Der Kulmbacher Bierkrieg
Autor: Redaktion
Kulmbach, Donnerstag, 27. Juli 2017
1984 kam es auf Grund des Zusammenschlusses von Reichel-Bräu und Mönchshof zu einer Auseinandersetzung mit den weiteren Kulmbacher Brauereien.
Es gab sie auch in der hiesigen Gegend: Bierkriege. Aber das ist schon lange her. Zwischen dem katholischen Marktschorgast und dem evangelischen Wasserknoden beispielsweise als letztere mehrfach überfallen, ihrer Fässchen beraubt und dann noch mit ansehen mussten, wie es von den Ratsherren ausgetrunken wurde. Ähnliches passierte in Wirsberg. Weil sie für ihr gutes Bier in Neuenmarkt einen Zapfenwirt als Abnehmer fanden, beschlagnahmte der Kulmbacher Magistrat sechs Eimer Bier (knapp 400 Liter) und trank es selbst aus. Als in Rugendorf die vier Brauereiwirtschaften den Bierpreis um einen Pfennig erhöhten, besuchten die dortigen Biertrinker die zwei Wirtshäuser in Losau so lange, bis die einheimischen Biersieder nachgaben.
Dass aber ein promovierter Jurist und Brauereivorstand in der Neuzeit eine Bierfehde vom Zaun bricht, das ist schon ungewöhnlich. Obwohl schlucken musste er schon, hatte ihn doch sein Vorstandskollege Gert Langer von der konkurrierenden Reichelbräu erst vor dreieinhalb Jahren die Sandlerbräu weggeschnappt. Und nun, kaum vom Urlaub zurück, musste EKU-Boss Dr. Carl Reischach eine weitere Kröte schlucken. Da war doch am 20. August 1984 auf einer Pressekonferenz in der Stadtschänke verkündet worden: "Reichel und Mönchshof rücken zusammen". Und damit hatte er nicht gerechnet. Schließlich gab es doch eine Zusicherung der Hypobank, damals Mehrheitsaktionär der Reichelbräu, an die März-Gruppe, dass die EKU bei einem möglichen Verkauf der Mönchshofbräu berücksichtigt werden solle. Dr. Reischach tobte und sein "Chef", der Mehrheitsaktionär Josef März aus Rosenheim, gleich mit.
Vorher herrschte "Burgfrieden"
Man muss wissen, dass es in der Bierstadt Kulmbach mit vier etablierten Brauereien einen sogenannten "Burgfrieden" gab. Da kartellrechtlich verboten, gab es nie schriftliche Fixierungen darüber. Er sagte aus, dass man sich im Heimatraum gegenseitig weder Kunden abwerben, noch die jeweiligen Lieferpreise unterbieten werde. Das gleiche galt im Personalbereich. Die Mitarbeiter einer Brauerei waren für die andere tabu. Dass die stillschweigende Verständigung der damaligen Brauereioberen einen Sinn hatte, zeigten die Ereignisse, die sich nach dem 20. August 1984 in der Kulmbacher Brauereilandschaft abspielten.Drei der ehemals vier Kulmbacher Brauereien waren nun in Reichel-Hand. Selbst im Bierstadel während der Bierwoche hatte nun der Mitbewerber mit drei Bierzeltecken die qualifizierte Mehrheit. Dr. Reischach war wütend, seine Geduld zu Ende. Schon am darauffolgenden Tag kam es zur Krisensitzung in der Brauerei. Gefordert war vor allem der Außendienst. Jeder Kenner der Brauereiszene weiß, dass es am leichtesten dann ist, Gasthäuser abzuwerben, wenn eine Brauereiübernahme erfolgt ist und man als Kunde gleich mit "verkauft" wurde. Reischach hoffte auf viele unzufriedene Mönchshof-Gastronomen.
Dann zog sie los, die EKU-Verkaufsmannschaft, mit dem Ziel, alle Mönchshof-Ausschankstellen in Oberfranken zu beackern. Es dauerte nur Stunden bis Vorstandsvorsitzender Gert Langer von seinem Außendienst von den "EKU-Überfällen" auf seine zukünftigen Gasthäuser erfuhr. Da musste entgegengehalten werden. Nun wurde auch der Außendienst der Reichelbräu "ins Feld" geschickt. Im "Kriegsgeschehen" versuchte jede Partei, gegnerische Gastwirtschaften in seine "Gewalt" zu bringen. So wurden den besuchten Wirten Preisnachlässe zwischen zehn und vierzig Mark pro Hektoliter angeboten. Die gewieften Gastronomen notierten sich die Angebote, kontaktierten ihre bisherige Brauerei und die musste dann zähneknirschend auf das Angebot der Gegnerbrauerei eingehen.
Die Dämme brachen
Soweit bekannt, wechselte keine einzige namhafte Gastwirtschaft die Seiten. Sowohl Gert Langer als auch Ex-EKU-Verkaufsdirektor Dieter Weniger resümieren rückwirkend: "Die einzigen Gewinner des Krieges waren die Gastwirte." Da nun alle Dämme gebrochen waren, begann auch die Jagd auf Mitarbeiter der jeweils gegnerischen Seite. Mönchshof-Gebietsverkaufsleiter Karl Wehrfritz erhielt Besuch von EKU-Mann Dieter Weniger. Wehrfritz, oft nicht auf einer Linie mit seinen Vorgesetzten, biss an. Ihm war eine vakante Stelle als Verkaufsleiter mit Prokura bei der 220.000 Hektoliter großen EKU-Tochter Deiningerbräu in Hof angeboten worden.
Den großen Wurf aber machte Gert Langer. Während die Reichelbräu bei seinem Dienstantritt im Jahre 1972 außer dem damaligen Spinnerei-Konsum keinerlei Kontakte zum organisierten Lebensmittelhandel besaß, hatte man in der EKU längst die Zeichen der Zeit erkannt und auf diese hektoliterträchtige Vertriebsschiene gesetzt. Natürlich bemühte sich fortan auch die Reichel um den vielversprechenden Absatzzweig. Aber die EKU war weit voraus. Sie hatte bereits beachtliche Absätze vorzuweisen, gute Kontakte zu den Zentralen in Franken, aber auch national und mit Werner Schwindel einen exzellenten Leiter der Stabsstelle Lebensmittelhandel. Jetzt, wo Rücksichtnahme fehl am Platze war, wollte Gert Langer diesen Mann unbedingt in seinen Reihen wissen. Da bot sich die Herbstmesse der Edeka Schweinfurt an. Und Reichel-Gebietsverkaufsleiter Rost hatte die Order, den EKU-Mann Schwindel anzusprechen. Dieser schien nicht abgeneigt zu sein. Noch am selben Abend erreichte Schwindel zu Hause ein Anruf Langers. Schwindel traf sich zweimal mit dem Reichel-Vorstand. Dann war der Deal perfekt.
Seit August 1984 hatte Dr. Carl Reischach auch die monatlichen Kulmbacher Bezirksstellensitzungen im Bayerischen Brauerbund boykottiert. Als er schließlich im März 1985 dort wieder auftauchte, bedeutete dies das Ende des "Kulmbacher Bierkrieges".