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Die Europäische Union der stillen Örtchen


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Montag, 13. Juli 2015

Online-Freiwilligenarbeit soll die Zukunft sein. Aber was machen die da?
Das stille Örtchen am Kulmbacher Bahnhof ist sicher bald in einer europaweiten Datenbank zu finden. Foto: privat


Haben Sie das Burggeflüster unseres Kollegen Dietmar Hofmann gelesen? Er ist gewöhnlich ein sehr gelassener Bursche. Dass ihm bei der verbreiteten Einstellung, nach Parkremplern das Weite zu suchen, der heilige Zorn überkommt: Wer will es ihm verdenken?

Dafür ist unser Thema etwas weniger ernst - rausgefischt aus dem Tsunami der täglichen Nachrichten: "Sofa-Freiwillige melden Toiletten", schreibt die Organisation Volunation, die sich selbst als Spezialist für weltweite Freiwilligenarbeit bezeichnet.

Wir hatten immer gedacht, dass Freiwillige in Afrika Brunnen bauen, in Südamerika Waisenkinder betreuen oder in Thailand Elefanten retten. Denkste! Hier sitzen die Freiwilligen daheim am Computer und melden von ihrem Sofa aus öffentliche Toiletten, die sie vorher beim Ausflug in der Fränkischen Schweiz oder bei der Wanderung im Frankenwald entdeckt haben. Die Angaben landen in einer europaweiten WC-Datenbank, wo sie in dringenden Fällen mit dem Handy abgerufen werden können.

Online-Freiwilligenarbeit ist angeblich die Zukunft. Ob davon Kinder satt werden, gefährdeten Tieren geholfen wird oder Kulturgüter vor dem Verfall bewahrt werden, wagen wir zu bezweifeln. Aber immerhin wissen wir dann vorher schon, ob es am Nordkap, in Gibraltar oder auf dem Mount Blanc - wo wir wahrscheinlich nie hinkommen werden - ein Klo gibt.

Es lebe die Europäische Union der stillen Örtchen.