Der Charme der 70er
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Dienstag, 12. Oktober 2021
Zwei junge Kulmbacher haben ein Unternehmen gegründet, in dem Nachhaltigkeit ein Grundprinzip ist.
Es gab einmal eine Zeit, da haben die Menschen für eine Jeans 98 Mark bezahlt. Für Karotten-Jeans, Bundfalten-Jeans oder für Jeans mit "Schlag". Im Laden von Swenia Koch gibt es solche Hosen noch, versehen mit dem Original-Hersteller-Etikett und Original-Preisschildern aus den siebziger oder achtziger Jahren.
Heute bezahlen die Kunden natürlich mit Euro. Nicht nur die Jeans, sondern auch Blousons aus Ballonseide, grellbunte Jacken aus Kunstleder, oder Häkelpullis aus garantiert 100 Prozent Polyacryl - auch das alles unverkennbar der letzte Schrei aus einer Zeit, die rund fünf Jahrzehnte zurückliegt. "Junge Leute stehen auf sowas", sagt Swenia Koch. Sie muss es wissen. Sie selbst ist gerade mal 25 Jahre alt. Nur ein Jahr älter ist ihr Freund Daniel Schalew, mit dem sie vor einem knappen Jahr ihr Unternehmen gegründet hat. "Echt juter Laden" heißt das Geschäft in der Mangersreuther Straße 9. Der Name ist ein Wortspiel und hat zu tun mit den bedruckten Stoff-Beuteln, die auch dort verkauft werden.
In erster Linie aber geht es um Mode: Swenia und Daniel betreiben den ersten und bislang einzige Vintage-Store in Kulmbach.
Was ihre Eltern oder Großeltern einst als Altkleider entsorgten, ist bei jungen Leuten von heute wieder angesagt. Nicht etwa, dass sie einfach den Stil einer vergangenen Epoche kopieren würden. Sie schaffen sich vielmehr einen neuen Stil - und dazu gehört auch das Prinzip der Nachhaltigkeit.
Swenia Koch und Daniel Schalew bieten in ihrem "Juten Laden" so gut wie keine Neuware an. Stattdessen: Kleidung, die zu schade ist für den Reißwolf, in dem vieles aus Altkleidersäcken oder Containern letztlich landet. "Es gibt so vieles, das man noch gebrauchen kann und nicht gleich wegschmeißen muss."
Gerne handgemacht
Woher die Ware stammt? "Betriebsgeheimnis", sagt Swenia Koch lachend. Um zu ergänzen, dass das vor allem für die Vintage-Stücke gilt. Manches andere findet den Weg direkt vom Kleiderschrank des Erstbesitzers in den Laden.
Nachhaltigkeit ist das generelle Fundament des Unternehmens, "handmade", also handgemacht ein weiteres Attribut, das bei den Kunden derzeit hoch im Kurs steht und auch auf das eine oder andere Stück im Sortiment passt. Auf die Scrunchies zum Beispiel, die mit Stoff bezogenen Haargummis. "Das hier", sagt Swenia und zeigt einen hellbraunen Scrunchie, "war mal eine Cordhose. Da war der Reißverschluss kaputt, aber eine Reparatur wäre zu teuer geworden." Also wird aus der Hose ein Haargummi. Eine alte Bluse wird zum Bezug für Haarspangen, ein ausgedientes Hemd führt ein neues Leben als Sonnenhut.