Der halbe Lohn landet im Tank
Autor: Dagmar Besand
Kulmbach, Freitag, 22. Oktober 2021
Die Spritpreise explodieren. Das trifft Azubi Jonas Günthner besonders hart, denn sein täglicher Weg nach Thurnau zur Arbeit ist weit.
Beim Blick auf die Anzeigetafeln an den Tankstellen wird Jonas Günthner derzeit schwindlig. Der junge Mann muss täglich 90 Kilometer fahren, um von zu Hause zu seinem Ausbildungsplatz und zurück zu kommen. Jonas ist in Wirbenz bei Speichersdorf zu Hause und macht eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker bei der Firma Schwender in Thurnau: Im zweiten Lehrjahr bleiben ihm von seinem Lohn rund 800 Euro netto, 340 Euro davon fließen in den Tank - und das nur für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle. "Das ist erschreckend, wenn man sieht, wie schnell das Geld weg ist. Bis zu 1,62 Euro diese Woche für einen Liter Diesel, das tut schon weh."
Die Preise, die für einen Liter Benzin oder Diesel fällig werden, klettern gefühlt stündlich in die Höhe. Nach einigen Jahren mit eher moderaten Spritpreisen, sind die Kosten in den vergangenen zwei Wochen explodiert.
Wer wie Jonas auf ein Auto angewiesen ist, hat keine Wahl und muss den Tank voll machen. Dasselbe gilt für seinen Arbeitgeber. Auch für sein Unternehmen stellen die hohen Benzinpreise eine enorme Belastung dar, sagt Hans Schwender. Die Mitarbeiter sind mit den Fahrzeugen viel auf Baustellen und im Kundenservice unterwegs: "Die Spritkosten bei uns im Betrieb liegen bei 300.000 Euro im Jahr. Wir rechnen angesichts der aktuellen Entwicklung mit Mehrkosten in Höhe von mindestens 100.000 Euro." Es sei leider nicht möglich, bei laufenden Projekten diese Kosten beim Kunden geltend zu machen. "So drückt die zusätzliche Belastung das Ergebnis. Bei zukünftigen Kalkulationen müssen wir dies bei Wartungs- und Reparaturarbeiten berücksichtigen", sagt Schwender, weiß aber auch, dass es kaum möglich sein wird, alle Kosten umzulegen.
Es sei ärgerlich, so der Handwerksmeister, dass diese Entwicklung vor allem den ländlichen Raum trifft. Einige seiner Mitarbeiter, die täglich weite Strecken pendeln, dürfen teilweise Betriebsfahrzeuge nutzen, so dass sie die erhöhten Kosten nicht allein tragen müssen. "Bei der Beschaffung von Betriebsfahrzeugen wollen wir verstärkt E-Fahrzeuge berücksichtigen, die durch eine eigene Solartankstelle versorgt werden."
Große Probleme bringt die Preissteigerung beim Sprit auch für die Taxiunternehmen mit sich: "Das Defizit bleibt an uns hängen, denn wir können die Kosten nicht einfach an unsere Kunden weitergeben", sagt Monika Gräf, Inhaberin des Kulmbacher Taxiunternehmens Gräf: "Wir rechnen feste Tarife pro Kilometer ab." Das Hauptgeschäft der Taxifahrer sind Krankenfahrten, am Wochenende auch Diskofahrten. Die Entgeltsätze sind mit den Krankenkassen und dem Landkreis vereinbart. "Wenn die Benzinkosten auf dem Niveau bleiben oder gar noch weiter steigen, wird eine Preiserhöhung aber unvermeidlich sein", so Monika Gräf. Die Kulmbacher Taxiunternehmen werden sich untereinander abstimmen, ob und wann sie eine Tariferhöhung beantragen.
Auch Fahrstunden werden teurer
Diejenigen, die Auto- und Lkw-Fahrer ausbilden, spüren den Preisdruck an den Zapfsäulen ebenso unmittelbar. "Das Thema Energiepreise beschäftigt uns seit einigen Wochen ganz gehörig", sagt Michael Möschel, Geschäftsführer der Verkehrsakademie Kulmbach. "Ein Lkw braucht 35 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Diese Kosten müssen wir weitgeben." Man warte noch einige Wochen ab, um zu sehen, wie weit die Preise steigen, danach werde man die Fahrstunden-Tarife anpassen.
Das trifft jetzt jeden
Zu einer Belastung werden daneben die Heizkosten, denn mit dem Dieselpreis steigen auch die Preise für Heizöl und Gas. "Schlecht ist, dass in dieser Hochpreisphase der Winter vor der Tür steht. So trifft es jeden Haushalt und jeden Unternehmer", so Möschel. "Wir müssen unser Schulungszentrum mit 1500 Quadratmetern Fläche beheizen und rechnen mit 50 Prozent höheren Heizkosten als im Vorjahr."