Druckartikel: Die jungen Ärztinnen übernehmen

Die jungen Ärztinnen übernehmen


Autor: Dagmar Besand

Kulmbach, Dienstag, 04. Januar 2022

Die gynäkologische Praxis Roßberg bleibt in der Familie. Es ist ein Generationswechsel mit sanftem Übergang - und großen Herausforderungen.
Hanna und Bernd Roßberg sagen Ade: Tochter Maxi Roßberg (links) und ihre Kollegin Nina Hüttner haben zum Jahreswechsel die Frauenarztpraxis in der Wilhelm-Meußdoerffer-Straße übernommen.


Als Hanna und Bernd Roßberg 1993 gemeinsam ihre gynäkologische Praxis in Kulmbach eröffneten, war die junge Ärztin die einzige Frau unter den Kulmbacher Frauenärzten, heute ist ihr Mann der letzte Mann unter den niedergelassenen Gynäkologen. Nach 29 Jahren geht das Paar in Ruhestand, doch die Patienten müssen sich keine Sorgen machen: Die Praxis bleibt bestehen und in der Familie. Tochter Maxi Roßberg und ihre Kollegin Nina Hüttner haben sie zum Jahreswechsel übernommen.

Der Generationswechsel ist ein sanfter Übergang und gut geplant. Nina Hüttner (36) arbeitet schon seit Mai 2017 in der Praxis. Maxi Roßberg (34) wechselte 2018 ins Team der Eltern. Stück für Stück haben die jungen Ärztinnen die Regie übernommen, vor zwei Jahren wurden sie Miteigentümerinnen, seit 1. Januar gehört ihnen die Praxis nun ganz. Die Jungen haben die Verantwortung, die Älteren können beruhigt zurücktreten.

Von "den Älteren" zu sprechen, fällt beim Ehepaar Roßberg allerdings schwer. Man kennt sie als sehr aktiv und sportlich, die bald 65 Lebensjahre möchte man keinem von beiden glauben. Doch sie treten schon seit einer Weile kürzer, teilen sich einen Arztsitz, seit ihre Nachfolgerinnen den Löwenanteil der Praxisarbeit übernommen haben. Hanna und Bernd Roßberg arbeiten noch bis März mit und verabschieden sich dann in den Ruhestand und einen langen Urlaub. Ein Vierteljahr am Stück möchte das Paar in Kreta verbringen, ihrem Lieblingsurlaubsziel, in dem sie sich vor Jahren ein zweites Zuhause zugelegt haben.

Der Traum von der eigenen Praxis

Als Ehepaar gemeinsam eine Praxis zu führen, das war der große Wunschtraum der Roßbergs, die sich im Studium in Erlangen kennenlernten. Für dieses Ziel wechselte Bernd Roßberg von seinem ursprünglichen Fach, der Chirurgie, in die Gynäkologie. Nach einigen Jahren Klinik-Erfahrung suchte das Paar nach geeigneten Praxis-Räumen und entdeckte in einer Zeitungsanzeige das perfekte Domizil: die Räume in der 1904 gebauten Villa, die der Familie Meußdoerffer gehörte. "Wir waren sofort begeistert. Das war perfekt, und wir arbeiten heute noch sehr gerne hier." Als sich die Gelegenheit ergab, bezogen die Roßbergs mit ihren beiden kleinen Kindern eine über der Praxis liegende Wohnung. "Familie und Beruf gut miteinander zu vereinbaren, wurde dadurch viel einfacher."

Vom Start weg war die Praxis erfolgreich. Dass mit Hanna Roßberg auch eine Frauenärztin da war, kam bei vielen Kulmbacherinnen gut an. "Wir hatten beide gut zu tun. Es war die Zeit, als Ärzte auf ausreichend Patienten hofften. Heute ist es umgekehrt: Viele Patienten tun sich schwer, einen Arzt zu finden, der sie noch aufnehmen kann."

Viele Behandlungen, die heute nur noch in Kliniken und spezialisierten Zentren angeboten werden, haben die Roßbergs damals selbst durchgeführt. Bernd Roßberg mit seiner chirurgischen Erfahrung hat ambulant operiert. "Wir haben in der ersten Zeit auch Kinderwunschbehandlungen durchgeführt, Inseminationen vorgenommen", erinnert sich Hanna Roßberg. Wirtschaftlich gerechnet hat sich all das jedoch nicht. "Wir bekommen dafür viel weniger bezahlt als die Kliniken." Dasselbe gilt für Laborarbeiten. "Ich habe das lange selbst gemacht. Wenn man schnelle Ergebnisse braucht, ist es ein großer Vorteil, die Proben nicht wegschicken zu müssen." Inzwischen sei das mit den notwendigen Qualitätskontrollen allerdings zu aufwendig.

