Der Kampf ums Bleiberecht
Autor: Werner Reißaus
Neuenmarkt, Dienstag, 30. Juni 2020
Warum sich ein Neuenmarkter für einen stark traumatisierten Flüchtling aus Äthiopien einsetzt.
Hussen Adem Eshetu, der aus Äthiopien stammt und gegenwärtig in Bayreuth wohnt, droht die Abschiebung in sein Heimatland. Der Neuenmarkter Hanns-Georg Schmidt, der vor seiner Pensionierung als Musiklehrer am Kulmbacher Caspar-Vischer-Gymnasium unterrichtete, betreut Eshetu bei allen Behördengängen und kämpft darum, dass ihm die drohende Abschiebung erspart bleibt. Beide warten darauf, dass die angekündigte Asyl-Folgeverhandlung am Verwaltungsgericht Bayreuth in Kürze stattfindet. Bei dieser soll Klarheit geschaffen werden, ob der Äthiopier ein dauerndes Bleiberecht in der Bundesrepublik erhält.
Gerade jetzt nach den schweren Krawallen in Amerika kommt Hanns-Georg Schmidt zu dem Ergebnis, dass um Vertrauen und Respekt für afrikanische Geflüchtete geworben werden muss: "Nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd sollten wir dafür sensibilisiert sein und uns bewusst machen, dass es junge Einwanderer gibt, die Alkoholmissbrauch, Drogen und Gewalt verabscheuen und einfach nur um ihr Überleben kämpfen und nach erfahrener Hilfe zu Helfern für andere werden wollen."
Friedlich demonstriert
Der 32-jährige Hussen Adem Eshetu hat friedlich gegen politische und religiös diskriminierende Repressionen der Regierung Meles Zenawi in Äthiopien (Regierungszeit 1995-2012) demonstriert. Aber auch nach Zenawis Tod kam das Land nicht zur Ruhe. So wurde zum Beispiel am 25. Oktober 2019 berichtet, dass selbst unter Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed bei ethnischen Unruhen 67 Menschen getötet und 200 verletzt wurden. Wegen der Teilnahme an friedlichen Demonstrationen drangen am 12. März 2011 paramilitärische Kräfte in die Wohnung von Eshetu ein, und zwar in einem Augenblick, als er mit seiner Mutter dort allein war. Seine Mutter versuchte, ihn vor der Inhaftierung zu schützen. Sie wurde dabei überwältigt vor seinen eigenen Augen totgeschlagen.
Eshetu brach zusammen und fand sich, als er zu Bewusstsein kam, in einem Gefängnis in Dunkelheit wieder.
In diesem und anderen ähnlichen Gefängnissen - unter anderem in dem berüchtigten Makelawi-Kerker - wurde der junge Äthiopier drei Jahre lang kontinuierlich gedemütigt, körperlich misshandelt und sexuell gefoltert, und das, wie Hanns-Georg Schmidt betont, ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt, ohne Haftbefehl, ohne Verteidiger oder gar Gerichtsurteil.
Nur durch einen glücklichen Zufall gelang es ihm, nach diesem dreijährigen Martyrium in einem unbewachten Augenblick auf dem Bauch aus seiner Zelle zu kriechen, wegzulaufen und sich Hilfe zu holen. Sein Vater ermöglichte ihm die Flucht - zunächst durch Nordafrika. Nach einer extrem gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer gelangte er nach Italien und von da aus bis nach Schweden.
Zutiefst verwirrt
Eshetu war in dieser Zeit zutiefst traumatisiert und verwirrt. Es gelang ihm nicht, den schwedischen Behörden das Erlebte auch nur annähernd zu schildern. So traute er sich anfänglich noch nicht einmal, von der seiner Folterhaft zu berichten. Er wurde als Asylbewerber abgelehnt und wanderte nach Deutschland weiter.