Druckartikel: Der Wald der Zukunft ist auf Alleskönner angewiesen

Der Wald der Zukunft ist auf Alleskönner angewiesen


Autor: Dagmar Besand

Kulmbach, Mittwoch, 23. Februar 2022

Die Wälder fit machen für den Klimawandel - eine Herkulesaufgabe. Wie kann das gelingen und wie ckann das Kulmbacher Arboretum dazu beitragen?
Ein Hinweisschild erklärt  das Kulmbacher Arboretum.


Darüber haben wir mit Michael Schmidt, stellvertretender Leiter des Amts für Landwirtschaft und Bereichsleiter Forsten, im Interview gesprochen.

Der Klimawandel beschäftigt uns in vielen Lebensbereichen. Aber wie kann man denn wissen, wie schlimm es wird und wie sich das auf die Wälder auswirken wird?

Michael Schmidt: Man muss sich mit allen Varianten beschäftigen. Das schlimmste Szenario ist: Die Weltbevölkerung wächst unkontrolliert weiter und das mit gleichbleibendem Energiehunger. Dafür spricht leider sehr viel. Das hätte bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine dramatische Erwärmung auch bei uns in Oberfranken zur Folge, die es unseren heimischen Baumarten schwer macht zu überleben. Am schlimmsten trifft das die Fichte, aber auch die Kiefer und die Buche bekommen Probleme.

Und wenn es nicht ganz so extrem kommt?

Wenn das Abkommen von Paris eingehalten wird, können wir einen milderen Klimawandel erwarten. Auch in diesem Fall hat die Fichte keine Zukunft, aber die meisten anderen heimischen Arten haben Chancen. Das ist meine Hoffnung. Aber wir müssen uns auch jetzt schon auf den schlimmsten Fall vorbereiten.

Welche Rolle spielt dabei das Kulmbacher Arboretum?

Das ist ein Projekt, das es uns ermöglicht, wertvolle Erfahrungen mit anderen Baumarten zu sammeln, die bei uns bisher nicht heimisch sind, sondern aus Gegenden stammen, die jetzt schon die klimatischen Bedingungen haben, mit denen wir künftig bei uns rechnen. Wir müssen uns mit Baumarten auseinandersetzen, die aus dem Mittelmeerraum und anderen Regionen der Welt stammen, sie anpflanzen und ihre Entwicklung beobachten.

Wie findet man die richtigen Baumarten? Auch wenn die Durchschnittstemperatur steigt, muss man ja zum Beispiel im Frankenwald auch gelegentlich mit extremer Kälte im Winter rechnen.

Das stimmt. Tatsächlich brauchen wir Alleskönner-Bäume, die Hitze vertragen, mit Trockenheit zurechtkommen, aber auch mal eine Woche mit minus 20 Grad aushalten. Wir haben uns da von erfahrenen Experten beraten lassen

Wenn die Durchschnittstemperatur um zwei Grad steigt - wie genau sehen dann die Folgen aus?

Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft hat da sehr präzise Simulationen erstellt und auf dieser Basis nach Analog-Regionen gesucht. Das sind Gegenden, in denen es heute schon genauso aussieht wie es bei uns unter diesen Bedingungen werden würde. Da hat man sich dann angeschaut: Welche Bäume gedeihen dort? Da kommt man dann auf Gebirgslagen im Libanon, wo es im Winter auch mal schneit, im Sommer ausgeprägt heiß und trocken ist. Was dort wächst, könnte auch bei uns anbauwürdig sein.

Also einfach die Bäume aus diesen Regionen kaufen und pflanzen, und das Problem ist erledigt?

Schön wäre es. Als Förster hätte ich es natürlich am leichtesten, wenn ein Schalter umgelegt würde, und ab diesem Zeitpunkt gibt es stabile neue Bedingungen. Aber so funktioniert das ja nicht. Der Umbruch dauert Jahrzehnte, in denen uns das klassische mitteleuropäische Wetter erhalten bleibt, es aber schleichend wärmer wird. Die neuen Bäume müssen also gleichzeitig vertragen, was ist und was noch kommt.

Hat Kulmbach das einzige Arboretum dieser Art in der Region?

Wir haben noch ein zweites in Tettau im Hochfrankenwald angelegt, mit den gleichen Bäumen. Dort sind die Bedingungen noch einmal anders. Es ist kälter, die Standorte bieten weniger Nährstoffe im Boden. So lassen sich Vergleiche ziehen.