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Diakonie Bayreuth setzt Zeichen: Wenn Glücksspiel ins Unglück führt


Autor: Thomas Heuchling

Kulmbach, Mittwoch, 24. Sept. 2014

Das Diakonische Werk hat am Dienstag mit einer Aktion auf die Glücksspielsucht aufmerksam gemacht. Mit freundlichen Internetseiten will die milliardenschwere Spielautomaten-Branche Offenheit demonstrieren. Suchttherapeutin Gunhild Scheidler sieht diese Taktik kritisch.
Die Diakonie Bayreuth hat am Dienstag mit diesem Auto vor einem Casino auf die Glücksspielsucht aufmerksam gemacht. Foto: Thomas Heuchling


Frech und provokant kann man die Aktion nennen, die das Diakonische Werk Bayreuth am Dienstag gemacht hat. Jeder, der an diesem Tag im "Casino Novolino" in der Albert-Ruckdeschel-Straße sein Glück versuchen wollte, konnte sich der Wirkung nicht entziehen. Auf dem Dach eines geparkten Kleinwagens, direkt neben dem Eingang, stand ein Würfel mit Sprüchen wie "Was denkt deine Mutter/Freundin wo du gerade bist?".

Mit der Aktion verfolgt Gunhild Scheidler, Suchttherapeutin bei der Suchtberatungsstelle des Diakonisches Werk Bayreuth, mehrere Ziele: "Wir wollen die Leute dazu bewegen, über ihr Spielverhalten nachzudenken. Außerdem wollen wir Medienpräsenz schaffen, um auf die Krankheit Glücksspielsucht hinzuweisen."

Zu Scheidlers Überraschung haben die Betreiber freundlich reagiert, als sie die Aktion anmeldete und das Auto aufstellte. Sie vermutet dahinter die Taktik, sich mit der Suchtberatung gut zu stellen. Beim Auslegen von Flyern, in Spielhallen sei sie manchmal aber schon harsch angefahren worden. Ob die Auto-Aktion etwas bringe, könne man pauschal nicht sagen, oft dauere es eine Weile bis sich Betroffene melden. "Langfristig steigen die Anmeldezahlen bei der Suchtberatung leicht an", so Scheidler.

Es ist eine bundesweite Aktion. In Bayern ist die Landesstelle gegen Glücksspielsucht (LSG) verantwortlich. Bis Mitte Oktober finden Vorträge, Diskussionen und eben solche öffentlichen Aktionen wie in Kulmbach statt.

Rund 30 000 Süchtige in Bayern
In Anbetracht der Zahl der Betroffenen scheint dies auch bitter nötig. Für Bayern schätzt die LSG die Anzahl pathologischer Spieler (Erklärung in der Infobox unten) auf 28 000. Bei weiteren 34 000 Personen liege ein problematisches Spielverhalten vor. Die offiziellen Zahlen sind auch Suchtberaterin Scheidler bekannt: "Es gibt eine enorme Dunkelziffer." Die Automatenspieler machen die größte Gruppe bei ihren Beratungen aus. Aber die Dunkelziffer bei Online-Wetten oder anderen Formen des anonymeren Glücksspiels im Internet sei weitaus höher, so Scheidler.

Auch die Interessenverbände der Automatenwirtschaft können mit Zahlen aufwarten. Sie sind prominent auf den hell und freundlich designten Webseiten platziert. Allen voran die Automaten-Wirtschaftsverbände-Info GmbH (Awi) und die Deutsche Automatenwirtschaft. Dabei betonen sie in erster Linie die positiven Aspekte ihre Branche. Man sei Partner des Mittelstandes oder großer Steuerzahler (1,8 Milliarden Euro). Mit über 70 000 "modernen Arbeitsplätzen" und rund 500 Auszubildenden wird online geworben.

Vermeintlich offener Umgang?
Durch die Kampagne "Kein Spiel ohne Regeln" oder die Kategorie Spielerschutz gehen die Interessenverbände mit dem Thema Sucht mehr oder weniger offen um. Ein Beispiel dafür ist auf der Webseite der Automatenwirtschaft zu finden: "In Deutschland weisen rund 0,19 bis 0,56 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ein pathologisches Fehlverhalten beim Spielen auf." Liest sich harmloser als: 152 000 bis 448000 Menschen. Auch von einer vergleichsweise kleinen Randgruppe ist dort die Rede. Man arbeite unter anderem mit dem Caritasverband für das Erzbistum Berlin bei bundesweiten Schulungs- und Weiterbildungsseminaren für Mitarbeiter zusammen. Auch von der Vermittlung konkreter Hilfe ist online die Rede.

Gunhild Scheidler sieht diese Politik kritisch. Eine aktuelle Studie beschäftige sich gerade damit, sagt sie und fügt an: "Ich glaube, da gibt es eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit." Von Offenheit ist im "Casino Novolino" in Kulmbach wenig zu spüren. Zu der Aktion vor der Tür will sich gegenüber der Bayerischen Rundschau niemand äußern. Eine weitere Zahl von den Webseiten der Interessenverbände sagt, dass bundesweit insgesamt circa 263 000 Spielautomaten aufgestellt sind. Nimmt man von verschiedenen Schätzungen einen Mittelwert von einer Viertelmillion Spielsüchtigen, denn kommt rein rechnerisch auf jeden ein Automat.

Krankheit Spielsucht und Hilfe für Betroffene

Begriffsklärung Spielsüchtig sind Menschen, die unfähig sind, dem Impuls zum Glücksspiel oder Wetten zu widerstehen. Sie erliegen diesem Zwang auch wenn dies gravierende Folgen im persönlichen oder familiären Umfeld bedeutet. Dabei können die Begriffe pathologisches Spielen oder Glücksspielsucht synonym verwendet werden.

Beratung Die Glücksspielberatung des Diakonischen Werks Bayreuth ist einmal pro Woche in Kulmbach, Waaggasse 5. Terminvereinbarungen unter der Telefonnummer 0921/78517730.
Eine erste Beratung ist auch über das Internet möglich.