt Schroepke. "Dabei wird erklärt, wie eine solche Wahl abläuft. Dann gehen wir den ersten Schritt und sagen: Redet nur mit Leuten, zu denen ihr 100 Prozent Vertrauen habt, sonst kann es nach hinten losgehen." Denn: Betriebsräte in spe haben keinen Kündigungsschutz. "Das scheint hier eine entscheidende Rolle zu spielen. Die Erfahrung lehrt uns, dass mancher Arbeitgeber alles dafür tut, solche Personen bevorzugt aus dem Betrieb zu entfernen, wenn ihm die Entwicklung nicht passt."

Es geht um zwei Mitarbeiter - einer aus dem Ladenbau und einer aus der Arbeitsvorbereitung (die beiden Betroffenen waren nicht bereit, mit unserer Redaktion zu sprechen). Die Gewerkschaft sieht einen Zusammenhang zwischen den Kündigungen und der Bereitschaft der Genannten, sich für den BR zu engagieren. Geschäftsführer Steffen Cyris widerspricht dem vehement. Beide Kündigungen seien deutlich vor dem Wahlprozedere, also dem Aushang zur Betriebsratswahl, ausgesprochen worden, es bestehe keinerlei "zeitlicher Bezug". Gründe für die Kündigungen nannte er nicht. Das muss er auch nicht explizit tun. "Ich werde mich nicht öffentlich äußern - und zwar im Sinne und zum Schutz der Mitarbeitenden."

Bei der IG Metall wertet man das Verhalten anders. Die Kündigungen habe es beim ersten Kontakt im April noch nicht gegeben. "Wir haben versucht, die Entlassungen für andere Kollegen, die Interesse an der Mitarbeitervertretung äußerten, zu verhindern." Man sei bemüht, für die Betroffenen eine Kündigungsschutzklage anzustreben. Zudem sei es verwunderlich, so Schroepke, dass Beschäftigte so einfach freigestellt werden könnten, obwohl gleichzeitig Mitarbeiter ob der hohen Auslastung im Betrieb gesucht würden.

Strafanzeige möglich

Doch die Gewerkschaft wolle noch weiter gehen. Im Raum steht die Anwendung des Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetz. Der regelt in Absatz 1 unmissverständlich: "Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Wahl des Betriebsrats oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung (...) der Arbeitnehmer behindert oder durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst." Klingt nach scharfem Schwert. "Das ist es nur, wenn die Staatsanwaltschaft das genau so sieht." Es sei aber nie im Sinne der IG Metall, Öl ins Feuer zu gießen.

Das wolle die Geschäftsleitung auch nicht. "Wir haben Interesse an Gesprächen", lässt Cyris verlauten. Er sei nicht gegen die Gründung einer Arbeitnehmervertretung. "Schrutka und Peukert hatten in Warmensteinach Betriebsräte, das wollte von uns auch keiner verhindern. Was uns die IG Metall unterstellt, ist nicht wahr."

Kein Misstrauensvotum

Im Zuge der Recherchen meldeten sich zwei Mitarbeitende der Firma Schrutka-Peukert, die aufgrund ihrer Situation jedoch nicht namentlich genannt werden wollen. Beide begleiteten die BR-Gründung wohlwollend, einer habe sogar vor, sich aufstellen zu lassen.

Beide betonen jedoch: Es sei niemals als Misstrauensvotum gegen den Arbeitgeber gedacht gewesen. Das, was die Gewerkschaft gegen die Firmenleitung ankündigt, halte man für nicht angemessen und letztlich auch nicht hilfreich. "Es geht uns darum, der Belegschaft ein Sprachrohr zu geben, denn das fehlt in der Firma."

Derzeit sei vor allem der hohe Arbeitsdruck ein Grund, weswegen der Wunsch nach einer Arbeitnehmervertretung aufgekommen war. "Es geht ein wenig drunter und drüber, Leute werden kurzfristig zu Überstunden und Mehrarbeit eingeteilt. Der Druck hat sich langsam gesteigert, er ging aber auch nicht ins Unermessliche, das muss man auch so festhalten."

Saubere Absprachen

Dennoch war die Idee: Das könnte ein Betriebsrat in kontrollierte Bahnen lenken. Es geht darum, das mit Mitarbeitenden sauber abzusprechen und nicht willkürlich von oben anzuordnen. "Es gibt viele, die haben familiäre oder andere Verpflichtungen, die können nicht einfach quasi auf Knopfdruck in der Firma sein."

Die Reaktion des Arbeitgebers? Keine Euphorie, heißt es, aber auch keine komplett ablehnende Haltung, sagt einer der Mitarbeiter. "Man wolle das tun, wozu man gesetzlich verpflichtet sei."

Verzwickte Situation

Die Situation sei jedoch noch auf anderer Ebene verzwickt, denn: Es gehe offenbar ein Riss durch die Belegschaft. Einer unserer Gesprächspartner machte keinen Hehl daraus, er lege seine Hand nicht dafür ins Feuer, dass am Ende tatsächlich ein Betriebsrat gewählt wird. "Manche sagen uns, das sei nicht nötig. Andere bekunden Sorge, ein solches Gremium würde die Fronten nur verhärten."

Und dann? "Wenn am Freitag keine Mehrheit für einen Wahlvorstand zustande kommt, dann würden wir beide die Sache sein lassen." Sollte es ein Gremium geben, würde das angesichts von aktuell 90 Beschäftigten und aufgrund der Vorgaben insgesamt fünf Betriebsräte umfassen.