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Die Verantwortung und die Ernte teilen


Autor: Dagmar Besand

Kulmbach, Donnerstag, 12. April 2018

Am Patersberg im Landkreis Kulmbach soll ab 2019 das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft gelebt werden. Die Idee hat schon viele Unterstützer gefunden.
Bettina und Wolfang Wänke in einem ihrer Gewächshäuser, wo die ersten Gemüsepflänzchen der Saison heranwachsen.  Fotos: Dagmar Besand


Sie sind Idealisten mit einer Vision: Wolfang Wänke und Bettina Kozik-Wänke, die 2011 die Patersberg-Gärtnerei gegründet haben, sowie das Landwirtepaar Christian und Teresa Jundt, die seit einem Jahr den Patersberghof bewirtschaften, möchten mit einigen engagierten Freunden in Veitlahm das erste solidarische Landwirtschaftsprojekt ("Solawi") im Landkreis auf die Beine stellen. Rund 30 Mitstreiter sind von der Idee begeistert und bereits in die Vorbereitungen eingebunden.


So funktioniert das Konzept

Solidarische Landwirtschaft - was ist das? Der Begriff steht für eine gemeinschaftlich getragene Landwirtschaft. Der Hof ernährt eine Gruppe von Menschen, die sich die mit der Produktion verbundene Verantwortung, das Risiko und letztlich auch die Ernte teilen. Die ganze Landwirtschaft wird finanziert, nicht das einzelne Lebensmittel. Dafür fallen Kosten für Vermarktung und Transport weg, und es werden keine Lebensmittel verschwendet, weil bedarfsgerecht produziert wird.
Eine romantisierende Träumerei? Keineswegs, sondern ein handfestes, solides Konzept, das sich realisieren lässt, wenn genügend Menschen es mittragen. Auch in Bayreuth und Bamberg gibt es bereits ähnliche Projekte.

"Die Solawi bietet die Chance, in der Ernährung autonomer zu werden und die Grundbedürfnisse aus einem Hof zu decken", sagt Jundt. "Man geht weg von der industriellen Agrarproduktion und zurück zu kleinbäuerlichen, vielfältigen Strukturen."

Die Gärtnerei am Patersberg betreibt auf einer Fläche von knapp zwei Hektar Gemüsebau, die Landwirte bewirtschaften 40 Hektar Fläche. 15 Kühe, die mit selbst angebautem Futter versorgt werden, liefern die Milch für die Käserei. Im Sommer werden zusätzlich einige Schweine gemästet - mit Getreide und Molke aus der Käseherstellung.


Ressourcen für 100 Anteile

Alles in allem könnten diese Ressourcen für etwa 100 Anteile einer Solawi-Gemeinschaft reichen. Einige Mitstreiter beschäftigen sich derzeit mit der Renovierung der Backstube, damit dort künftig wieder eigenes Brot gebacken werden kann.

"Starten möchten wir zu Beginn des Jahres 2019 zunächst mit 50 Anteilen, damit es übersichtlich bleibt. Wir werden dann erst einmal zweigleisig fahren und die andere Hälfte unserer Erzeugnisse wie bisher selbst und über unsere Partner-Bioläden vermarkten", so Wänke.

Und so sieht das Projekt in der praktischen Umsetzung aus: Die Mitglieder der Gemeinschaft verpflichten sich, jeweils für ein Wirtschaftsjahr monatlich einen festen Betrag an den Hof zu zahlen - auf der Grundlage der geschätzten Jahreskosten der landwirtschaftlichen Produktion. So haben die Erzeuger Planungssicherheit und ein gesichertes Einkommen. Sie müssen sich nicht am Markt orientieren, sondern produzieren für Menschen, die sie kennen. So haben sie die Freiheit, sich einem vielfältigen Anbau mit schonender Bodenbearbeitung und einer verantwortungsvollen Tierhaltung zu widmen, ohne sich sorgen zu müssen, ob der Ertrag ihrer Arbeit zum Leben reicht.

Im Gegenzug erhalten die Mitglieder der Gemeinschaft frische, saisonale Lebensmittel, von denen sie genau wissen, wie sie produziert wurden. Sie unterstützen eine regionale Lebensmittelversorgung und sichern Ackerland in der Region.

Und was kostet ein Anteil? Etwa 80 bis 100 Euro werden nötig sein, schätzt Christian Jundt. Doch es gibt keine festen Preise. Bei einer Bieterrunde schreibt jeder auf ein Stück Papier, was er zahlen kann und will. Danach wird ein entsprechender Vertrag gemacht. "Das ist der Kern des solidarischen Gedankens", erläutert Teresa Jundt. "Wer sich einen höheren Beitrag leisten kann, hilft damit denen, die nicht soviel aufbringen können." Auch Mitarbeit auf dem Hof und in der Gärtnerei sei im Rahmen der individuellen Möglichkeiten denkbar.


Eine neue Wertschätzung

Seit mehr als 20 Jahren ist Wolfgang Wänke Gärtner aus Leidenschaft. Das Solidarkonzept bringe allen Beteiligten nur Vorteile, meint er. "Es gibt den Verbrauchern die Chance, sich wieder mit der Landwirtschaft zu verbinden." Hier könnten Kinder und Erwachsene erleben, woher ihr Essen stammt, Kontakt zu Tieren, Pflanzen und der Erde aufbauen.

"Wichtig ist doch einfach, dass wir wieder zu mehr Wertschätzung für unsere Lebensmittel finden", sagt der 44-Jährige. "Es geht nicht darum, eine wöchentliche Gemüsekiste zu verkaufen, sondern als Gemeinschaft einen Beitrag zu leisten, dass diese Form der Landwirtschaft erhalten werden kann."


Infos und Kontakt


Treffen Die an der Solawi-Gemeinschaft Interessierten treffen sich jeden dritten Mittwoch im Monat um 20 Uhr im Adam-Schneider-Saal in Veitlahm.

Kontakt Interessierte können sich für nähere Infos jederzeit an die Familien Jundt und Wänke wenden; E-Mail:
info@patersberghof.de