Druckartikel: Die Liebe zum Bargeld schwindet

Die Liebe zum Bargeld schwindet


Autor: Christine Fischer

Kulmbach, Mittwoch, 01. Juli 2020

Das kontaktlose Bezahlen mit der Girokarte wurde während der Corona-Pandemie zu einer beliebten Alternative zu Scheinen und Münzen.
Ahmad Kara Ballali zückt beim Einkauf nach der Arbeit ganz selbstverständlich die Karte: er ist einer derjenigen, der am liebsten mit der Bankkarte bezahlt, weil es praktisch und ungefährlich ist. Foto: Sonny Adam


Discounter Aldi in Kulmbach zur Mittagszeit: Es herrscht reger Betrieb. Die Menschen stehen Schlange an der Kasse. "23,25 Euro", sagt die Kassiererin zu Matthias Münch. Der hält seine Uhr an das Bezahlterminal und freut sich, wie schnell er fertig ist. "Klar zahle ich mit meiner Uhr", sagt Münch - in 90 Prozent aller Fälle nutzt er Apple-Pay. Denn das sei einfach, und man habe immer alles dabei. Nur die Uhr an das Terminal halten. Fertig.

Der nächste in der Reihe ist Ahmad Kara Ballali. Er ist gerade mit der Arbeit fertig, kauft schnell ein, und dann geht es nach Hause. Auch er zahlt mit Karte. "Das ist viel praktischer. Ich möchte nicht immer Geld dabeihaben. Das ist doch auch gefährlich", findet er.

Die Sparkasse Kulmbach-Kronach verzeichnet einen eindeutigen Trend zum bargeldlosen Bezahlen. Schon seit 2012 steigt die Beliebtheit, teilt Pressesprecherin Daniela Krüger mit. Bei 1,5 Millionen Zahlungsvorgängen wurde 822 400 Mal mit der Karten bezahlt und nur 754 800 Mal in bar. "Aufgrund der aktuellen Corona-Krise hat das bargeldlose Bezahlen noch mehr an Bedeutung gewonnen. In den Supermärkten ist diese Variante gern gesehen und wird oftmals aktiv eingefordert", so Krüger.

Dies bestätigen auch mehrere Kulmbacher Einkaufsmärkte. Sie möchten allerdings nicht namentlich genannt werden. Die bargeldlosen Bezahlvarianten helfen zudem, Kassendefizite gar nicht erst entstehen zu lassen, betonten die Kassiererinnen.

Die Märkte haben in den letzten Wochen auch die Möglichkeiten, kontaktlos zu bezahlen, ausgebaut: einfach die Karte oder das Smartphone kurz an das Bezahlterminal halten - schon ist die Zahlung erfolgt. Möglich macht dies die sogenannte "Ne ar Field Communication", kurz NFC.

Während der Corona-Pandemie erreichten die kontaktlosen Zahlungen deutschlandweit einen Rekordwert. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband teilt mit, dass im März insgesamt 206 Millionen Girocard-Transaktionen durchgeführt worden waren. Davon waren über die Hälfte - 52,2 Prozent - kontaktlos.

"Das System ist sicher"

Die Erfahrung, dass die Nutzung des kontaktlosen Bezahlens in der Corona-Zeit gestiegen ist, hat man auch bei der VR-Bank Oberfranken Mitte gemacht, wie Konrad Herold, Bereichsleiter für IT und Services, bestätigt. So habe es verstärkt entsprechende Nachfragen bei den Beratern gegeben, und viele Kunden hätten sich das System mit dem NFC-Chip, den sie zwar schon länger auf ihrer Karte hatten, aber noch nie genutzt hatten, erklären lassen. Die Zahlung durch reines Auflegen, die inzwischen flächendeckend eingeführt sei, sei einfach bequemer und auch hygienischer.

"Ich selbst zahle, wenn es möglich ist, immer kontaktlos", sagt der Experte, der auch mögliche Sicherheitsbedenken zerstreut. "Die Praxis hat bewiesen, dass das System sicher ist. Ich kenne keinen einzigen Betrugsfall über einen NFC-Chip, seit das System vor circa vier Jahren eingeführt wurde." Vor dem Auslesen des Chips durch Fremde brauche man keine Angst zu haben, so Konrad Herold. Außerdem: "Wie ich zahle, entscheide ich ja weiterhin selbst." So müsse man die NFC-Technik ja nicht nutzen (der Chip lässt sich sogar deaktivieren) und könne die Karte weiterhin ins Bezahlterminal stecken.

Die Kartenzahlung ist allerdings nicht bei allen Verbrauchern beliebt. Kristina Sobotta hat für ihre Familie eingekauft und räumt vor dem Supermarkt die Waren ins Auto. "Ich zahle eigentlich nie mit Karte. Ich finde, man verliert den Überblick", sagt sie.

Auch Julia Schwab kann dem bargeldlosen Bezahlen nichts abgewinnen. "Ich habe mein Einkaufs- und Bezahlverhalten nicht geändert. Ich zahle - wie schon vor der Coronakrise - in bar. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das ändern werde", sagt Schwab.

