Der Meister des süßen Handwerks in Stadtsteinach
Autor: Dagmar Besand
Stadtsteinach, Mittwoch, 15. Februar 2017
Seit dem Jahr 1900 gibt es das Café Michel in Stadtsteinach. Gerhard Michel betreibt in der dritten Generation die letzte Konditorei im Landkreis Kulmbach.
Für die Nusscremetorte aus Gerhard Michels Backstube lässt Hermanita Espig alles stehen: "Die müsst ihr probieren." Die Stadtsteinacherin sitzt mit drei Freundinnen in der gemütlichen Gaststube des Cafés Michel und genießt ohne Reue ihre süße Sünde. "Die Torte habe ich mir schon geholt, als ich noch Lehrling im Stadtsteinacher Landratsamt gegenüber war", erzählt die 65-Jährige. Lange ist das her, aber die Lieblingstorte schmeckt noch genauso wie früher.
117 Jahre gibt es die Konditorei in Stadtsteinach schon, und eine kleine Weile wollen Gerhard und Erika Michel ihren kleinen Betrieb noch weiterführen, obwohl beide mit 65 und 66 Jahren schon im Rentenalter sind. Ihre Konditorei ist die letzte im Landkreis Kulmbach. Einen Nachfolger gibt es nicht.
Nicht nur die Stammkunden werden es bedauern, wenn Gerhard Michel nicht mehr in seiner Backstube steht. Auch den Innungsobermeister der Bäcker, Ralf Groß, schmerzt es, "dass dann ein Stück unserer Kultur verschwinden wird". Es gebe nur noch sehr wenige, die das Konditorenhandwerk beherrschen und die Tradition hochhalten. Leider sei auf Nachwuchs nicht zu hoffen, denn nur ein Konditormeister kann Konditoren ausbilden. Neben Gerhard Michel gibt es mit Margit Will noch eine selbstständige Konditormeisterin im Landkreis, die in Marktleugast jedoch keine Konditorei, sondern eine Bäckerei führt.
Großvater wirbt mit Eis
Im Jahr 1900 eröffnete Gerhard Michels Großvater Georg die "Spezereihandlung & Conditorei Michel" in der Forstamtsstraße 4. Verkauft hat er nicht nur Süßes, sondern auch Selterwasser aus eigener Produktion. Auf einer Reklame aus dem Jahr 1908 wirbt Michel mit Speiseeis aus eigener Herstellung als besonderer Spezialität. Nach dem Krieg übernahm Sohn Willi den Betrieb. Die 40 D-Mark, die es nach der Währungsreform als Startgeld gab, investierten die Michels komplett in Schokolade - zur Weiterverarbeitung in der Konditorei, um das Geschäft wieder anzukurbeln.
Willi Michel verunglückte 1962 tödlich mit dem Motorrad. Sohn Gerhard war damals erst elf Jahre alt, und so führte seine Mutter Charlotte gemeinsam mit Gerti Beetz das Geschäft weiter, später mit Unterstützung von Tochter Irene, die ebenfalls die Konditorlehre absolvierte.
Mit 14 Jahren wurde Gerhard Michel zu einem Konditormeister nach Fürth in die Lehre geschickt. "Mein Wunschberuf war das damals nicht. Ich wollte viel lieber Grafiker werden", erzählt er. "Aber ich war noch nicht auf der Welt, da war ich schon Konditor. Das haben die Eltern bestimmt, und ich hätte mich nie getraut, dagegen aufzumucken."
Im Gegensatz zu den Lehrlingen heute, die an Berufsschultagen nicht in ihren Betrieb gehen, musste Gerhard Michel damals früh morgens vor dem Unterricht, in der Mittagspause und sofort nach der Schule noch in der Backstube antreten, manchmal bis spät abends. Nach der Lehre arbeitete Michel noch ein Jahr in Kronach im Café Thron. "Das war eine sehr gute Konditorei, wo ich viel gelernt habe."
Mit 22 Jahren schon Meister
Mit einer Sondererlaubnis durfte Gerhard Michel bereits mit 22 Jahren seine Meisterprüfung ablegen - Voraussetzung, um den elterlichen Betrieb führen zu dürfen. Vor wenigen Wochen erhielt er den Goldenen Meisterbrief der Handwerkskammer für 43 Jahre selbstständige Tätigkeit.
Mit seiner Verpflichtung, den Betrieb zu übernehmen, hat Gerhard Michel nicht gehadert, sondern sich mit Liebe und Leidenschaft seinem süßen Handwerk gewidmet. Seine Frau Erika war und ist dabei stets an seiner Seite. Seine Domäne ist die Backstube, ihre der Verkaufsraum und der Service im Café.
Gerne erinnert Michel sich an die vielen kunstvollen Torten, die er zu Hochzeiten, Taufen und Geburtstagen produziert hat - individuell nach den Wünschen seiner Kunde. Viel Schönes hat er aus Marzipan geformt, aus Zucker und Schokolade gegossen. "Wenn man was Besonderes wollte, ist man früher immer zum Konditor gegangen."
"Ich mache alles noch wie früher"
Gerhard Michel ist gerne in seiner Backstube. Die Zeit scheint hier stehen geblieben zu sein, die Arbeitsgeräte haben viele Jahrzehnte auf dem Buckel. Aber moderne Technik braucht er für seine süße Kunst nicht: "Ich mache alles noch wie früher, aus den klassischen Zutaten, ohne Backmischungen und Zusatzstoffe."
Und was naschen die Michels, wenn sie die Lust auf Süßes packt? Erika Michel mag sonntags gerne mal eine der feinen Cremeschnitten oder einen frischen Krapfen. Der Meister selbst beißt ebenfalls gerne in einen Krapfen und greift ab und zu zum mürben Teegebäck: "Das ist halt schon was Feines!"
Geheimrezept: Käsesahnetorte backen wie der Profi
Backen können wie ein Konditor - das wäre schön! Die Rundschau-Leser können das jetzt zumindest mit einer leckeren Torte, denn Konditormeister Gerhard Michel verrät hier eines seiner leckersten Rezepte: die Zubereitung seiner Käsesahnetorte.
Die Basis ist ein klassischer Biskuitboden, der quer in der Mitte durchgeschnitten wird. Die untere Hälfte erhält einen Belag aus Kirschen: Diese werden entsteint, kurz mit ein wenig Zucker und Zitrone aufgekocht, der Saft mit Stärke leicht abgebunden. Die Kirschen abkühlen lassen und gleichmäßig auf dem Boden verteilen, einen Tortenring um den Boden stellen. Sieben Blatt Gelatine in Wasser einweichen.
Für die Käsesahnemasse kocht Gerhard Michel einen Fond: 250 Gramm Milch, 3 Eigelb, 125 Gramm Zucker, den Abrieb einer Bio-Zitrone, das ausgekratzte Mark einer Vanilleschote und eine Prise Salz werden in einem Topf erhitzt. Die Flüssigkeit muss permanent mit dem Schneebesen geschlagen werden, damit sie nicht ansetzt, und darf nicht kochen. Die Gelatine ausdrücken und in die heiße Flüssigkeit rühren. Sobald alles etwas abgekühlt ist, 500 Gramm Magerquark unterrühren. Dann einen halben Liter Sahne schlagen und vorsichtig unter die abgekühlte Käsemasse heben.
Die Käsesahne-Masse auf den Kirschen verteilen, die obere Hälfte des Biskuits als Deckel aufsetzen, mit Puderzucker bestäuben. Fertig!