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Die Rothmühle ist 450 Jahre alt


Autor: Christian Schuberth

, Mittwoch, 29. August 2012

Welch ein Anblick! Das Eichen-Zierfachwerk der Rothmühle in Weißenbrunn ist eine wahre Pracht. Jahrzehntelang unter Ziegeldraht und Betonzement verborgen, wurde es von seiner falschen Last befreit. Und nach einer aufwändigen Sanierung strahlen die Fassaden des ältesten Gebäudes von Weißenbrunn jetzt in neuem Glanz.
Viele kräftige Hände mussten  anpacken, um diesen mächtigen Tannen-Unterzug beim Bau der Rothmühle einzubauen. Michael Bohl erklärt, dass der Baum für den Balken  1557 geschlagen wurde.


"Genauso, wie die Mühle nach ihrer Erbauung vor 450 Jahren ausgesehen haben mag", sagt der Restaurator Uwe Franke. Die Fertigstellung der Gebäudehülle wird nun am Sonntag, 2. September, groß gefeiert.
Wir schreiben das Jahr 1557. Lucas Cranach der Ältere, einer der bedeutensten Renaissance-Künstler, ist erst vor vier Jahren in Wittenberg als 78-jähriger Greis gestorben. Nur wenige Kilometer vor den Toren seiner Heimatstadt Kronachs entsteht derweil ein anderes Werk, das ebenfalls die Jahrhunderte überdauern wird. In Weißenbrunn plant das Hochstift Bamberg den Bau eines neuen Mühlengebäudes. Deshalb lassen die Kirchenleute 1557 eine uralte, mächtige Tanne fällen, die die Hauptlast der oberen Geschosse tragen muss. 1562 werden die letzten Bäume geschlagen. Sie braucht man für die Dachkonstruktion. Bis zur Fertigstellung der neuen Rothmühle ist es jetzt nicht mehr weit.

Das älteste Gebäude im Ort

Nur wenige Gebäude wie die Rothmühle haben in Franken das Glück, den Dreißigjährigen Krieg Anfang des 17. Jahrhunderts unversehrt zu überstehen. Im Bierbrauerdorf Weißenbrunn ist sie wohl die letzte aus dieser Zeit. Selbst etliche Um- und Anbauten - die gravierendsten geschahen 1820/21 und Anfang des 20. Jahrhunderts - können dem Bauwerk in der Grüner Straße 7 nicht wirklich etwas anhaben - der soliden Bauweise aus dickem Sand- und Bruchsteinmauerwerk sei Dank. Bis 1976 wird in der Mühle noch Mehl gemahlen, vier Monate später stirbt der letzte Rothmüller.
Die Um- und Anbauten an der Rothmühle führen aber die Denkmalschützer hinters Licht. Sie datieren das Gebäude ins 17. oder 18. Jahrhundert. Ihr wahres Alter entpuppt sich erst bei der Untersuchung des Unterzuges im Mühlengebäude - es ist die Tanne, die 1557 gefällt wurde. "Das Alter und der historische Wert der Rothmühle wurden weit unterschätzt", sagt Uwe Franke heute. "Er ist der entscheidende Mann für die Sanierung", lobt Gerda Bohl den Restaurator aus Wernstein, ein absoluter Experte für historische Putze und Malerarbeiten.
Gerda Bohl erbt das Einzeldenkmal Rothmühle 1994, als die letzte Besitzerin, Luise Krauß, stirbt. Die 91-Jährige verfügt in ihrem Testament, das Erbe ihrer Ahnen zu erhalten. Und Gerda Bohl erfüllt ihr den Wunsch. Luise Krauß würde das Gebäude heute wohl nicht wiedererkennen. Doch sie wäre sicher begeistert vom eingangs geschilderten Anblick.
Die Familie Bohl hat über die Jahre viel Idealismus, Zeit und Geld - es gab auch Zuschüsse von der Bayerischen Landesstiftung, der Oberfrankenstiftung und der Gemeinde - in die Rothmühle gesteckt. In Eigenleistung haben die Bohls zum Beispiel den kaum Wasser durchlassenden und deshalb für die Bausubstanz schädlichen Betonzementputz abgeklopft. Zum Vorschein kam das herrliche Zierfachwerk. Zimmerleute der Schimmendorfer Firma Kögel tauschten kaputte Balken aus, Uwe Franke und seine Mitarbeiter verpassten den Ständern und Riegeln einen neuen, verträglichen Leinölanstrich. Die Gefache und die Fassade des Erdgeschosses bekamen einen neuen Kalkputz - natürlich nach altem Vorbild. Nun erstrahlen die Giebelseiten in einem rötlichen Ton, der auf Erdfarben basiert. An den Traufseiten wurde der Putz von den Sandsteinen entfernt - "das war nämlich ursprünglich ein Sichtmauerwerk", erklärt Uwe Franke.

Die Frage der Nutzung

Auch im Inneren geht es voran - wenngleich hier noch viel Arbeit wartet. Fast fertig ist die alte Wohnstube, deren Prunkstück die alte und von Schreinermeister Gerhard Bohl selbst ausgebesserte Bohlenbalkendecke ist. "Sie hat fast keine Würmer", sagt er. Und seine Frau freut sich über "das klasse Raumklima".
Ihr Sohn Michael Bohl hat den Mühlgraben verrohrt und die Turbine aus dem Jahr 1954 restauriert. "Ein Kilowatt kann ich mit ihr pro Stunde erzeugen", sagt er. Der Strom aus eigener Produktion wird einmal gemeinsam mit Holzöfen die Mühle beheizen, 8000 Stunden im Jahr soll die Turbine laufen - wenn der Schottermühlbach genügend Wasser führt. Noch nicht ganz einig ist man sich in der Familie Bohl, wie die einzelnen Räume genutzt werden. Mutter Gerda schwebt weiterhin ein Cafe als Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft vor, Sohn Michael kann sich Fremdenzimmer im Obergeschoss vorstellen. Übers Knie brechen wollen sie zum Glück nichts. Brauchen sie auch nicht, denn die 450 Jahre alte Rothmühle hat nach der fachmännischen Außensanierung erst einmal wieder alle Zeit der Welt.