Druckartikel: Ein ungelöstes Rätsel

Ein ungelöstes Rätsel


Autor: Katrin Geyer

Kulmbach, Mittwoch, 02. Sept. 2015

Beim Einkaufen lassen sich die schönsten Beobachtungen machen. Und manchmal stellen sich Fragen, die nie beantwortet werden.
Foto: dpa/Uwe Anspach


Neulich abends in der Redaktion: Es ist zwanzig vor acht, ich packe eilig meine Siebensachen zusammen. Aus dem festen Vorsatz, nicht so spät Feierabend zu machen, ist wieder einmal nichts geworden.
Nun muss ich zusehen, dass ich noch eine Kleinigkeit fürs Abendessen einkaufen kann. Meine Lieblingsgeschäfte haben längst zu. Also radle ich zum nächsten Discounter, sause kurz vor Ladenschluss im Geschwindschritt an den Regalen vorbei, vom Joghurt zum Obst und vom Tiefkühlfisch zu den Trockenfrüchten, und stelle mich drei Minuten vor acht an der Kasse an.
Vor mir steht ein Mann, der seinen großen Wagen randvoll gepackt hat mit dem, was Männer halt gerne einkaufen: Cola, Fleisch, Nudeln, Chips. Es dauert, bis die Frau an der Kasse das alles Stück für Stück übers Band gezogen hat. Der Mann zahlt, schiebt seinen Wagen gemächlich zum Ausgang. Auch ich habe mittlerweile bezahlt, will ziemlich flott nach draußen. Ich will einfach nur heim!
Da sehe ich den Mann auf ein Fahrrad zusteuern. So ein Mountain-Bike von der minimalistischen Sorte mit nix dran: Keine Klingel, kein Licht - und vor allem kein Gepäckträger.
Fasziniert bleibe ich stehen: Ich will sehen, wie der Mann diese Menge an Einkäufen mit diesem Fahrrad nach Hause transportiert. Als er ein paar Flaschen in seinem Rucksack verstaut, eine Stofftasche gefüllt und eine zweite aus der Jackentasche geholt hat - der Wagen sieht nicht leerer aus als zuvor - merkt er, dass er beobachtet wird. Ganz böse schaut er mich an.
Ich bin feige und trolle mich. Den Gedanken, klammheimlich noch eine Spionagerunde mit dem Rad zu drehen, verwerfe ich.
Und ärgere mich seitdem, dass ich wohl nie erfahren werde, wo der Mann all seine Einkäufe hingepackt hat.
Katrin Geyer