Der Stanicher Fasching und seine Bräuche
Autor: Siegfried Sesselmann
Stadtsteinach, Donnerstag, 15. Januar 2015
Essen, Trinken, Partner finden - für all das gab es im Stadtsteinacher Land in den närrischen Wochen vor der Fastenzeit Regularien. Mancher Ehemann musste sich sogar auf die Probe stellen lassen.
Stadtsteinach ist als Faschingshochburg weit über die Grenzen Frankens bekannt. Die Rathausübernahme am 11.11., der Faschingsumzug, die Prunksitzungen, das diesjährige Treffen aller oberfränkischer Prinzenpaare in Stadtsteinach am Dreikönigstag und das Faschingstreiben auf dem Marktplatz am Faschingsdienstag beweisen, dass die Stanicher verstehen, Fasching zu feiern.
In unserer Gegend fand man noch in nicht allzu ferner Zeit Familien, die am Faschingsdienstag Geräuchertes und Sauerkraut aßen oder sich zum letzten Male vor dem Aschermittwoch trafen, an dem es nur Linsen und Spatzen geben durfte. Man labte sich an Leber- und Griebenwürsten, denn alles musste weg, um nicht in der 40-tägigen Fastenzeit bis Ostern in Versuchung zu geraten.
In unserer bäuerlich orientierten Gegend war nach der Ernte und nach Weihnachten die Zeit der vielen Hochzeiten. Der Acker ruhte, das Holz war getan. Die meisten Tiere durch den Winter zu bringen, war nicht geplant. Man schlachtete gerne.
Die Faschingszeit war auch stets die hohe Zeit der Liebesleute. Bis zur Fastenzeit, die auch "fleischlos" in sexueller Sicht bei der streng religiösen Landbevölkerung sein sollte, waren es oft nur ein paar Wochen. Und die mussten genutzt werden.
So steckte nach uraltem Tun die Unverheiratete einem bestimmten Burschen, den sie erobern wollte, in der Fasenachtszeit einen gefrorenen Glücksstein beim Tanzen in die Tasche. Er wusste nun, dass er im Visier einer sehnsüchtig Wartenden war...
Der Treue-Test
Anders war es bei Verheirateten, wenn die Frau die Treue ihres "Alten" erproben wollte. Sie stellte sich einige Tage zuvor krank und überredete ihn, doch keine Rücksicht auf sie zu nehmen und alleine zum Fasching zu gehen. War sie nun alleine, verkleidete sie sich als Mann und ging maskiert zu dem selben Fest. Dort spielte sie sich an den Ehemann heran und bot ihm einen Maßkrug an. Und gleich sah sie, ob er treu war: Lehnte er ihn ab, galt er als treu. Aber wehe, er trank davon...
Auch der Brauch, sich als "alte Jungfer" zu verkleiden, wurde früher gerne praktiziert. So verkleideten sich unverheiratete Mädchen und Frauen mit einer Maske und altmodischen Kleidern. Um ihren Hals trugen sie ein Geschmeide, an dem ein Gegenstand aus Holz und einer aus Eisen befestigt war. Sie glaubten, wenn ein junger Bursche an das Holz griff, dann stößt es die Männer ab, die sie nicht wollten. Fasst aber ein junger Mann das Eisen an, dann werden sie angezogen.
Die Altweibermühle
Oft gespielt wurde ebenso die "Altweibermühle", ein eigenartiger Volkstanz, der natürlich nicht mit alten Weibern durchgeführt wurde, sondern mit jungen Mädchen, die als solche mit allerlei buntem Zeug und Lumpen verkleidet waren. Mitten im Saal stand die Altweibermühle: Ein Wagenrad war an der Decke befestigt, Leinentücher und Säcke bildeten darunter eine Röhre. Die Musikanten spielten, und eine nach der anderen verschwand darin und kam als jugendliche Schönheit wie geheimnisvoll verzaubert wieder zum Vorschein. Die Burschen warteten schon, der Tanz ging fröhlich weiter.
Die Faschingsveranstaltungen waren früher bei uns auch Gelegenheit für die Mütter, ihre Töchter in die Gemeinschaft einzuführen und zu zeigen, dass sie heiratsfähig geworden sind. Eifrig wachten dann die Augen der Mutter, ob sich nicht einer fände, der dieser eine "Brezn" anbot. Die Breze, schon früher als "Mogstmichgebäck" bekannt, war Symbol für die Vereinigung zweier Herzen. Gab ein Bursche seiner heimlich Angebeteten eine Brezl, die mit Salz bestreut war und nahm sie diese an, so war das gleichbedeutend mit einem Korb und hieß, dass das Mädchen schon fest versprochen war. Lehnte sie ab, dann war sie noch zu haben.
Schulfreier Faschingsdienstag
Früher war der Faschingsdienstag für die Schüler ein besonderer Feiertag, an dem schulfrei war. Wer trotzdem kam, wurde in der Schule "ausgepeitscht". Die Buben und Mädchen mussten auf allen Vieren unter einem Stuhl hindurchkriechen. Oben auf dem Stuhl kniete der Herr Lehrer und versetzte mit einem Besen jedem einen Klaps auf das Hinterteil. Später wurden die Kinder mit Brezeln reichlich für ihre Geduld belohnt.
So gab es viele regional unterschiedliche Bräuche, die in Vergessenheit geraten sind. Doch fast alle hatten mit Winteraustreiben, Rollentausch, Vorbereitung auf die Fastenzeit und Partnersuche zu tun.
So gab es den Brauch, saure und gesalzene Heringe zu essen und die Gräten an die Decke zu schleudern. Oder man trug den Fasching regelrecht zu Grabe. Man begrub ihn in einem Schneeloch, und das Begräbnis wurde im Dorfwirtshaus beim Leichenschmaus gefeiert.
Büttenrede statt Narrenbuch
In manchen Orten wurde das Narrengericht am Faschingsdienstag abgehalten. Alle von den Einwohnern begangenen Torheiten wurden zur Sprache gebracht oder waren in einem Narrenbuch festgehalten und wurden vorgelesen. Eine Parallele zu den Büttenreden heute ist unverkennbar.
Den Fasching zu feiern, verstehen alle Karnevalisten und setzen viel Energie daran. An die folgende Fastenzeit denken wohl die Wenigsten. Sie gehört ebenso als Vorbereitung auf das Osterfest dazu, an dem das Fasten gebrochen wird.
So hoffen wir, dass die beiden Prunksitzungen in Stadtsteinach am 17. und 24. Januar ein voller Erfolg werden und das Faschingstreiben am Faschingsdienstag auf dem Marktplatz in Stadtsteinach dazu dient, dass der Winter in Form einer Strohpuppe verbrannt und der Frühling kommen wird. Die Bären, als weiteres Symbol des ziehenden Winters, die heftig das Abbrennen abwehren wollen, werden mit Reisigbesen vertrieben.
Falls dem Zuschauer die schwarz gefärbten Fosenochtsnickel mit ihren leeren Töpfen gruselig entgegentreten und er ihnen nichts zum Essen anbietet, muss er damit rechnen, im Gesicht schwarz beschmiert zu werden. "Stanich helau!"