Kontaktlos bezahlen: So funktioniert's und das ist zu beachten Woher weiß ich, ob ich mit meiner Karte kontaktlos bezahlen kann? Kontaktloses Bezahlen ist mit allen Girokarten (früher EC) und Kreditkarten möglich, die einen NFC-Chip haben. Diese drahtlose Übertragungstechnik funktioniert auf Distanzen unter vier Zentimetern. Der NFC-Chip sieht aus wie ein kleines Wellensymbol, ähnlich wie ein WLAN-Zeichen, und ist auf der Vorder- oder Rückseite der Karte aufgedruckt. "Aus Sicherheitsgründen wird die Kontaktlos-Funktion erst aktiviert, wenn man seine neue Girocard zum ersten Mal in ein Bezahlterminal oder einen Geldautomaten steckt und die Pin-Eingabe nutzt", erklärt Margit Schneider vom Internetportal Kartensicherheit.de. Was bringt das kontaktlose Bezahlen? Man hat sein digitales Bargeld genauso nah bei sich wie den Geldbeutel. Der Bezahlvorgang verläuft gerade bei kleineren Beträgen ohne Pin-Eingabe schnell, bequem und hygienisch, da man die Karte nicht aus der Hand geben muss. Das verkürzt die Wartezeit und schützt die Mitarbeiter an der Kasse. Die Kartendaten können nicht im Vorbeigehen von Betrügern ausgelesen werden. Wie funktioniert das kontaktlose Bezahlen? Die Karte wird mit dem Nahfeld-Chip an das Bezahlterminal gehalten, und schon wird der Betrag abgebucht. Das System funktioniert derzeit an etwa 88 Prozent der Girocard-Terminals.

Welche Beträge kann man kontaktlos bezahlen? Seit dem 15. April kann man mit einem erhöhten Limit von 50 Euro pro Einkauf in vielen Geschäften ohne Pin-Eingabe mit der Girocard kontaktlos bezahlen. Da die Umstellung noch nicht flächendeckend erfolgt ist, besteht bei einigen Händlern die Begrenzung auf 25 Euro. Grundsätzlich soll damit verhindert werden, dass Diebe mit einer gestohlenen Karte unbegrenzt einkaufen können. Warum muss manchmal trotzdem eine Pin eingegeben werden? Individuelle Vorgaben des Kartenherausgebers begrenzen entweder die Summe auf maximal 150 Euro oder die Anzahl der Bezahlvorgänge auf maximal fünf. Das Hintergrundsystem der Bank fordert dann den Bezahlvorgang mit Stecken der Karte und Pin-Eingabe. Ist kontaktloses Bezahlen mit der Girocard sicher?

Die für eine Zahlungstransaktion nötigen Daten werden zwischen Terminal und Karte bei sehr geringem Abstand übertragen. Beim Bezahlen ist nur eine Transaktion zur selben Zeit an einem Kassengerät möglich, die vom Verkäufer aktiv ausgelöst wird. Das verhindert unbeabsichtigte oder Mehrfachzahlungen. Jeder Händler braucht ein zugelassenes Terminal und muss sich vorher dafür legitimieren. Die Verbraucherzentrale Bayern weist auf folgenden Nachteil hin: Wird die Karte gestohlen, können Diebe genauso einfach auf das Geld zugreifen wie auf das Bargeldfach des gestohlenen Portemonnaies. Deshalb muss die Karte bei Verlust sofort gesperrt werden.

Wie funktioniert das kontaktlose Bezahlen mit Smartphone oder Smartwatch? Dazu braucht man ein NFC-fähiges Gerät, entscheidet sich für eine App und richtet ein Bezahlverfahren ein. Die Abrechnung läuft über bestehende Kreditkartenkonten oder die Girocard wird als digitale Version in der Bezahl-App hinterlegt. Kunden müssen bei ihrer Bank klären, ob diese die gewünschte App unterstützt. Welche Bezahlverfahren gibt es für Smart-Geräte? Die Bezahl-App bestimmt, wie der Bezahlvorgang abläuft. Die Stiftung Warentest listet folgende Optionen auf: Mit NFC-Schnittstelle (Apple Pay, Google Pay) wird das Gerät nahe an das Terminal gehalten und der Betrag abgebucht. Zweite Version: Mit NFC und Karten-PIN (Apps von beispielsweise Sparkassen und Deutsche Bank), wird die App oder das Gerät entsichert und vor das Terminal gehalten. Ab einem bestimmten Betrag wird die Karten-Pin abgefragt. Die dritte Möglichkeit sind Einmal-Pin, wie sie unter anderem bei Netto und Edeka angeboten werden. Fürs Bezahlen wird in den jeweiligen Apps eine Nummer erzeugt, die an der Kasse genannt oder übertragen wird. Eine vierte Option sind QR- oder Strichcodes, die Unternehmen wie Payback oder Bluecode in ihren Apps erstellen. Die Codes erscheinen auf dem Display des Smart-Geräts, das dann zum Bezahlen an das Kassenterminal gehalten wird. Wer haftet bei Schäden?

Eine Zahlung ist nur rechtmäßig, wenn sie aktiv und willentlich autorisiert wird. Wer seinen Sorgfaltspflichten im Umgang mit Karte und Pin nachkommt, ist durch sein Kreditinstitut geschützt. Bei missbräuchlichen kontaktlosen Zahlungen haftet das kartenausgebende Kreditinstitut.