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Die Kunst, sich in Luft aufzulösen


Autor: Katrin Geyer

Kulmbach, Montag, 03. Juli 2017

Manchmal wird es eng auf der Autobahn. Mancher hätte dann gerne trotzdem die Straße für sich alleine.
Symbolfoto:Matthias Balk/dpa


Lieber Fahrer des dunklen Porsche Cayenne, wir sind uns dieser Tage auf der A 70 begegnet. Ich hatte lange gearbeitet und wollte nur noch eins: nach Hause! Dir ging es wohl ähnlich. Jedenfalls bist du nach einer langgezogenen Kurve wie aus dem Nichts plötzlich hinter mir aufgetaucht und, einer toll gewordenen Wildsau nicht unähnlich, auf mich und meinen Clio zugerast. Zentimeterknapp hast Du Dich an meine Stoßstange geheftet und mir mit dem Dauerfeuer Deiner Lichthupe eine unmissverständliche Botschaft geschickt: Geh! Da! Weg!

Leider war das nicht so einfach. Links von mir war die Leitplanke, rechts ein großer Sattelzug, und bis ich endlich wieder auf die rechte Fahrspur einscheren konnte, dauerte es Dir viel zu lange. Anders kann ich mir Dein Gestikulieren nicht erklären, als Du an mir vorbeizogst.

Lieber Porsche-Fahrer, ich hoffe, Du bist wohlbehalten heimgekommen und hast die eineinhalb zusätzlichen Feierabend-Minuten, die Du Dir erkämpft hast, genießen können. Sollte Dir in nächster Zeit bei Deiner Hatz über die Autobahn tatsächlich ein Autofahrer unterkommen, der die Kunst beherrscht, sich auf ein Signal von Dir hin einfach so in Luft aufzulösen, dann gib mir bitte Bescheid. Ich verspreche Dir: Ich lerne das auch. Dann ist unsere nächste Begegnung vielleicht weniger emotional für Dich. Bis dahin: Gute Fahrt!