Die Frau hinter der Heiligen
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Samstag, 16. März 2013
War sie wirklich eine Heilige? Bei einer Lesung in der Spitalkirche präsentiert Sabine Weigand bemerkenswerte Details aus dem Leben der Elisabeth von Thüringen. Ihr hat sie ihr Buch "Die Tore des Himmels" gewidmet.
War sie wirklich eine Heilige? Oder doch eher eine bedauernswerte Frau, entwurzelt, einsam, von einem demagogischen Seelenführer missbraucht, krank an Seele und Körper? Das Bild, das die Autorin Sabine Weigand in ihrem Buch "Die Tore des Himmels" von Elisabeth von Thüringen zeichnet, unterscheidet sich in manchem von dem, was über die junge Landgräfin in den Geschichtsbüchern steht.
Ein Geschichtsbuch ist zwar auch Weigands Roman: Gründlich recherchiert, akribisch aufgearbeitet - die promovierte Historikern hat lange die Quellen studiert. Aber sie hat auch viele Fakten mit ein wenig Fiktion vermischt, und damit ein Buch geschrieben, wie man es von ihr kennt: Packend, anrührend und vor allem unterhaltsam.
Unterhaltsam sind auch die Veranstaltungen mit Sabine Weigand. Bei denen wird, anders als es der Name "Lesung" vermuten lässt, nicht gar so viel gelesen. Dafür aber viel erzählt. Kundig, plastisch und nicht ohne Sinn für eine Prise Komik schildert Sabine Weigand die Welt, in der Elisabeth, die ungarische Königstochter, verlobt noch als Kleinkind, am Hof des Landgrafen von Thüringen aufwächst: Höfischer Prunk auf der einen, wachsende Verelendung der Landbevölkerung auf der anderen Seite, Aberglaube, Minnesang - und als Reaktion auf das nicht immer gottgemäße Leben der Vertreter der Kirche religiöse Gegenbewegungen: Die Katharer formieren sich in dieser Zeit, und Franz von Assisi wird zum Pop-Star.
Die junge Elisabeth, fromm von Kind auf, kann sich dem nicht entziehen. Sabine Weigand zweifelt daran, dass die Königstochter wirklich die Heldin und Rebellin war, als die sie in der Literatur oft dargestellt wird. Dafür habe ihr, so mutmaßt sie nach ihren intensiven Forschungen, wohl die intellektuelle Stärke gefehlt, wie sie beispielsweise einer Hildegard von Bingen zu eigen war: "Die hat mit Kirchenführern und Herrschern korrespondiert, hat wissenschaftlich gearbeitet." Von Elisabeth hingegen sei kein einziger schriftlicher Satz überliefert - obwohl sie, wie es dem adeligen Bildungsideal der Zeit entsprach, durchaus habe lesen und schreiben können.
Viele kleine Fundstellen in den Quellen lassen die Autorin stattdessen vermuten, dass Elisabeth ein eher schlichtes Gemüt war. Nach dem Tod ihres Mannes wohl ein williges Opfer und Werkzeug für einen wie Konrad von Marburg, den bei seinen Zeitgenossen berühmten und vor allem berüchtigten Ketzer-Richter. Religiöser Wahn, eine daraus resultierende Magersucht und ein übersteigertes Helfer-Syndrom resultieren nach Weigands Überzeugung aus Konrads unseligem Einfluss - und letztlich auch der frühe Tod mit nur 24 Jahren, dem nur wenig später die Heiligsprechung folgt.
Es ist ein durchaus kritischer Blick, den Sabine Weigand vor den Zuhörern in der Spitalkirche auf Elisabeth wirft. Keiner freilich, der sie demontiert. Vielmehr einer, der einmal mehr belegt: Geschichte muss keine trockene Angelegenheit sein, sie muss sich nicht auf die Aneinanderreihung von Zahlen und Kriegen beschränken. Geschichte kann sehr viel Spaß machen.
Die Autorin Sabine Weigand über ihre Romanfigur Elisabeth von Thüringen by Infranken.de
Elisabeth von Thüringen Landgräfin Elisabeth von Thüringen (* 7. Juli 1207 auf Burg Sárospatak in Ungarn; † 17. November 1231 in Marburg an der Lahn), auch Elisabeth von Ungarn genannt, ist eine Heilige der Katholischen Kirche.
Die Tochter des ungarischen Königs Andreas II. (* 1177; † 1235) und der Gertrud von Andechs wurde schon als Neugeborene mit einem Sohn des einflussreichen Landgrafen Hermann I. von Thüringen verlobt und bereits als Vierjährige an den thüringischen Hof gebracht, um in der Familie ihres zukünftigen Ehemannes aufzuwachsen. Schon bald fiel Elisabeth durch große Frömmigkeit und caritativen Einsatz auf. Nach dem Tod ihres Ehemannes kehrte sie dem Hofleben den Rücken, um als einfache und materiell arme Spitalschwester in dem von ihr gegründeten Marburger Hospital persönlich für Bedürftige zu sorgen. Sie starb im Alter von 24 Jahren. Vier Jahre nach ihrem Tod wurde sie von Papst Gregor IX. zu Pfingsten 1235 heiliggesprochen.
Die Autorin Sabine Weigand wurde 1961 in Nürnberg geboren. Nach dem Studium der Fächer Anglistik, Amerikanistik und Geschichte promovierte sie 1992 in Bayerischer Landesgeschichte an der Universität Bayreuth. Thema ihrer Dissertation war die Plassenburg. Sabine Weigand, die heute als Ausstellungsplanerin arbeitet, wurde durch ihre historischen Romane bekannt, etwa "Die Markgräfin" (Schauplatz: Die Plassenburg), "Die Königsdame" oder "Seelen im Feuer". Sie lebt in Schwabach.
Das neue Buch "Die Tore des Himmels". Historischer Roman. Verlag Fischer Krüger, 19,90 Euro.
Veranstalter Veranstaltet wurde die Lesung von der Stadt Kulmbach in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Oberfranken im Rahmen der Reihe "Wortspiele".