Druckartikel: Ein "wahrscheinlich" ist für eine Verurteilung zu vage

Ein "wahrscheinlich" ist für eine Verurteilung zu vage


Autor: Stephan-Herbert Fuchs

Kulmbach, Freitag, 18. November 2016

Der Angeklagte beteuerte, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Auch die Zeugen der Schlägerei gaben nur vage Zeugenaussagen ab.
Am 19. Juni dieses Jahres kam es beim Beach Clubbing in Trebgast zu einer Schlägerei. Wer genau handgreiflich wurde, konnte das Gericht jedoch nicht abschließend klären.  Symbolfoto. Christopher Schulz


Im Prozess um die Schlägerei beim Beach Clubbing am 19. Juni beim Trebgaster Badesee hat das Kulmbacher Amtsgericht den angeklagten 26-jährigen Auszubildenden aus Bayreuth überraschend freigesprochen.
"Wahrscheinlich waren sie es", sagte Richterin Sieglinde Tettmann sogar noch während der Urteilsbegründung zum Angeklagten. Doch ein wahrscheinlich reiche eben für eine Verurteilung nicht aus, deshalb der Freispruch.
Laut Anklage sollte der 26-jährige sein 20-jähriges Opfer aus Mainleus angegriffen und verletzt haben. Grund sollen Beleidigungen seitens des Opfers gegen die Freundin des Angeklagten auf Facebook gewesen sein. Der junge Mann hatte damals zahlreiche Prellungen und Schürfwunden erlitten, und musste mit Verdacht auf Gehirnerschütterung ins Klinikum eingeliefert werden.

Schon am ersten Verhandlungstag waren die Aussagen weit auseinander gegangen. "Ich habe mit der Sache nichts zu tun", beteuerte der Angeklagte auch jetzt wieder. Er sei eben zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, so seine Schilderung.


Zeugen waren sich unsicher

Auch am zweiten Verhandlungstag konnten eigens nachgeladene Zeugen nicht zur Aufklärung beitragen. "Es ging alles so schnell", sagte ein 19-jähriger Schüler aus Kulmbach. Der Täter sei zuerst weggerannt, bis ihn der Sicherheitsdienst schließlich dann doch geschnappt und festgehalten habe. Doch hatten die Security-Leute auch den richtigen?

Der Angeklagte habe bereits in seiner ersten polizeilichen Aussage vor Ort um drei Uhr nachts gesagt, dass er damit nichts zu tun gehabt habe, berichtete eine Polizeibeamtin von der Inspektion Stadtsteinach nun vor Gericht. Zwei Zeugen seien sich damals, ebenfalls noch vor Ort, dagegen ziemlich sicher gewesen, dass der Angeklagte der Schläger war, berichtete der Einsatzleiter der Polizei. Aber eben auch nur "ziemlich sicher" und nicht "ganz sicher".

Das Gericht hatte sich von den neuen Zeugen mehr erhofft. Ausschließen konnte niemand, dass der Sicherheitsdienst den Falschen erwischt hatte. Das Opfer selbst hatte seinen Peiniger ebenfalls nicht mehr identifizieren können.

Einschlägig vorbestraft war der angeklagte 26-Jährige auch nicht. Er hatte lediglich vor zwei Jahren einen Strafbefehl über 225 Euro erhalten, weil er eine Patrone als Andenken an seine Bundeswehrzeit bei sich zuhause aufbewahrt hatte und deshalb wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz belangt wurde.
Leicht hatte es sich Staatsanwalt Florian Losert mit seinem Plädoyer nicht gemacht. Er sei trotzdem der Überzeugung, dass der Angeklagte auch der Täter war. Er hielt es für völlig unwahrscheinlich, dass ein unbekannter "Mister X" als Täter in Frage komme.


Staatsanwalt tendiert zu schuldig

So hätten beispielsweise Zeugen die Jacke des Angeklagten wiedererkannt. Absolut merkwürdig nannte es Losert auch, dass der Angeklagte gar nichts von der Schlägerei mitbekommen haben will.

Also kam der Staatsanwalt zu dem Schluss: "Es kann kein anderer gewesen sein." Wegen vorsätzlicher Körperverletzung beantragte Losert eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu jeweils 15 Euro (1350 Euro).
Dann kam es in der Verhandlung schließlich doch noch einmal zu einer Überraschung: Entgegen der Ausführungen des Anklagevertreters sprach Richterin Tettmann den 26-Jährigen schließlich frei, sämtliche Kosten und Auslagen muss die Staatskasse übernehmen. "Es bleiben letzte Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten", sagte Tettmann.

Es habe sich während der Verhandlung herausgestellt, dass vieles nicht so gewesen sei, wie es in den Akten festgehalten wurde, mehrere Zeugen hätten den Angeklagten nicht eindeutig identifizieren können. Deshalb könne das Gericht auch nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dass ein anderer zugeschlagen hatte.