Druckartikel: Deutschland, einig GAU-Land

Deutschland, einig GAU-Land


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Donnerstag, 10. März 2016

Hier geht es nicht um die AfD und einen ihrer exponierten Vertreter, sondern um Spaltpilze ganz anderer Natur.
Foto: Daniel Karmann/dpa


Der norwegische Fischer Bjørn Frilund zog einen Kabeljau mit merkwürdig verdicktem Bauch an Land. Als der 64-Jährige den Sechs-Kilo-Fisch filetierte, kamen zwei Heringe zum Vorschein - und ein Dildo, ein Sexspielzeug also; 15 Zentimeter lang, orangefarben. Der Fisch hatte es offenbar für seine Lieblingsbeute, einen Oktopus, gehalten. Wäre der Kabeljau nicht ins Netz gegangen, er wäre in Kürze wohl ohnehin gestorben, verhungert mit vollem Magen.
An unser aller Wohlstandsmüll verschluckt sich nicht nur das Meer samt seiner Bewohner. Forscher der Uni Bayreuth haben nachgewiesen, dass der Gardasee sowie andere Binnengewässer ähnlich stark mit Kunststoffteilchen kontaminiert sind.
Mal ehrlich: Hört man davon noch etwas? Genießt die Verschmutzung der Umwelt den Stellenwert in der (gesellschafts-)politischen Diskussion, der ihr gebührt? Gucken wir auf die Top-Themen einschlägiger Zeitungen: Die

Flüchtlingskrise samt jüngstem EU-Gipfel thront, logo, über allem, gefolgt von der Doktorarbeit einer blonden Ministerin, der Vorberichterstattung zu drei Landtagswahlen und der Vorschau auf den Fußball-Bundesliga-Spieltag.
Der heutige 11. März als (mittlerweile fünfter) Jahrestag von Fukushima kommt gerade noch so vor. Wobei die Mega-Probleme nach dem GAU ja beileibe nicht gelöst sind. Dafür wird munter weiter an Kernreaktoren gebaut, 60 neue sind es weltweit. Feuer unterm Dach in Onkel Atoms Hütte - war da was?
So ist er, der Mensch, er kann nix dafür. Sagt jedenfalls die Wahrnehmungspsychologie. "Der Mensch bildet in seinem Kopf nicht die Wirklichkeit ab, sondern er konstruiert die Wirklichkeit auf der Grundlage eigener Erwartungen und Erfahrungen." Die Erfahrungen mit Radioaktivität halten sich bei den Allermeisten in sehr engen Grenzwerten. Noch dazu ist Strahlung unsichtbar und Japan ja weit weg. Gaukelt jedenfalls unsere konstruierte Wirklichkeit vor.