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Der Ex-Anwalt aus Kulmbach und die Wahrheit


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Mittwoch, 14. Oktober 2015

Weil ihm die Felle davonzuschwimmen drohen, ändert der in Hof wegen Anlagebetrug angeklagte Jurist seine Prozesstaktik. Was hält die Wirtschaftsstrafkammer von dem kryptischen Teilgeständnis?
Hat seine Prozesstaktik geändert: Der wegen schweren Betrugs angeklagte Ex-Rechtsanwalt aus Kulmbach - hier zusammen mit seinen beiden Verteidigern Walter Bagnoli und Stephan Scherdel (rechts) - bekennt sich ein bisschen schuldig. Ein umfassendes Geständnis hört sich anders an. Foto: Stephan Tiroch


Es ist mucksmäuschenstill im Hofer Schwurgerichtssaal. Der Angeklagte will eine Erklärung abgeben. Er habe, wie Verteidiger Walter Bagnoli, Hof, das Gericht im Vorfeld wissen lässt, seine Prozesssituation falsch eingeschätzt.

Kommt jetzt ein Geständnis, das den Mammutprozess vor der Wirtschaftsstrafkammer wegen Anlagebetrug in großem Stil verkürzen würde? Rückt der Ex-Anwalt aus Kulmbach womöglich mit der ganzen Wahrheit raus: dass er die Anleger, die in Photovoltaik-Projekte in Rumänien und Italien investieren wollten, abgezockt und insgesamt eine Million Euro für sich abgezweigt hat?


"Für mich grausam"

Der 45-Jährige gibt sich am Mittwoch zerknirscht und hebt, wie man es von ihm kennt, zu weitschweifigen Ausführung an. Er habe reflektiert, intensiv mit seiner Frau gesprochen und wolle für seine Fehler Verantwortung übernehmen. "Ich leide unter der Situation. Es ist für mich grausam, dass ich wegen Anlagebetrug vor Gericht stehe", sagt der Ex-Anwalt mit tränenerstickter Stimme.

Er habe den Investoren verheimlicht, so der Angeklagte, dass sie ihr Geld auf sein Geschäftskonto einzahlen und nicht auf ein Treuhandkonto. Er sei damals - im Jahr 2013 - "verblendet" gewesen und habe an "die Sache" geglaubt. Damit versucht er, die Schuld auf einen Geschäftspartner in Spanien abzuwälzen, der angeblich die horrenden Summen - von 50 bis 100 Millionen Euro - hätte auftreiben sollen. "Darauf hätte ich nicht vertrauen dürfen", sagt er und verkündet: "Ich werde alles tun, um den Schaden wieder gutzumachen. Es wird dauern, aber ich werde es schaffen."


Ein bisschen schwanger

Was der Angeklagte zu bieten hat, hört sich an wie ein bisschen schwanger. Er hat offenbar seine Prozesstaktik geändert, weil ihm die Felle davonzuschwimmen drohen. In jedem der Betrugsfälle, die bisher zur Sprache gekommen sind, sprechen die Fakten gegen ihn.

Wie zu erwarten, ist auch die Kammer skeptisch. "Etwas kryptisch", meint Vorsitzender Richter Matthias Burghardt, der von Anfang an deutlich gemacht hat, dass es nur bei einem Geständnis Strafrabatt geben kann. "Sie laufen wie eine Katze um den heißen Brei herum." Das Gericht sei allein an Fakten interessiert, nicht an "Träumen, Wünschen und Hoffnungen".


Ein zögerliches "Ja"

Burghardt hakt nach und will vom Angeklagten wissen: Warum er sich als Eigentümer des Unternehmens ausgegeben habe, das die Photovoltaik-Anlage in Rumänien aufbauen sollte? Ob es darum gegangen sei, die Anleger zu täuschen und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen? Wieso er ohne den entsprechenden Grundbucheintrag ein Gelände am Bindlacher Berg als Sicherheit angegeben habe? Ob er die Investorengelder von Anfang an für andere Zwecke habe verwenden wollen? Einige Male kommt ein zögerliches "Ja", immerhin ein bisschen Wahrheit. Aber mehr als ein Teilgeständnis wird es nicht.

Dafür versucht der Ex-Anwalt, andere Verfahrensbeteiligte zu belasten. So hätten Zeugen vor Gericht die Unwahrheit gesagt. Sein wegen Beihilfe mitangeklagter früherer Mitarbeiter (42) habe bei der Vertragsgestaltung freie Hand gehabt. "Alles wurde gemeinsam besprochen. Es gab kein Unterordnungsverhältnis", so der Hauptangeklagte. Kommentar von Rechtsanwalt Werner Brandl, Kulmbach, der den zweiten Angeklagten verteidigt: "Da fällt mir nichts mehr ein. Es hat keinen Wert."

Belastet wird der 45-jährige Jurist von einem Zeugen aus Heidenheim. Der Mann fungiert zunächst als Vermittler und hat dann, als ihm die Sache zu heiß geworden ist, den Kulmbacher angezeigt.

Die Investoren, so der Mann, hätten sich seinerzeit umorientiert. Durch ständige Gesetzesänderungen sei Italien für die Photovoltaik-Anleger nicht mehr lukrativ gewesen. Man sei auf Rumänien umgeschwenkt. Über einen gemeinsam Bekannten sei der Kontakt zu dem Ex-Anwalt zustandegekommen. Er habe den Eindruck erweckt, dass seine finanziellen Möglichkeiten unbegrenzt sind.


"Nicht mal ein Briefkopf"

"Er hat immer über Millionen geredet, aber ich habe nie etwas gesehen. Da bin ich misstrauisch geworden", berichtet der Vermittler. Als er erstmals einen Vertrag des Juristen gesehen hat ("war nicht mal ein Briefkopf drauf"), habe es ihm gereicht: "Ich habe zu ihm gesagt, dass er irgendwann im Knast landet, wenn er so weitermacht. Mir war klar, dass die Sache stinkt. Ich bin zur Kripo gegangen, weil alles nicht mehr zusammengepasst hat."

Ob der Zeuge mit seiner Einschätzung recht behält, wo der der Ex-Anwalt die nächsten Jahre verbringen wird, wird sich in zwei Wochen zeigen. Am 28. Oktober will die Kammer das Urteil verkünden. Bisher sieht es nicht gut aus für den Hauptangeklagten - es sei denn, es kommt doch noch ein umfassendes Geständnis, bevor die Beweisaufnahme abgeschlossen ist.