Bernd Roßberg sieht die Entwicklung in seinem Fachbereich kritisch. "Die Gynäkologie wurde von allen Seiten angegriffen. Man hat uns immer mehr Zuständigkeiten weggenommen." Für niedergelassene Ärzte sei vieles schwieriger geworden.

Maxi Roßberg und Nina Hüttner entschieden sich trotzdem für diesen Weg, nicht zuletzt deshalb, weil die eigene Praxis zwar viel Verantwortung, aber auch ein gewisses Maß an Freiheit und planbarer freier Zeit mit sich bringt. Das ist der zweifachen Mutter Nina Hüttner ebenso wichtig wie der ambitionierten Sportlerin Maxi Roßberg. "In der Klinik muss man sich den Dienstplänen unterordnen, hier können wir unsere Arbeit selbst einteilen."

Mit den Eltern in einer Praxis zu arbeiten - wie gut klappt das? "Tatsächlich sehr gut", sagt Maxi Roßberg. "Wir haben wenig Streitpunkte und arbeiten prima zusammen." Obendrein ist die 34-Jährige glücklich, dass sich ihr Vater in der Übergangsphase intensiv um die Weiterbildung der Nachfolgerinnen gekümmert hat. "Das hat uns sehr geholfen." Hanna und Bernd Roßberg sind zufrieden: "Sie machen es anders, aber sie machen es sehr gut."

Verstärkung ab April

Geplant ist, dass die beiden Ärztinnen ab 1. April eine weitere Kollegin bekommen. Maria Feiler, die bereits mit Maxi Roßberg am Klinikum zusammengearbeitet hat und derzeit noch am MVZ in Helmbrechts tätig ist, soll das Team verstärken. Die Praxis bewirbt sich dafür um den Arztsitz, den sich derzeit noch die Eltern Roßberg teilen.

Das Schöne an ihrem Beruf? Für Maxi Roßberg und Nina Hüttner sind das vor allem die Kontakte zu den Menschen, die zu ihnen kommen und die Arbeit in einem eingespielten Praxis-Team. "Wir begleiten unsere Patientinnen über einen langen Zeitraum und kennen sie gut", sagt Nina Hüttner.

Diese Beziehungen werden auch Hanna und Bernd Roßberg ein wenig vermissen, wenn sie sich im März endgültig verabschieden: "Wir haben viele Kinder in die Welt begleitet und Jahre später dann deren Kinder", sagt Hanna Roßberg. "Das ist wie ein Fortsetzungsroman. Wir haben einen der schönsten Berufe, die es gibt!"

Aufnahmestopp in den Praxen

Wie sieht es künftig mit der frauenärztlichen Versorgung in Kulmbach aus? Aktuell nehmen die niedergelassenen Gynäkologinnen kaum neue Patientinnen auf, weil ihre Kapazitäten ausgelastet sind. Auch in der Praxis Roßberg ist derzeit Aufnahmestopp: "Alle Patientinnen die jetzt bei uns sind, sollen bleiben können, sagt Maxi Roßberg." Das sind immerhin 10.000 Frauen, auch von außerhalb des Landkreises. Manche brauchen nur einmal im Jahr einen Termin, manche auch mehrfach.

"Wir betreuen pro Quartal 3000 bis 35000 Patientinnen, davon 500 Schwangere. Mehr schaffen wir nicht. Wir hoffen aber, dass wir ab Sommer, wenn wir zu dritt sind und sich alles eingespielt hat, wieder neue Patientinnen annehmen können."

Dafür, dass freie Frauenarzt-Termine in Kulmbach derzeit allgemein schwer zu bekommen, gibt es eine Erklärung. Zum einen wurde vor ein paar Jahren ein Frauenarzt-Sitz, für den es keine Nachfolge gab, ans Klinikum übertragen. Dieser wird zwar dort auch genutzt, steht aber in der Grundversorgung und in der Schwangerenbetreuung nicht mehr zur Verfügung, so Maxi Roßberg. Zum anderen arbeiten die niedergelassenen Ärztinnen überwiegend in Teilzeit.