Ehrliche Antworten sind offenbar unerwünscht
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Montag, 06. Dezember 2021
Man hilft ja gern. Insofern antwortete ich der mir bekannten Mutter einer Tochter, die nächstes Jahr Abitur macht, auf die Bitte, die junge Frau bei einer Aufgabe im Fach Wirtschaft zu unterstützen.
Es ging um die Einordnung eines Gutachtens des ifo-Instituts München zur Konjunkturprognose. Wer mich kennt, der weiß: Jippie, ein Lieblingsfeindbild! Insofern kotzte ich ein paar belanglose Nichtigkeiten auf die Fragen hin, bat aber besagte Mutter, an den betreuenden Lehrer folgende Anmerkung mitzusenden:
"1. Wissen die Schüler, wer diese Gutachten erstellt? Was sind "führende Wirtschaftsforschungsinstitute" überhaupt - und wer zum Teufel hat sie da hingeführt? Wer (ver)leiht ihnen dieses Gehör (und damit Macht)? Wissen sie, dass dabei einige 1000 - willkürlich gewählte - Unternehmer stupide nach ihren Aussichten für die nächsten Monate befragt werden und ein Klüngel daraus einen Index mit einer Stelle hinterm Komma errechnet? Wofür? Wird den Schülern wenigstens en passant vermittelt, dass solche "Prognosen" (wie jene der Frühjahrsweisen oder ihrer windigen Brüder, den Herbstzeitlosen) nie stimmten? Geben Sie einem Schimpansen einen Dartpfeil in die Hand und lassen ihn auf eine Tafel werfen - er hätte größeres Trefferglück allein nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Warum also sollte man sich ausgerechnet im Abitur mit derlei Firlefanz befassen müssen?
2. Karl Valentin sagte es: "Vorhersagen sind schwierig - vor allem dann, wenn sie die Zukunft betreffen." Oder weniger pointiert formuliert: Wann hat der gequirlte Quark von Hochleistungsprofessoren in unkündbarer Stellung und tätig im Fantasie-Labor der Mietmäuler aus der Wirtschaftslobby derlei unreflektierten Eingang in den bayerischen Lehrplan gefunden? Wer teilt den Konsumenten solcher Statistiken aus dem Orkus der "Wissenschaft" fairerweise mit, dass die Ersteller derselben diesen gespielten Witz nicht etwa für Mindestlohn tun, sondern für ein Einkommen, von dem 80 Prozent der Abiturienten später nur träumen können? Und die nicht mal fürs Danebenliegen bestraft werden?
3. Sollten Kinder nicht zu mündigen Bürgern erzogen werden? Wo bleibt die kritische Hinterfragung? Bloß weil es aus dem Kultusministerium kommt? Dann zweifle ich das erst recht an. Sorry, sind Erfahrungswerte aus 50 Jahren Wohn-Haft in Bayern. Und jetzt ohne Flachs: Müssen wir Eltern das Aufklären abseits der Sexualkunde auch noch übernehmen?"
Nachtrag: Weder von Mutter noch Tochter habe ich seither wieder was gehört ...