Diese Flüchtlinge leben jetzt in Neuenmarkt
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Samstag, 17. November 2012
In den nächsten Monaten werden in vielen Gemeinden im Landkreis Kulmbach Flüchtlinge untergebracht. Die Regierung von Oberfranken hat das angeordnet, weil die Aufnahmeeinrichtung in Zirndorf überfüllt ist.
In der Wohnung, die Svitlana Abbas und ihre Kinder vor zwei Tagen bezogen haben, sind die Wände noch kahl, die Möblierung ist sparsam. Es wird einige Zeit dauern, bis daraus ein behagliches Heim wird. Aber die Ukrainerin ist froh, in Neuenmarkt untergekommen zu sein. Ihr Zuhause war in den letzten Tagen ein Zelt: In den kalten Nächten kein guter Platz, vor allem nicht für die beiden jüngeren Kinder.
Nun wohnt die Familie Abbas in Neuenmarkt in einer Wohnung, die dem Landkreis gehört. Vorübergehend. Ob sie bleiben dürfen, entscheiden die Behörden. Svitlana und ihre Kinder sind Flüchtlinge, aus der Ukraine nach Deutschland gekommen in der Hoffnung, hier Asyl zu erhalten.
Das Lager im mittelfränkischen Zirndorf, in dem eigentlich 500 Personen Platz haben und in dem auch die Familie Abbas zunächst ein Quartier gefunden hat, ist mit 800 Männern, Frauen und Kindern überlastet.
Landkreise wurden in die Pflicht genommen
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Oktober 2012 knapp 10.000 neue Flüchtlinge in Deutschland registriert. Das ist eine Steigerung um annähernd 150 Prozent. Wohin also mit den Menschen aus der Ukraine und dem Irak, aus Serbien, Mazedonien oder Syrien? Auch die Gemeinschaftsunterkünfte, in denen die Regierung bislang Flüchtlinge untergebracht hat, sind voll. Deswegen sind nun die Landkreise verpflichtet worden, Asylbewerber über die festgelegte Aufnahmequote hinaus aufzunehmen.
"Dezentral", so lautet die Vorgabe. Das heißt: Keine Massenunterkünfte in ehemaligen Hotels oder leer stehenden Schulhäusern. Sondern Wohnungen für eine Familie oder wenige Einzelpersonen, mal in dieser Gemeinde im Landkreis, mal in jener.
Durchschnittlich vier Asylbewerber je Woche muss der Landkreis Kulmbach aufnehmen, voraussichtlich bis Mitte Januar. Bis zu 40 Menschen sind also unterzubringen. Eine überschaubare Zahl ist das. Dennoch macht Landrat Klaus Peter Söllner das Thema zu Chefsache. Mit gutem Grund: Er weiß um die Diskussionen, die es andernorts schon um die Unterbringung von Flüchtlingen gegeben hat. Da wehren sich ganze Dörfer vehement gegen die Fremden, sprechen vor laufenden Fernsehkameras von einer "Gefahr".
Landrat wirbt um Verständnis
Das soll im Landkreis Kulmbach nicht geschehen, sagt der Landrat am Freitagvormittag bei einer Pressekonferenz und wirbt um Verständnis dafür, dass der Landkreis Zug um Zug in verschiedenen Gemeinden des Landkreises Flüchtlinge unterbringen wird, auch wenn er die offizielle Aufnahmequote längst erfüllt hat. So hat er sich vor wenigen Tagen auch schon in einem Schreiben an die Bürgermeister im Landkreis geäußert - und ist überrascht über die bislang durchweg positiven Reaktionen. Schon aus mehreren Gemeinden lägen Angebote vor, Flüchtlinge aufzunehmen. Mehr als zehn bis 15 Menschen sollen es in keinem Ort werden, verspricht er.
Isabella Burger vom Ausländeramt des Landkreises und die zuständige Abteilungsleiterin Kathrin Limmer sind derzeit noch damit beschäftigt, die Angebote - kommunale und private Wohnungen - zu prüfen. Kurzfristig zur Verfügung stehen sollen die Wohnungen. Als ideal werden Hotels, Gasthäuser und Pensionen genannt, weil hier Mobiliar, sanitäre Einrichtungen und Wäsche schon da sind.
Diese dezentralen Unterkünfte lässt sich der Staat etwas kosten: 25 Euro je Person und Tag gibt es für die Unterbringung, weitere 10 Euro, wenn der Vermieter auch für die Verpflegung sorgt. Die Regierung von Oberfranken geht ausdrücklich von einer befristeten Situation aus. In etwa einem Jahr, so schätzt Landrat Söllner, sollte der Bedarf wieder sinken.
Bis dahin werden vielleicht auch Svitlana Abbas und ihre Kinder wissen, ob sie als anerkannte Flüchtlinge bleiben dürfen und womöglich Neuenmarkt ihre neue Heimat wird.