Dunkle Wolken überm Paradies
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Freitag, 24. Juli 2020
Auf dem künftigen Campus liegen versteckt ein paar Gärten. Deren Besitzer machen sich Sorgen: Müssen sie bald ausziehen?
Der Biber ist der Chef im Garten. Er entscheidet, wann ein Apfelbaum gefällt und wo ein Loch gebuddelt wird, und er legt den Zugang zum Wasser fest. Birgit, August, Uschi und die anderen zweibeinigen Gartenbewohner sehen es gelassen. Machen könne man ja eh' nichts, sagen sie. Und der Biber gehöre halt dazu zu ihrem kleinen Stückchen Paradies.
Der Eingang zum Paradies ist nicht leicht zu finden. Birgit Kemmelmeier erwartet mich in der Nähe des ehemaligen Güterbahnhofs und führt mich über Schotterflächen, auf denen Nachtkerzen und Rainfarn blühen. Sie biegt ab auf einen schmalen Pfad durch mannshohes Gebüsch. So erreichen wir ihre kleine Gartenparzelle am Mühlkanal, der seit einiger Zeit wieder "Weißer Main" heißt, dort aber noch ein richtiger Kanal zwischen Mauern und Steilufern ist.
An der Böschung unübersehbare Spuren: "Da geht der Biber ins Wasser". Mitten im Garten ein Loch. Birgit Kemmelmeiers Sandkasten zu der Zeit, als erst ihre Oma und dann ihr Vater den Garten bewirtschaftet haben. Jetzt eingebrochen, weil der Biber darunter eine Höhle gegraben hat. Birgit Kemmelmeier hat die gefährliche Stelle mit einem rot-weißen Flatterband markiert. "Es ist halt so."
Stille genießen
Ein paar Meter daneben haben noch vor wenigen Wochen die Akeleien üppig geblüht. Eine Pfingstrose steht dort, blaublühender Rittersporn und ein noch winziger Apfelbaum, mit Drahtgitter umwunden in der Hoffnung, dass wenigsten hier der Biber die Zähne davon lässt. Auf einem Stuhl vor einer verwitterten Hütte sitzt Birgit Kemmelmeier oft, genießt - vor allem am Wochenende - die Stille, die nur von ein paar Zügen unterbrochen wird, die hin und wieder vorbei rattern.
Manchmal besucht sie ihre Nachbarn. August Heckmann hat seine Gartenparzelle vor gut zehn Jahren gepachtet. Nicht einmal neunzig Euro bezahlt er dafür. Im Jahr. Mit seiner Freundin Uschi Spindler verbringt er so viel Zeit wie möglich im Garten. Vor allem im Sommer ist es dort angenehmer als in der Wohnung in der Innenstadt.
Der Garten der beiden ist größer als der von Birgit Kemmelmeier, heller, bietet mehr Nutzfläche. Im Gewächshaus haben sie schon vor Wochen die ersten Gurken und Tomaten geerntet. Die Kirschenernte fiel heuer aus. "Alle madig", sagt Uschi Spindler.
Der große Apfelbaum, der immer so leckere Äpfel lieferte, ist mittlerweile Geschichte: Der Biber hat ihn zu Fall gebracht. Nun liegt das Gerippe am Boden. Die Gartenbesitzer haben Blumenampeln dran gehängt, nehmen ihrem pelzigen Mitbewohner seine Tat nicht übel.