Der lange Weg zur Kinderbetreuung in Stadtsteinach
Autor: Siegfried Sesselmann
Stadtsteinach, Mittwoch, 06. August 2014
1940 wurde der erste Kindergarten in Stadtsteinach gegründet. Der Holzbau am Lehenthaler Weg ist legendär - so wie Ordensschwester Margarita.
Wenn heute Kinder auf die Welt kommen, sind die Angebote der Betreuung so vielfältig wie noch nie. In den Kindertagesstätten gibt es Wickel- und Krabbelgruppen, in Vorschulklassen, Frühbetreuung und schulvorbereitenden Einrichtungen werden Kleinkinder im vierten oder gar fünften Kindergartenjahr betreut. Der Weg zu der heutigen Vielfalt dauerte auch in Stadtsteinach lange.
Vor Jahrzehnten war es nicht außergewöhnlich, wenn eine Familie acht oder noch mehr Kinder hatte. Die Mutter war immer Hausfrau, die großen Geschwister versorgten die kleinen. Und außerhalb der Schulzeit waren alle unterwegs oder mussten fest in der Landwirtschaft, im Betrieb oder im Haushalt mithelfen.
Im September 1920 beratschlagten die Stadträte von Stadtsteinach über die Erbauung einer Kleinkinderbewahrungsanstalt. Der Verein "Ambulante Krankenpflege", auch Wohltätigkeitsverein genannt, unter dem Vorsitz des Bezirksarztes Dr.
Als Platz war die Wiese unterhalb des Friedhofs in Visier, die dem Schneider Josef Dremer und seiner Frau Kunigunda heute Bahnhofstraße 13, gehörte. Sie sollten eine andere Wiese im Tausch erhalten, waren aber damit nicht einverstanden.
Auch Altenheim geplant
Da es mit dem Grundstück zu keiner Einigung kam, beplante man 1922 unter Federführung des Wohltätigkeitsvereins ein neues Areal, nämlich im Bereich des Lohmühlweges auf dem Grundstück des Bezirksstraßenwärters Wilhelm Rupp (geb. 1877), der selbst in der Friedhofstraße wohnte und aus dem Kellerweg 9 stammte. Dort sollte nun gleichzeitig neben dem Kindergarten auch ein Altenheim errichtet werden. Doch leider verhinderte die beginnende Inflation und die Weltwirtschaftskrise dieses Vorhaben.
Erst im Jahre 1940, zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, gründete die NS-Volkswohlfahrt in Stadtsteinach einen Kindergarten nach damals modernen Gesichtspunkten und mit einer hervorragenden Innenausstattung in den Räumen des ehemaligen Rentamtes (Finanzamtes), der heutigen Polizeiinspektion.
Die erste Kindergärtnerin war Frau Helene Beer. Sie wurde 1920 in Gotha geboren und war mit dem damals berühmten Opernsänger und Wagnerinterpreten Hanns Beer-Steinach (geb. 1894 in Nürnberg) seit 1941 verheiratet. Sie wohnten im Anwesen Staffel 5. Bei ihnen ging die Prominenz aus Politik und Musik ein und aus.
Etwa 40 Kinder besuchten diesen Kindergarten, und als 1945 die Räume von amerikanischen Behörden besetzt wurden, wanderte die Einrichtung in Nebenräume des Pfarrhofes.
Doch schon am 17. Juli 1945 eröffnete Pfarrer Dr. Ferdinand Klopf einen katholischen Kindergarten in den Räumen des Schulhauses an der Staffel.
Die Zeit der Ordensfrauen
Die Leitung des neuen Kindergartens, der zunächst nur als Erntekindergarten betrieben werden sollte, übernahm Schwester Margarita von der Kongregation der Töchter vom Göttlichen Erlöser in Würzburg, die schon im Krankenhaus tätig gewesen war.
Neben ihr waren von 1913 bis 1980 noch weitere Ordensschwestern in Stadtsteinach tätig, die hauptsächlich im Krankenhaus eingesetzt waren: Schwester Edwalda (Garten), Schwester Archibalda (Küche), Schwester Reginhardis (OP), Schwester Iduberta (Röntgen), Schwester Wilhelmine (Pflege), Schwester Wenzislawa (ambulante Krankenpflege), Schwester Adelheris (Organisation).
Die ganztägige Einrichtung war kostenlos und stand beiden Konfessionen offen. Schon am ersten Tag erschienen über 100 Kinder. Und es sollten mehr werden.
Im November 1945 begann Pfarrer Dr. Klopf mit der Errichtung eines neuen Kindergartens in Holzbauweise auf dem sogenannten Pfarracker im Lehenthaler Weg. Zur Durchführung des Baues hatte sich eigens ein Caritasverein gegründet, die Einweihung erfolgte am 19. Mai 1946.
Auch an das leibliche Wohl dachte der engagierte Geistliche, im Kindergarten wurde bald Kinderspeisung ausgegeben.
Doch schon 1949 bat unter anderem der VdK-Ortsverband Stadtsteinach um noch weitere Räume für die Betreuung der Kinder von berufstätigen Hinterbliebenen und werktätigen Frauen, "damit die Kinder nicht immer auf der Straße herumlaufen". Schwester Margarita hatte nun diese vielen Kinder zu betreuen, das verlangte ihre ganze Kraft.
Bitte um Unterstützung
Der Kindergarten leistete 35 Jahre lang seine Dienste und mindestens zwei Generationen durchliefen ihre frühe Kindheit in dem hölzernen Bau, wo Schwester Margarita zuweilen ein strenges Regiment führen musste. Im Jahre 1955 bat das katholische Stadtpfarramt den Stadtrat um die Kostenübernahme für eine Hilfskraft für die Schwester Margarita, da der "recht primitiv erstellte Bau" laufend hohe Kosten verschlinge und die Ordensschwester ganz aus kirchlichen Mitteln finanziert werde. Ob eine Hilfskraft kam, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden...
Einweihung im März 1981
Im Jahre 1979, im "Jahr des Kindes", sollte nun ein 1,2-Millionen-Mark-Projekt in Angriff genommen werden, ein komplett neuer Kindergarten sollte an gleicher Stelle im Lehenthaler Weg entstehen. Eine alte Scheune musste weichen, um Parkplätze zu schaffen. Ein Höhenunterschied von sechs Metern zwischen Hang und Straße musste planvoll gestaltet werden. Ein Mehrzweckraum, ein Spiel- und Gymnastikraum, vier Gruppenbereiche und vieles mehr sollten den modernen Kindergarten auszeichnen. Un d taten es auch: Am 29. März 1981 weihten Pfarrer Wolfram Michel und Bürgermeister Werner Döll dieses Vorzeigeprojekt ein.
Durch das durchwegs gut qualifizierte Personal und mit stimmigen Konzepten gelingt es dem Kindergartenteam und der katholischen Pfarrstiftung Stadtsteinach bis heute, einen gut besuchten Kindergarten "St. Michael" anzubieten, der sich jedes Jahr im Juli mit seinem Kindergartenfest der breiten Bevölkerung präsentiert.