Druckartikel: Ein gelbes Band am Baumstamm heißt: Greif zu!

Ein gelbes Band am Baumstamm heißt: Greif zu!


Autor: Katrin Geyer

Thurnau, Freitag, 24. Juli 2020

Die Thurnauer Gartenbauvereine haben eine Aktion gestartet, mit der erreicht werden soll, dass kein Obst mehr ungenutzt an den Bäumen hängen bleibt.
Rainer Harz, Vorsitzender des Gartenbauvereins, markiert den Stamm eines Apfelbaumes mit einem gelben Band. Das signalisiert: Hier darf jedermann ernten. Foto: Katrin Geyer


Obstbäume, die keiner ableert. Obst, das irgendwann verfault. Schade drum!

Das muss nicht sein, hat man sich beim Gartenbauverein Thurnau gedacht, und gemeinsam mit der Gemeinde ein in dieser Form im Landkreis bislang einmaliges Ernteprojekt auf den Weg gebracht: Die Aktion "Gelbes Band".

Anregen lassen hat sich die Anja Badura-Aichberger, die Ideengeberin, dabei von einem ähnlichen Projekt im Landkreis Esslingen in Baden-Württemberg. 36 Städte und Gemeinden beteiligen sich dort mittlerweile an der Aktion. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat dieses Engagement erst vor kurzem mit dem Bundespreis "Zu gut für die Tonne" gewürdigt.

"Eine gute Idee"

In Kulmbach war es die Initiative "Transition Kulmbacher Land" (Tra.Ku.La.), die vor geraumer Zeit eine ähnliche Idee entwickelt hatte. "Es hat sich aber nicht so recht eine Gruppe gefunden, die das weiter verfolgt hat", so Sprecherin Eunike Schu.

Nun machen die Thurnauer Nägel mit Köpfen. Die Idee, die hinter dem Projekt steckt, ist simpel: Obstbäume auf Streuobstwiesen, Flurbereinigungsflächen oder an Straßen, deren Eigentümer Äpfel, Birnen oder Zwetschgen nicht selbst ableeren und verwerten können oder wollen, werden mit einem um den Stamm gebundenen gelben Band markiert. Das signalisiert: Hier darf geerntet werden!

"Eine gute Idee, die jedem was bringt", sagt dazu der Thurnauer Bürgermeister Martin Bernreuther. Der Gemeinderat hat einen entsprechenden Antrag von Anja Badura-Aichberger gut geheißen; die Marktgemeinde unterstützt die Aktion. Auszubildende Nina Michael hat eine Liste der gemeindeeigenen Bäume erstellt. Sie sollen in den nächsten Tagen markiert werden. Auch die Autobahndirektion hat Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert.

Für eine sinnvolle Verwendung

"Wir wollen versuchen, dass Früchte, die sonst an oder unter den Bäumen verfaulen würden, eine sinnvolle Verwendung finden", sagte Anja Badura-Aichberger beim offiziellen Auftakt am Donnerstagabend am Nürnberger Platz in Thurnau. Gerade in Corona-Zeiten sei sicher mancher dankbar, wenn er heimisches Obst ernten könne. Und Familien, die ihre Kinder beschäftigten müssten, könnten dies sinnvoll tun, indem sie dieses Obst verwerten.

Natürlich ernte jeder auf eigene Verantwortung. Und natürlich diene das Obst nur der privaten, nicht der kommerziellen Verwertung.

Wer selbst Bäume zum Abernten zur Verfügung stellen möchte, kann sich die gelben Bänder im Thurnauer Rathaus abholen. Und auch die örtlichen Gartenbauvereine helfen weiter.

Freuen würden sich die Initiatoren, wenn sich das Projekt auf Kreisebene ausweiten ließe. Schließlich stehen auch an Kreis- und Staatsstraßen viele Obstbäume. Die Chancen dafür stehen gut: Wie die Thurnauer Kreisrätin Brigitte Soziaghi mitteilte, liegt ein entsprechender Antrag schon im Landratsamt.

Auch in Kulmbach darf geerntet werden

Die Idee, nicht benötigtes Obst der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, ist im Raum Kulmbach nicht ganz neu. Als vor Jahren in Melkendorf entlang der Zufahrt zum Schloss Steinenhausen eine Obstbaum-Allee angelegt wurde, wurde ausdrücklich betont, dass sich jedermann dort bedienen dürfe - in kleinen Mengen, versteht sich. Gepflegt wird die Allee, in der vor allem seltene Obstsorten kultiviert werden, vom Landesamt für Umwelt, das auf Schloss Steinenhausen untergebracht ist. Die Belegschaft erntet auch regelmäßig dort. "Wir sind froh, wenn das Obst Verwendung findet, und es gibt sicherlich viele Menschen, die sich darüber freuen würden", so Jonas Gleich, Pressesprecher der Stadt Kulmbach.

Gleich weist zudem auf zwei Streuobstwiesen hin, die sich im Besitz der Stadt befinden.Zum einen ist das die Wiese zwischen dem Kulmitzweg und der Bundesstraße 85 in Kulmbach, zum anderen eine Obstwiese bei Leuchau (von Kulmbach kommend links der B 85 vor dem Ort). Vor allem Apfelbäume stehen hier, vereinzelt auch Pflaumen- und Zwetschgenbäume.

"Hier können Privatpersonen das Obst in kleinen Mengen abernten. Im Regelfall fragen diese vorher im Bauhof nach - dies ist aber nicht zwingend notwendig."

Dazu unser Kommentar

Wenn der kürzlich verstorbene Schauspieler Jan Fedder in Talkshows aufgetreten ist, hat er gerne das Hamburger Lied vom "Jung mit'n Tüddelband" gesungen. Da heißt es - behutsam ins Hochdeutsche übersetzt - im Refrain: "Klau'n, klau'n, Äpfel woll'n wir klau'n...". Kindheits-Erinnerungen. Lausbuben-Romantik.

Die Realität sieht freilich anders aus: Wer Äpfel, Birnen oder Zwetschgen erntet, die ihm nicht gehören, ist ein Dieb. Zwar wird es allenthalben toleriert, wenn man sich beim Spaziergang auf Feldwegen und an Wiesen mal einen Apfel pflückt oder eine Handvoll Nüsse aufliest. Aber gleich ein Säckchen voller Äpfel für den Sonntagskuchen oder einen Korb voller Zwetschgen zum Marmelade-Kochen - da hat man dann doch Skrupel und lässt es lieber sein.

Die Folge: An den Wegrändern und auf den Wiesen in unserer Region verdirbt jedes Jahr viel Obst. Weil es zwar jemandem gehört, derjenige es aber nicht ernten kann oder will. Und diejenigen, die es könnten und wollen, sich nicht sicher sind, ob sie dürfen.

Die Thurnauer Gartenbauverein sorgen in Zusammenarbeit mit der Marktgemeinde nun für klare Verhältnisse. Im Rahmen der Aktion "Gelbes Band" sollen Obstbäume auf öffentlichen Flächen markiert werden. Dann weiß jedermann: Hier darf ich ernten.

Eine simple, aber bestechende Idee. Die Kosten für die Aktion: Überschaubar. Der Aufwand: Zumutbar. Die Auszubildende der Marktgemeinde hat die Kartierung übernommen. Die Mitglieder der Gartenbauvereine wollen ehrenamtlich die Bäume markieren.

Der Nutzen der Aktion in Zeiten, in denen viel über Nachhaltigkeit, Regionalität und Lebensmittelqualität diskutiert wird: Unbezahlbar.