Diskussionen um Glyphosat nehmen kein Ende
Autor: Sonny Adam
Kulmbach, Mittwoch, 09. März 2016
Das EU-Parlament hat die Entscheidung darüber, ob Glyphosat auch nach dem 30. Juni eine Zulassung bekommt, vertagt. Ein Unding, finden die Landwirte.
Wenn Landwirt Wilfried Löwinger, der zugleich auch Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes ist, das Wort Glyphosat nur hört, regt ihn das ein bisschen auf. "Wenn ich zum Beispiel höre, dass Glyphosat im Bier ist, aber in einer Dosierung, dass man 1000 Liter Bier pro Tag trinken müsste, bis man die Grenzwerte, die derzeit als unbedenklich eingestuft werden, überhaupt erreicht, dann kann ich nur sagen, dass dann die Chance, an einer Alkoholvergiftung zu sterben, wesentlich höher ist als durch das Glyphosat", so Löwinger. Die Diskussion um den Wirkstoff Glyphosat ist - nach der Meinung des Kreisobmanns des Bayerischen Bauernverbandes - längst aus dem Ruder gelaufen.
Zur Queckenbekämpfung
Im Landkreis Kulmbach wird der Wirkstoff Glyphosat vor allem zur Queckenbekämpfung eingesetzt. Aber erst dann, wenn die Ernte eingefahren ist. Wenn auf einem Feld Wintergerste angebaut wird, wird diese Ende Juli abgeerntet, dann kann das Unkraut einige Wochen wuchern. Und nach zwei oder drei Wochen wird dann dem Unkraut mit Round-up entgegengetreten. "Das Unkraut wird dann braun, wird anschließend untergepflügt", erklärt Löwinger das Prozedere.Tatsächlich ist der Wirkstoff Glyphosat seit 1974 zugelassen. Doch seit vier Jahren kocht die Diskussion um den Wirkstoff immer wieder aufs Neue hoch. Während einerseits die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa Ende letzten Jahres die Empfehlung für eine Wiederzulassung gegeben hat, haben Forscher der Weltgesundheitsorganisation Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft.
Auch in der EU ebbt die Diskussion nicht ab. Eigentlich wollte Brüssel in dieser Woche entscheiden, doch jetzt ist die Entscheidung erst Mal vertagt. Und die Bundesregierung enthält sich. Im Klartext bedeutet dies, dass die Landwirte ab 1. Juli in der Luft hängen. Und es ist nicht zu erwarten, dass die Europäische Union bis dahin eine endgültige Entscheidung treffen wird.
"Für uns ist das schwierig. Wir müssen uns auf das verlassen, was uns gesagt wird. Wenn sich herausstellt, dass das Mittel gefährlich ist, dann sind wir die ersten, die auch auf das Mittel verzichten", sagt Löwinger. Allerdings sollte so ein Verbot dann auch EU-weit durchgesetzt werden, möglichst sogar weltweit. "Aber wir müssen doch auf die Wissenschaftler hören, auf die unabhängigen Stellen. Bei dieser Diskussion reden zu viele mit, die keine Ahnung haben", so Löwinger.
Keine Bienenschäden
Imker wettern gegen das Glyphosat, weil es angeblich den Orientierungssinn der Bienen beeinträchtigen soll. Tatsächlich hat das Fachzentrum Bienen der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim nachgewiesen, dass Glyphosat den Orientierungssinn der Bienen beeinträchtigen kann. "Aber dieser Nachweis ist in Studien erfolgt und es ist nicht klar, ob diese Konzentrationen auch so in der Praxis erreicht werden", sagt Veterinär Andreas Koller. In der Praxis sind derzeit explizit noch keine Bienenschäden, die nachgewiesenermaßen auf Glyphosat zurückzuführen sind, dokumentiert.Eine ganz klare Position gegen Glyphosat nimmt der Bund Naturschutz ein. Bayernweit sind Unterschriften gegen die Verlängerung der Lizenz zum Spritzen gesammelt worden. "Wir finden, dass allein der Verdacht, dass Glyphosat krebserregend sein könnte, genügt", sagt der Vorsitzende des Bundes Naturschutz Kulmbach Karl-Heinz Vollrath.
Auch in Kulmbach lagen im neuen Bund Naturschutz-Büro in der Hans-Herold-Straße Unterschriftenlisten aus. "Es ist nicht nur Glyphosat, was uns stört, sondern der Anstieg an Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden hat in den letzten Jahren immens zugenommen. Das kann nicht gut sein - nicht für die Menschen und nicht für die Natur", sagt Vollrath und kann dies auch mit Zahlen belegen. So wurden von den Landwirten 1994 noch 14 834 Tonnen Herbizide ausgebracht, zwanzig Jahre später waren es bereits 17 887 Tonnen. Bei den Fungiziden ist fast eine Verdoppelung in diesem Zeitraum von 7698 auf 12 665 Tonnen zu verzeichnen. Und bei den Insektiziden ist eine Verdreifachung zu vermelden: Von 4006 Tonnen auf 12 653 Tonnen.
"Wir sind auch gegen den Einsatz von Glyphosat in privaten Gärten. Denn man muss auch immer sagen, dass in den privaten Gärten der Einsatz solcher Mittel überhaupt nicht kontrolliert werden kann", so Vollrath. "Wer im privaten Bereich Unkraut bekämpfen möchte, der soll auf die traditionellen Mittel zurückgreifen: Harke, Drahtbürste oder Abflammgerät", sagt Vollrath und fügt noch hinzu, dass der Bund Naturschutz ein sofortiges Verbot von Glyphosat fordert.
Problematische Konzentration
"Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Mittel summieren. Mag ja sein, dass die einzelne Konzentration nicht schlimm wäre, aber wenn überall in unseren Lebensmittel etwas drin ist, dann kann das eben doch problematisch werden", sagt Vollrath.Möglich ist jetzt, dass die EU-Kommission, um den Landwirten Rechtssicherheit zu geben, erst einmal die Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat um ein halbes Jahr verlängert so wie sie es schon zwei Mal getan hat. Damit hätten dann die Landwirte zumindest für die Spritz-Saison 2016 Rechtssicherheit. Das Wiederzulassungsverfahren läuft übrigens bereits seit vier Jahren.