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Ein kleiner Fall Edathy in Kulmbach


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Freitag, 06. März 2015

Erst als ihm eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt wird, gibt ein Angeklagter den Besitz kinderpornographischer Videos zu. Aber Reue zeigt er vor Gericht nicht.
Wer sich kinderpornographische Videos oder Bilder anschaut, trägt dazu bei, dass Gewalt gegen Kinder ausgeübt wird, dass sie sexuell missbraucht werden. Gestern wurde am Amtsgericht Kulmbach ein Täter verurteilt, bei dem kinderpornographische Dateien auf seinem Rechner gefunden worden waren. Foto: Patrick Pleul, dpa


Der Fall des früheren SPD-Politikers Sebastian Edathy hat dafür gesorgt, dass eine öffentliche Debatte über Kinderpornographie geführt wird. Dass im Internet Bezugsquellen zu finden sind, wo man sich kinderpornographische Videos und Bilder besorgen kann. Dass es etwa 250 000 pädophile Männer in Deutschland geben soll. Dass sexueller Missbrauch von Kindern jeden Tag mitten unter uns geschieht.

Und da macht Kulmbach keine Ausnahme. Einem solchen Täter kommt die Polizei auf die Schliche, als gegen ihn wegen Drogenstraftaten ermittelt wird. Es geht um kleinere Mengen Kokain, Amphetamine und Marihuana, die er auf den Namen seines Bruder im Internet bestellt hat. Der Stoff wird bei einer Hausdurchsuchung gefunden. Die acht Fälle räumt er am Freitag vor Gericht auch ein. "Das gebe ich zu", sagt er und erklärt, sich "in einer Art Midlifecrisis" befunden zu haben.

Nacktaufnahmen und Details
Mit zwei kinderpornographischen Dateien, die die Polizei auf dem Laptop in seiner Wohnung entdeckt hat, will er nichts zu tun haben. Es geht um zwei Videos, auf denen Nacktaufnahmen eines elfjährigen Mädchens und eines vier bis sieben Jahre alten Mädchens sowie die Geschlechtsteile der Kinder in Großaufnahme zu sehen sind.

"Ich weiß davon nichts", betont der Angeklagte. Den Computer habe er aus einem Gasthof in der Nähe von Eschwege (Hessen) mitgenommen, wo er seinerzeit gearbeitet hat - als Ausgleich für nicht erhaltene Lohnzahlungen. Der Laptop sei in einem Aufenthaltsraum allgemein zugänglich gewesen, auch für die Hotelgäste. Jeder hätte solche Dateien abspeichern können.

Was er verschweigt, ist seine Vorstrafe - acht Monate auf Bewährung wegen Besitz kinderpornographischer Schriften aus dem Jahr 2008. Aber die Polizei weiß von seinen Vorlieben und fragt bei der Hausdurch suchung gezielt nach. "Kinderpornographie nicht, aber vielleicht etwas im Grenzbereich", soll der 43-jährige laut Polizei gesagt haben. Eine Formulierung, die wir von Edathy kennen.

"Taktisches Geständnis"
Richterin Sieglinde Tettmann regt nun eine Unterbrechung und ein Gespräch der Prozessbeteiligten an. Als das Gericht und die Staatsanwaltschaft signalisieren, dass noch einmal eine Bewährungsstrafe in Betracht kommt, gibt der Angeklagte seine Strategie auf. Er legt ein zweites Geständnis ab, das Staatsanwältin Dr. Sibylle Zwanzger später "taktisch" nennt.

Aber der 43-Jährige zeigt keine Reue, kein Wort des Bedauerns kommt über seine Lippen. Ein Verhalten, das wir auch von Edathy kennen. Dabei sind die Missbrauchsopfer "sehr junge Mädchen, wirkliche Kinder" (Dr. Zwanzger) gewesen.

Die Staatsanwältin hegt den Verdacht, dass der Angeklagte keine große Wandlung durchgemacht hat. Die von ihr geforderte neunmonatige Freiheitsstrafe könne dennoch zur Bewährung ausgesetzt werden, weil die Vorstrafen - es gibt noch eine zweite wegen Drogenbesitz - schon länger zurückliegen und der Mann einer festen Arbeit nachgeht. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Andreas Piel, hält sechs Monate für ausreichend, aber das Gericht schließt sich der Forderung der Staatsanwaltschaft an. Die Richterin setzt die Bewährungszeit auf drei Jahre fest und verhängt noch ein Bußgeld von 2000 Euro, zahlbar an Avalon Bayreuth, die Notruf- und Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt. Aufgrund Rechtsmittelverzicht der Beteiligten ist das Urteil rechtskräftig.